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JM 4 APRIL<br />

2016<br />

bspw. nach Art. 10 BayKSG die Katastrophenschutzbehörde<br />

das Betreten des Katastrophengebiets verbieten, Personen<br />

von dort verweisen und das Katastrophengebiet sperren<br />

und räumen, wenn dies zur Katastrophenabwehr erforderlich<br />

ist. Mit Geldbuße kann gem. Art. 16 Nr. 2 BayKSG –<br />

entsprechend einer landesrechtlich gängigen Regelungsart<br />

– belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren<br />

Anordnung nach Art. 10 BayKSG zuwiderhandelt.<br />

Auch in diesem Regelungszusammenhang fehlt es demnach<br />

nicht an einer rechtlichen Erfassung der Problematik<br />

von Schaulustigen. Der Anwendungsbereich katastrophenschutzrechtlicher<br />

Normen ist jedoch auf gravierende Gefahren<br />

beschränkt, 32 sodass die aufgeführten rechtlichen<br />

Steuerungsmittel überhaupt bloß in seltenen Fällen tatbestandlich<br />

einschlägig sein dürften.<br />

C. Reformbedarf<br />

I. Reformbedarf des materiellen Rechts<br />

Der skizzierte Rechtsrahmen macht eines deutlich: Es existiert<br />

ein bunter Strauß an Rechtsnormen, die aus verschiedenen<br />

Perspektiven des Rechts jeweils unterschiedliche Rechtsgüter<br />

schützen und die sowohl ein Einschreiten gegen Schaulustige<br />

im Sinne der Gefahrenabwehr als auch die straf- bzw.<br />

ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung umfassen.<br />

Das Hauptproblem der dargestellten Rechtslage und zugleich<br />

ein starkes Argument gegen einen Reformbedarf ist<br />

die mangelnde Durchsetzung der Normen. Insbesondere<br />

den Einsatzkräften kommen in Unglücksfällen dringlichere<br />

Aufgaben zu, als die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche<br />

Verfolgung der „Gaffer“ zu betreiben. Zudem fehlt es<br />

oft an Zeit und Personal, die Normverstöße zu verfolgen<br />

und Beweise zu sichern. Demnach handelt es sich stärker<br />

um ein Vollzugsdefizit als um eine Rechtslücke.<br />

Gleichwohl kündigte Niedersachsens Innenminister Boris<br />

Pistorius (SPD) jüngst an, einen Gesetzentwurf vorlegen<br />

zu wollen, der das Fotografieren und Filmen von Unfallopfern<br />

verbiete. Er führt an, dass außer der Presse niemand<br />

das Recht habe, Aufnahmen von Opfern zu machen.<br />

Zwecks eines hinreichenden Opferschutzes müsse ein solches<br />

Verhalten strafrechtlich bewehrt sein. Derzeit werde<br />

favorisiert, entsprechende Paragrafen im KunstUhrG anzupassen.<br />

Vor dem Hintergrund der jüngsten Reform des § 201a<br />

StGB erscheint der Mehrwert einer bloßen Reform des<br />

KunstUhrG fraglich. Die spärlichen Informationen über<br />

das niedersächsische Reformvorhaben deuten darauf hin,<br />

dass die Persönlichkeitsrechte etwaiger Unfallopfer in den<br />

Vordergrund rücken sollen. Eben dieses Rechtsgut hat jedoch<br />

unlängst eine Aufwertung durch die Änderung des<br />

§ 201a StGB erfahren. Sofern die Gerichte der hier vorgenommenen<br />

– und vom Gesetzgeber intendierten – Auslegung<br />

folgen, besteht zumindest ein Schutz in besonderen<br />

Unfallsituationen. Zugegebenermaßen ist die Frage offen,<br />

welche konkreten Anforderungen an die Tatbestandsmerkmale<br />

im Einzelnen zu stellen sind. Eine restriktive Auslegung<br />

der Norm könnte folglich zu Schutzlücken hinsichtlich<br />

der Persönlichkeitsrechte verunfallter Personen führen, sodass<br />

allenfalls vor diesem Hintergrund eine Ausweitung auf<br />

jedwede Unfallsituation sachdienlich wäre. Darüber hinaus<br />

käme als strenge Form ein generelles Fotografie- und Filmverbot<br />

– unabhängig etwaig tangierter Persönlichkeitsrechte<br />

Betroffener – in Betracht.<br />

II. Maßnahmen und Notwendigkeiten zur Bewältigung<br />

des Phänomens<br />

Der aktuelle und auch ein etwa reformierter Rechtsrahmen<br />

könnten nicht das dringlichere Problem des Mangels<br />

der faktischen Rechtsverfolgung bewältigen. Um effektiv<br />

Rechtsverstöße ahnden zu können, müssten die Einsatzkräfte<br />

nicht bloß für eine etwaige Strafverfolgung stärker<br />

sensibilisiert werden, sondern personell derart aufgestellt<br />

sein, dass eine höhere Anzahl von Einsatzkräften zu Unglücksfällen<br />

abgestellt werden kann. Schlussendlich ist<br />

dies der internen Organisation zuzurechnen, die jedoch –<br />

wie häufig – auf haushaltspolitischen Entscheidungen<br />

beruht.<br />

Eine Möglichkeit rein praktischer Natur, um das Problem<br />

einzudämmen, ist ein derzeitiger Modellversuch in Nordrhein-Westfalen.<br />

Um den „Gaffern“ die Sicht zu versperren,<br />

werden Sichtschutzwände entlang von Unfallstellen<br />

erprobt. Bislang fällt das Fazit positiv aus: Insbesondere<br />

seien durch sie wirksam Staus vermieden sowie Unfallopfer<br />

und Rettungskräfte wirkungsvoll vor „Gaffern“ geschützt<br />

worden. 33<br />

Zweifelsohne kann dies alleine nicht zielführend sein,<br />

gleichwohl ist ihre ergänzende Beiziehung sinnvoll und<br />

weist vor allem auf das grundlegende Problem hin: die<br />

Sensationsgier des Menschen. Dort, wo das Ereignis abgeschirmt<br />

ist, lässt das Interesse nach. Dringliches Ziel<br />

muss demnach die gesamtgesellschaftliche, öffentliche<br />

Aufklärung und Sensibilisierung sein. Sinnvoll erscheinen<br />

insbesondere Präventionsmaßnahmen unter Einbeziehung<br />

aller verfügbaren Medien, aber auch von Fahrschulen und<br />

Automobilklubs.<br />

32 Vgl. Art. 1 Abs. 2 BayKSG.<br />

33 Gemeinsame Pressemitteilung von Straßen.NRW und dem NRW-<br />

Verkehrsministerium vom 07.09.2015.<br />

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