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Die Monatszeitschrift<br />
Schadensersatz wegen Nichtgewährung<br />
eines KiTa-Platzes<br />
OLG Dresden, Urt. v. 26.08.2015 - 1 U 319/15<br />
RA und FA für IT-Recht Wolfgang Kuntz<br />
A. Problemstellung<br />
Das LG Leipzig hatte am 02.02.2015 entschieden 1 , dass<br />
die Eltern eines Kleinkindes Anspruch auf Schadensersatz<br />
für entgangenen Verdienst, Beiträge zum Versorgungswerk<br />
sowie vorgerichtliche Anwaltskosten haben, wenn dem Kind<br />
ein Kita-Platz nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird.<br />
Die Berufungsentscheidung des OLG Dresden 2 änderte nun<br />
die Entscheidung des Landgerichts ab und wies die Klage ab.<br />
B. Die Entscheidung des Landgerichts<br />
Das Landgericht hat den Schadensersatzanspruch bejaht<br />
und die begehrten Gelder in voller Höhe zugesprochen. 3<br />
Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass die beklagte<br />
Kommune die auch im Interesse der Eltern bestehende<br />
Amtspflicht auf Bereitstellung eines KiTa-Platzes verletzt<br />
habe. Der Anspruch auf Bereitstellung eines Krippenplatzes<br />
folge aus § 24 Abs. 2 SGB VIII. Danach hat ein Kind nach<br />
Vollendung des ersten Lebensjahres Anspruch auf Förderung<br />
in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege.<br />
Die Norm, die primär einen Anspruch des Kindes definiere,<br />
sei sowohl nach der Erläuterung seitens des Gesetzgebers<br />
als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen so auszulegen,<br />
dass sie auch die Interessen der Eltern schütze und damit<br />
dem Schutz der Interessen Dritter diene. Der Anspruch<br />
auf einen Krippenplatz folge aus der Erfüllung eines diesbezüglichen<br />
verfassungsrechtlichen Auftrages. Dadurch,<br />
dass die Kommune den Eltern den Krippenplatz trotz rechtzeitigen<br />
Antrags nicht zur Verfügung gestellt habe, habe<br />
diese ihre Amtspflicht schuldhaft vorsätzlich verletzt.<br />
Die Kommune könne sich wegen nicht ausreichend vorhandener<br />
Plätze nicht auf eine sog. objektive Unmöglichkeit<br />
berufen. Das gesetzgeberische Ziel, KiTa-Plätze zur Verfügung<br />
zu stellen, sei seit dem Jahr 2008 bekannt und die<br />
Kommunen hätten sich darauf einrichten können und Vorsorge<br />
treffen müssen. Ein Träger, der mindestens viereinhalb<br />
Jahre ungenutzt verstreichen lasse, handle zumindest<br />
fahrlässig. Der zu ersetzende Schaden umfasse auch den<br />
Verdienstausfall, der durch die notwendig werdende Verlängerung<br />
der Elternzeit entstehe.<br />
C. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />
Das Oberlandesgericht stützt seine ablehnende Entscheidung<br />
darauf, dass die Eltern nicht geschützte Dritte der<br />
Amtspflicht auf Verschaffung eines Platzes in der Kita<br />
seien. Ferner sei der Verdienstausfall bei einer Verletzung<br />
der Amtspflicht nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst.<br />
Das Gericht begründet dies damit, dass Inhaber des Anspruchs<br />
nach § 24 Abs. 2 SGB VIII alleine das Kind sei. Der<br />
Wortlaut des § 24 Abs. 2 SGB VIII sei insoweit eindeutig<br />
und müsse als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers<br />
gesehen werden, alleine dem Kind den Anspruch zu vermitteln.<br />
Die Eltern hätten hingegen keinen eigenen Anspruch<br />
auf Verschaffung eines Kita-Platzes für ihr Kind. Auch das<br />
Sächsische Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen<br />
gebe den Eltern keinen Anspruch.<br />
Der Drittschutz ergebe sich auch nicht aus einer sonstigen<br />
Einbeziehung in den Schutzbereich der Norm. Zwar seien<br />
einige juristische Kommentatoren der Ansicht, dass die<br />
Sorgeberechtigten in den Schutzbereich einbezogen seien,<br />
da das Ziel, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser<br />
vereinbaren zu können, ausdrücklich erwähnt werde und<br />
diese Einbeziehung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen<br />
folge. Andererseits spreche aber die Auslegung unter<br />
Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien gegen die Einbeziehung.<br />
Aus den Materialien folge, dass die Förderung<br />
des Kindeswohls im Vordergrund stehe. Wenn in der Gesetzesbegründung<br />
formuliert sei, dass erst die Schaffung eines<br />
Rechtsanspruchs den Eltern die Wahlfreiheit gebe, Beruf<br />
und Familie miteinander zu vereinbaren, folge daraus nicht,<br />
dass die Eltern deshalb geschützte Dritte des Anspruchs<br />
ihres Kindes sein sollen. Der Wortlaut der Vorschrift stelle auf<br />
die Förderung des Kindes und nicht auf die Erwerbsinteressen<br />
der Eltern ab. Da von den Fördergrundsätzen des § 22<br />
Abs. 2 SGB VIII nur die Sicherung des Kindeswohls Eingang<br />
in den Gesetzeswortlaut des § 24 Abs. 2 SGB VIII gefunden<br />
habe, folge hieraus, dass nur das Kind durch die Norm geschützt<br />
sein solle. Anderenfalls wären die weiteren Förderungsgrundsätze<br />
entweder erwähnt worden oder aber es<br />
wäre ein direkter Anspruch der Eltern statuiert worden.<br />
Der entstandene Schaden sei ferner nicht vom Schutzzweck<br />
der Norm umfasst. Mittelbare Schäden der Eltern, wie Verdienstausfall,<br />
seien hiervon nicht erfasst.<br />
D. Kritik<br />
Die Entscheidung des OLG Dresden ist hauptsächlich unter<br />
zwei Gesichtspunkten zu kritisieren.<br />
1 LG Leipzig, Urt. v. 02.02.2015 - 7 O 1455/14 (das Landgericht erließ<br />
am 02.02.2015 drei weitgehend gleichlautende Entscheidungen).<br />
2 OLG Dresden, Urt. v. 26.08.2015 - 1 U 319/15.<br />
3 Zur Entscheidung des Landgerichts eingehend Kuntz, jM 2015, 232-<br />
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