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Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie ...

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Klaus-Friedrich Bodmann, Béatrice Grabein und die Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.<br />

9. Haut- und<br />

Weichgewebe-,<br />

Knochen- und<br />

Gelenkinfektionen<br />

Peter Kujath, Christian Eckmann, Wolfgang<br />

Graninger, Gerd Gross, Cord Sunderkötter<br />

Haut- und Weichgewebeinfektionen zeigen<br />

in der klinischen Ausprägung ein breites<br />

Spektrum von harmlosen oberflächlichen<br />

Pyodermien bis <strong>zur</strong> lebensbedrohlichen<br />

Myonekrose mit hoher Letalität.<br />

Haut-/Weichgewebeinfektionen entstehen<br />

durch virale, bakterielle, parasitäre Erreger<br />

oder durch differente Pilzformen und zählen<br />

zu den häufigsten Infektionserkrankungen<br />

[15, 19]. Um die Vielfalt der Erkrankung<br />

zu gliedern, legte 1990 der britische<br />

Mikrobiologe Kingston eine Einteilung in<br />

drei Schweregrade vor [18]. Die Einteilung<br />

hat klinische Relevanz, da sie die Dringlichkeit<br />

der chirurgischen Intervention berücksichtigt<br />

(Tabelle 9.1.).<br />

Eine weitere klinisch relevante Untergliederung<br />

ist die Benennung der „komplizierten“<br />

Haut-/Weichgewebeinfektionen.<br />

Der von der FDA gebrauchte Ausdruck<br />

„kompliziert“ wird über die wesentlichen<br />

Risikofaktoren von Haut-/Weichgewebeinfektionen<br />

definiert (Tabelle 9.2.). Die<br />

komplizierten Haut-/Weichgewebeinfektionen<br />

(cSSSI) bilden die Grundlage für die<br />

Zulassungsstudien neuer Antibiotika der<br />

letzten Jahre [1, 11, 26].<br />

Ferner ist bei Haut-/Weichgewebeinfektionen<br />

zu berücksichtigen, ob es sich<br />

um eine lokale oder sich diffus ausbreitende<br />

Infektion mit Allgemeinreaktion<br />

handelt [23]. Auch die Tiefe der Infektionen<br />

mit Ausbreitung auf das Subkutangewebe,<br />

die Faszie oder die Muskulatur muss<br />

berücksichtigt werden (Tabelle 9.3.).<br />

Infektionen der Haut mit<br />

überwiegend konservativer<br />

Behandlung<br />

Zu diesen primär kutanen, oberflächlichen<br />

bakteriellen Infektionen gehören z. B.<br />

Impetigo contagiosa, Furunkel, Karbunkel,<br />

Erysipel und Erysipeloid.<br />

Indikation zum Einsatz eines Antibiotikums<br />

ist die Infektion mit Allgemeinreaktionen<br />

des Körpers: Fieber (über 38,5 °C),<br />

Leukozytose (über 10 000/µl) und deutlicher<br />

CRP-Anstieg.<br />

58<br />

Impetigo / Ekthym (= tiefer ulzerierende<br />

Form der Impetigo)<br />

(Streptococcus pyogenes, beta-hämolysierende<br />

Streptokokken der Serogruppen C<br />

und G, Staphylococcus aureus)<br />

Eine ausgedehnte Impetigo erfordert eine<br />

systemische, aber fast nie eine parenterale<br />

Antibiotika-Gabe. Die parenterale<br />

Gabe ist nur indiziert bei Lokalisation im<br />

Gesicht und mangelndem Ansprechen auf<br />

die orale Gabe. Für das Streptokokkenbedingte<br />

Ekthym wird Penicillin G empfohlen,<br />

für das S.-aureus-bedingte Ekthym ein<br />

Isoxazolylpenicillin (Oxacillin oder Flucloxacillin).<br />

Wenn die Erreger nicht bekannt sind,<br />

wird kalkuliert ein Cephalosporin der<br />

Gruppe 2 oder alternativ ein Makrolid<br />

empfohlen [31].<br />

Auch Furunkel und Karbunkel erfordern<br />

eine systemische Antibiotika-Gabe,<br />

bei Lokalisation im Gesicht und mangelndem<br />

Ansprechen auf die orale Gabe auch<br />

eine parenterale Antibiotika-Therapie.<br />

