M 4
1p0A3Ay
1p0A3Ay
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Monatszeitschrift<br />
Freilich bleibt trotz einer möglichen Rechtfertigung des<br />
Familien(divisoren)splittings aus der freien Gestaltung des<br />
Familienzusammenlebens der schale Beigeschmack, dass<br />
die gleichmäßige Verantwortungsübernahme in der Familie<br />
jedenfalls teilweise Fiktion ist. 44 Bestimmen doch v. a. die<br />
Eltern als Verdiener über die Einkommensverwendung; für<br />
die reale Verantwortungsübernahme der Kinder bleibt wenig<br />
Raum. Bei einem Systemwechsel zum Familien(divisoren)<br />
splitting 45 wäre weiter zu bedenken, dass es in Reinform<br />
den Splittingeffekt für gut verdienende Familien mit jedem<br />
weiteren Kind verstärkt. 46 So kann es bei Familien mit höheren<br />
Einkommen schnell zu einer Überkompensation bestehender<br />
Unterhaltsansprüche und zu einer Verzerrung der<br />
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen führen.<br />
Denn die kindesbedingte Leistungsfähigkeitsminderung ist<br />
mit der Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen<br />
jedenfalls abgedeckt. Die Besserstellung von Familien mit<br />
höheren Einkommen ist auch nicht durch das Fördergebot<br />
des Art. 6 Abs. 1 GG gedeckt; dies rechtfertigt nur eine<br />
Besserstellung von Familien gegenüber Nicht-Familien. Zu<br />
bedenken ist andererseits, dass der Effekt eines Familiensplittings<br />
durch privatrechtliche Gestaltungen zwischen Familienangehörigen<br />
herbeigeführt werden kann, indem ein<br />
Teil der Einkünfte auf die Kinder übertragen wird (z.B. die<br />
Übertragung von Vermietungs objekt von den Eltern auf die<br />
Kinder); dies mag die genannte Ungleichbehandlung unter<br />
Umständen rechtfertigen.<br />
Jedenfalls wäre aus fiskalischen Gründen eine Begrenzung<br />
des Splittingvorteils 47 und daneben eine ergänzende allgemeine<br />
Familienförderung notwendig, was der Steuervereinfachung<br />
nicht dienen würde. Umsetzungsschwierigkeiten<br />
würden ggf. auch die Begrenzung des in das Familiensplitting<br />
einzubeziehenden Personenkreises sowie die Berechnung<br />
ergänzender Freibeträge für Betreuungs- und<br />
Erziehungsaufwand bereiten, wollte man solche für nötig<br />
erachten. 48<br />
Zu kritisieren ist das Nebeneinander von Kindergeld und<br />
steuerlichen Kinderfreibeträgen, durch die die Besteuerung<br />
der Eltern gerade nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
verschleiert wird. Im Interesse der Transparenz von<br />
Besteuerung und Sozialtransfers sollten am Bedarf der<br />
Familie orientierte staatliche Transferleistungen aus dem<br />
Steuerrecht entfernt und ins Sozialrecht integriert, v.a. aber<br />
im Steuerrecht nicht ausgedehnt werden. Kinder sollten bei<br />
der Einkommensteuer allein durch einen realitätsgerechten<br />
Kinderfreibetrag berücksichtigt werden. Das Kindergeld<br />
sollte davon getrennt im Sozialrecht geregelt werden. Der<br />
Höhe nach wäre es sachgerecht, Kinderfreibetrag und Kindergeld<br />
gleich hoch anzusetzen. Dabei sollte es nur eine Art<br />
der Sozialförderung von Kindern geben, d.h. das Kindergeld<br />
sollte alle Bestandteile des Kindesexistenzminimums umfassen.<br />
Als Reformalternativen für eine leistungsfähigkeitsgerechte<br />
Familienbesteuerung wäre das (Familien-)Realsplitting<br />
möglich, wogegen freilich der damit einhergehende<br />
administrative Mehraufwand spricht. Die Verlängerung der<br />
sog. Nullzone (Grundfreibetrag) um einen sog. Kindergrundfreibetrag<br />
erscheint dagegen durchaus erwägenswert. Mit<br />
der Einführung eines Familien(divisoren)splittings vollzöge<br />
der Gesetzgeber einen fragwürdigen Systemwechsel.<br />
Was die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben<br />
betrifft, wäre ein Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten<br />
– Kosten einer Fremdbetreuung während der<br />
Arbeitszeit – in tatsächlicher Höhe als Betriebsausgaben/<br />
Werbungskosten zu empfehlen.<br />
Stets gilt es zu bedenken: Wird das Steuerrecht als Mittel<br />
der Familienpolitik eingesetzt, läuft dies seiner originären<br />
Zielsetzung zuwider, nämlich in möglichst transparenter<br />
Weise für die gleichmäßig nach einem einfachen System<br />
Besteuerten den Finanzbedarf des Staates zu decken.<br />
D. De lege ferenda<br />
Das Ehegattensplitting sollte beibehalten werden. Die<br />
Einbeziehung eingetragener Lebenspartnerschaften in das<br />
Splittingverfahren ist systemkonform. Eine Ausdehnung<br />
auf alle tatsächlichen Verantwortungsgemeinschaften ist<br />
dagegen schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zu<br />
empfehlen. Eine Ausdehnung auf Eltern-Kind-Beziehungen<br />
widerspricht Struktur und Zielsetzung des Splittings,<br />
da es sich nicht um Erwerbsgemeinschaften handelt. Aus<br />
demselben Grund scheidet auch eine Einbeziehung Alleinerziehender<br />
aus. Deren Berücksichtigung durch den<br />
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) erscheint<br />
adäquat.<br />
44 Vgl. Bareis, DStR 2010, 565, 573.<br />
45 Vgl. Jachmann, Familienbesteuerung kompakt, 2010, S. 17; Jachmann,<br />
FR 2010, 123, 124.<br />
46 Krit. Sacksofsky in: Ehegattensplitting und Familienpolitik, 2007,<br />
S. 348 f.; dafür aber Seiler in: Ehegattensplitting und Familienpolitik<br />
2007, S. 7, 23 ff., 29 f.; ebenso Merkt, DStR 2009, 2221, 2224 ff. Eine<br />
Erstreckung des Splittingvorteils auf Alleinerziehende mit Kindern ist<br />
nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 -<br />
1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79, 363/80 - BVerfGE 61, 319, 348;<br />
verdeutlicht durch BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 - 2 BvR 1057/91,<br />
1226/91, 980/91 - BVerfGE 99, 216, 230) und des BFH (BFH, Beschl.<br />
v. 17.10.2012 - III B 68/12 - BFH/NV 2013, 362, 364) jedenfalls nicht<br />
geboten.<br />
47 In diesem Sinne BT-Drs. 14/23, S. 180.<br />
48 So Merkt, DStR 2009, 2221, 2225.<br />
174