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JM 4 APRIL<br />
2016<br />
tives, konzertiertes Vorgehen ermöglicht. Der Anwendungsbereich<br />
der neu geschaffenen „Action de groupe“ 6 ist in<br />
prozessualer Hinsicht auf die Prozessführungsbefugnis von<br />
Verbraucherverbänden beschränkt. In materiell-rechtlicher<br />
Hinsicht erstreckt sich der Anwendungsbereich auf deliktische<br />
Ansprüche infolge der Verletzung des französischen<br />
sowie des europäischen Wettbewerbsrechts.<br />
Das Klageverfahren untergliedert sich in zwei konsekutive<br />
Phasen. In einer ersten Phase entscheidet das angerufene<br />
Gericht über die Haftung des beklagten Unternehmens<br />
dem Grunde nach und informiert sodann, nach Eintritt der<br />
Rechtskraft des sog. „Jugement au fond“, in einem zweiten<br />
Schritt die potenziell betroffenen Verbraucher auf Kosten<br />
des Beklagten. Den geschädigten Individuen ist sodann<br />
die Möglichkeit des Klagebeitritts im Sinne eines Opt-In-<br />
Mechanismus eröffnet.<br />
Der Anwendungsbereich der französischen Sammelklage im<br />
Bereich des Kartelldeliktsrechts erlaubt sowohl die Liquidation<br />
direkter als auch indirekter Schäden. Sie darf allein auf<br />
Grundlage einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung<br />
einer französischen respektive europäischen Wettbewerbsbehörde<br />
oder eines Gerichts erhoben werden und ist daher<br />
auf das Modell der Folge bzw. Konsekutivklage 7 beschränkt,<br />
was nicht nur auf Vorbehalte gegenüber dem vermeintlichen<br />
Missbrauchspotenzial, sondern auch auf die Besorgnis der<br />
Beweisnot potenzieller Privatkläger zurückzuführen ist. Die<br />
„Action de groupe“ vereinfacht somit die Kompensation der<br />
Opfer eines von der nationalen Kartellbehörde aufgedeckten<br />
Wettbewerbsverstoßes im Fall sog. Massenschäden. Die Zielsetzung<br />
einer gesteigerten Abschreckungswirkung, die stets<br />
aus einem Zusammenwirken einer hohen Aufdeckungswahrscheinlichkeit<br />
und der Höhe der zu gewärtigenden Pönale<br />
erwächst, wird hingegen verfehlt.<br />
Die in der unlängst verabschiedeten Richtlinie 8 enthaltene<br />
Formulierung, wonach sog. „Stand-Alone-Klagen“ 9 nicht<br />
explizit ausgeschlossen sind, nimmt den französischen Gesetzgeber<br />
überdies erneut in die Pflicht, befördert die Richtlinie<br />
doch maßgeblich die Möglichkeit proaktiver Klagen im<br />
Kartelldeliktsrecht. Die umfangreichen Bestimmungen zur<br />
Beseitigung der Beweisnot des oder der geschädigten Verbraucher<br />
und die dezidierte Regelung zum Schutze der europäischen<br />
und mitgliedstaatlichen Kronzeugenprogramme<br />
delegitimieren die bisherigen Vorbehalte in Gänze und<br />
verlangen daher zwingend eine erneute Gesetzesreform.<br />
C. Class Action und Collective Redress – über die<br />
Anstrengungen der EU-Kommission zur Schaffung<br />
einer Sammelklage im Kartelldeliktsrecht<br />
Seit annähernd einer Dekade verfolgt die EU nunmehr die<br />
Zielsetzung der Einführung einer Sammelklage zum Wohle<br />
der Verbraucher. 10 Die in die kontinentaleuropäische Dogmatik<br />
diffundierten Vorbehalte gegenüber der Einführung<br />
eines Sammelklagemechanismus nach US-amerikanischem<br />
Vorbild verhindern indes die verbindliche Einführung einer<br />
europäischen Kollektivklage. Im Hinblick auf die sensible<br />
Problematik der konkreten prozessrechtlichen Ausgestaltung<br />
der kollektiven Durchsetzung von Verbraucherinteressen<br />
relativiert die Europäische Kommission ihren gegenüber<br />
den Rechtstraditionen des Großteils der Mitgliedstaaten<br />
radikalen Ansatz mit dem Mittel der Unverbindlichkeit. In<br />
concreto wird die Zielsetzung der Einführung einer Verbrauchersammelklage<br />
sui generis lediglich in der Form<br />
einer Kommissionsempfehlung 11 verfolgt, während der europäische<br />
Gesetzgeber die zivilprozessuale sowie materiellrechtliche<br />
Reform der privaten Kartellrechtsdurchsetzung<br />
im Übrigen vermittels einer Richtlinie ausgestaltet.<br />
Obgleich die Einführung einer Opt-In-Gruppenklage im Fall<br />
der Verletzung nationalen oder europäischen Wettbewerbsrechts<br />
noch im Rahmen des Weißbuchs die Stellung einer<br />
zentralen Forderung einnahm, 12 greift der Regelungsinhalt<br />
der verbindlich umzusetzenden Richtlinie die Thematik der<br />
Kollektivklage im Kartelldeliktsrecht nicht auf. Der europäische<br />
Gesetzgeber beschränkt sich vielmehr auf eine<br />
allgemein gefasste Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur<br />
Effektivierung des Rechtsschutzes und den Hinweis darauf,<br />
dass auf bereits bestehende Kollektivmechanismen bzw.<br />
Stellvertreterklagen zurückgegriffen werden kann. Die – unverbindliche<br />
– Kommissionsempfehlung optiert hingegen –<br />
entsprechend der französischen Regelung – für einen Opt-<br />
6 Art. L. 423-1 ff. Code de la consommation.<br />
7 Sog. Follow-On-Action.<br />
8 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 26.11.2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen<br />
nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche<br />
Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der EU,<br />
ABl. EU, L 349 vom 05.12.2014, S. 1 ff.<br />
9 Unter diesen Begriff fasst die US-amerikanische Kartelldeliktsrechtsdogmatik<br />
proaktive Privatklagen, die sich nicht auf eine vorangegangene<br />
Entscheidung einer Kartellbehörde stützt.<br />
10 Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament<br />
und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, Verbraucherpolitische<br />
Strategie der EU, Stärkung der Verbraucher – Verbesserung<br />
des Verbraucherwohls – wirksamer Verbraucherschutz,<br />
KOM(2007) 99 endgültig vom 13.03.2007, abrufbar unter http://<br />
eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:902cdb5f-2676-48f5-<br />
a587-c9919e757b44.0002.03/DOC_2& format=PDF/ (zuletzt abgerufen<br />
am 07.02.2016).<br />
11 Empfehlung der Kommission vom 11.06.2013, 2013/396/EU, ABl. EU,<br />
L 201 vom 26.07.2013, S. 60 ff.<br />
12 Weißbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts,<br />
KOM(2008) 165 endgültig vom 02.04.2008, S. 5, abrufbar unter<br />
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0165:<br />
FIN:DE:PDF/ (zuletzt abgerufen am 07.02.2016).<br />
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