Da der häufigste Erreger S. aureus ist,<br />

wird die Therapie mit Cephalosporinen<br />

der Gruppe 1 oder 2, Clindamycin oder<br />

einem Aminopenicillin in Kombination<br />

mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor (BLI)<br />

durchgeführt.<br />

Erysipeloid<br />

(Erysipelothrix rhusiopathiae)<br />

Therapie der Wahl für die lokale Infektion<br />

und die seltene systemische Ausbreitung<br />

(mit Fieber, Endokarditis oder Arthritis) ist<br />

Penicillin. Bei Patienten mit Penicillin-Allergie<br />

kommen Cephalosporine, Clindamycin<br />

oder Fluorochinolone infrage. Erysipelothrix<br />

ist resistent gegenüber Glykopeptiden.<br />

Erysipel<br />

(S. pyogenes)<br />

Bei klassischem Erysipel, einer Infektion<br />

durch S. pyogenes mit den charakteristischen<br />

Symptomen überwärmtes Ery-<br />

Leichte Infektionen<br />

(slow progressive)<br />

Infektionen mit dringlicher chirurgischer<br />

Versorgung<br />

Schwere Weichgewebeinfektionen<br />

(rapidly progressive)<br />

them mit glänzender Oberfläche, scharf<br />

begrenzten Rändern und zungenförmigen<br />

Ausläufern, meist einige Zentimeter<br />

entfernt von der Eintrittspforte (z. B. von<br />

der Interdigitalmykose), je nach Enzym-<br />

und Toxin-Expression der Bakterien Blasen<br />

und Einblutungen sowie bereits initial mit<br />

systemischer Entzündungsreaktion (Fieber,<br />

Frösteln, ansteigender BSG, ansteigendem<br />

CRP, Neutrophilie) ist das Mittel<br />

der Wahl Penicillin, auch beim Auftreten<br />

eines Rezidivs. Bisher wurden noch keine<br />

Penicillin-resistenten S.-pyogenes-Stämme<br />

nachgewiesen. Aminopenicilline oder<br />

Penicillinase-feste Penicilline sind aufgrund<br />

der geringeren Wirksamkeit nicht die Mittel<br />

erster Wahl. Bei Penicillin-Allergie ist<br />

Clindamycin die Therapiealternative, bei<br />

Nichtansprechen auf Clindamycin ist z. B.<br />

Moxifloxacin indiziert.<br />

Die Indikationen für die parenterale<br />

Antibiotika-Gabe (Penicillin G) sind komplizierte<br />

Erysipele (z. B. hämorhagische, nekrotisierende<br />

oder blasige Erysipele) sowie<br />

Lokalisation im Gesicht, venöse oder arterielle<br />

Durchblutungsstörung. Nach etwa 5<br />

bis 7 Tagen kann bei deutlicher Besserung<br />

jedoch im Rahmen einer sequenziellen<br />

Therapie mit Penicillin V oder einem oralen<br />

Cephalosporin der Gruppe 1 oder 2 weiter<br />

behandelt werden.<br />

Weichgewebeinfektion ohne<br />

dringliche chirurgische Versorgung/Zellulitis/Phlegmone<br />

(z. B. Weichgewebeinfektionen<br />

bei chronischen Wunden)<br />

Anders als beim allein durch Streptokokken<br />

verursachten klassischen Erysipel sind<br />

die tiefer verlaufenden Formen der Weichgewebeinfektion<br />

klinisch charakterisiert<br />

durch eine überwärmte, mehr ödematöse,<br />

schmerzhafte Rötung und teigige Schwellung,<br />

durch lividere, matte und weniger<br />

scharfe Begrenzung und die nicht immer<br />

initial vorliegenden systemischen Infektionszeichen.<br />

Eine entsprechende begriffliche<br />

Unterscheidung ist aus therapeuti-<br />

Tab. 9.1. Einteilung der Weichgewebeinfektionen entsprechend der<br />

Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung – Beispiele (nach Kingston)<br />

Furunkulose<br />

Impetigo<br />

Begrenzte Phlegmonen<br />

Erysipel<br />

Panaritiun<br />

Abszess<br />

Phlegmone<br />

Eitrige Bursitis<br />

Nekrotisierende Fasziitis, Myonekrose des<br />

Gasbrandes, nekrotisierende Mischinfektionen

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