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Die Monatszeitschrift<br />

Hätte der 2. Senat diese Divergenz erkannt, hätte er eine<br />

Vorlage an den Großen Senat in Erwägung ziehen müssen.<br />

Da dies nicht geschehen ist, hat der 2. Senat objektiv das<br />

Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.<br />

Selbst wenn man auch für diesen Fall eine Bindung des<br />

Berufungsgerichts an das Revisionsurteil annehmen wollte,<br />

leidet das 2. BU gleichwohl an einem entscheidenden Mangel.<br />

Das LArbG Hamm leitet nämlich aus seiner Bindung an<br />

das Revisionsurteil ab, diese Bindung schließe zugleich die<br />

Zulassung der Revision aus (Rn. 174 a.E.). Das ist verfehlt:<br />

Die Divergenz zum übersehenen Urteil des 8. Senats ist<br />

offenkundig. Auch eine Verletzung des Grundsatzes des<br />

gesetzlichen Richters durch Nichtvorlage an den Großen<br />

Senat ist evident. Damit liegen sowohl grundsätzliche Bedeutung<br />

als auch Divergenz offen zutage. Folglich ist eine<br />

Zulassung der Revision nicht nur gerechtfertigt, sondern<br />

zwingend erforderlich.<br />

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, bei einer erneut<br />

zugelassenen Revision sei das Revisionsgericht seinerseits<br />

an seine eigene vorangegangene Revisionsentscheidung<br />

gebunden. Dies entspricht zwar, auch wenn keine ausdrückliche<br />

gesetzliche Regelung hierzu besteht, der überwiegenden<br />

Meinung 7 , kann aber für den vorliegenden Sonderfall<br />

keine Geltung beanspruchen, und zwar deshalb nicht, weil<br />

das 1. Revisionsurteil die grundrechtserhebliche Frage gar<br />

nicht gesehen und deshalb auch nicht entschieden hat. An<br />

etwas, was das Revisionsgericht nicht gesehen und deshalb<br />

auch nicht „entschieden“ hat, kann es schlechterdings<br />

nicht gebunden sein. Die gegenteilige Auffassung würde<br />

das Revisionsgericht dazu zwingen, sehenden Auges Unrecht<br />

zu sprechen, wogegen der Kläger dann nur mit Gehörsrüge/Verfassungsbeschwerde<br />

vorgehen könnte. Das<br />

wäre grob unsinnig und kann deshalb nicht rechtens sein.<br />

D. Auswirkungen für die Praxis<br />

Auch soweit ein Berufungsgericht sich durch ein zurückverweisendes<br />

Revisionsurteil gem. § 563 Abs. 2 ZPO an die<br />

rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht gebunden<br />

erachtet, ist es dadurch keineswegs gehindert, sondern<br />

geradezu aufgerufen, die Zulassung einer (erneuten) Revision<br />

sorgfältig zu prüfen.<br />

In seinem Schlussabsatz führt das Besprechungsurteil nach<br />

Ablehnung der Zulassung der Revision aus, der Kläger<br />

„hätte die Möglichkeit gehabt, Verfassungsbeschwerde<br />

einzulegen.“ Das Gericht hat nicht erörtert, wann diese<br />

Möglichkeit bestanden haben soll. Das 1. BU hatte die Revision<br />

ausdrücklich zugelassen. Zur Erschöpfung des Rechtsweges<br />

musste A also Revision einlegen. Nach Erlass des Revisionsurteils<br />

war die Verfassungsbeschwerde noch immer<br />

nicht möglich, da das Revisionsurteil die Sache ja in die Berufungsinstanz<br />

zurückverwiesen hatte und der Rechtsweg<br />

also noch nicht erschöpft war. Nach Erlass des 2. BU kann<br />

der Kläger immer noch nicht Verfassungsbeschwerde einlegen,<br />

da er zunächst Nichtzulassungsbeschwerde erheben<br />

müsste. Die vom Besprechungsurteil gesehene Möglichkeit<br />

einer Verfassungsbeschwerde bestand daher entgegen der<br />

Ansicht des Gerichts in Wahrheit nicht.<br />

7 Schwab/Weth, ArbGG, 4. Aufl. 2014, § 75 ArbGG, Rn. 20; Baumbach/<br />

Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 563, Rn. 10.<br />

Sozialrecht<br />

Leistungsausschluss im SGB II für EU-Bürger<br />

– Sozialhilfeanspruch bei Aufenthaltsdauer<br />

von über sechs Monaten<br />

BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R<br />

RiSG Johannes Greiser<br />

A. Problemstellung<br />

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer, deren<br />

Aufenthaltszweck sich allein aus der Arbeitsuche ergibt,<br />

vom Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende<br />

(„Hartz IV“) ausgeschlossen. Mit Beschluss vom<br />

12.12.2013 1 legte das BSG dem EuGH die Frage vor, inwieweit<br />

sich dieser Ausschluss bei EU-Bürgern mit europarechtlichen<br />

Gleichbehandlungsgeboten vereinbaren lasse.<br />

Der EuGH antwortete mit Urteil vom 15.09.2015, dass ein<br />

Ausschluss von arbeitsuchenden EU-Bürgern im vorgelegten<br />

Fall möglich sei (Rechtssache „Alimanovic“). 2 Bereits<br />

im Jahr 2014 hatte der EuGH in einem weiteren Vorlageverfahren<br />

den Ausschluss von Leistungen gebilligt, wenn der<br />

EU-Bürger nicht nach Arbeit suche (Rechtssache „Dano“). 3<br />

Im besprochenen Urteil vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R)<br />

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung<br />

1 BSG, Beschl. v. 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R.<br />

2 EuGH, Urt. v. 15.09.2015 - C-67/14 - „Alimanovic“; siehe dazu:<br />

Raschka, ZAR 2015, 331 ff.; Wunder, SGb 2015, 620 ff.; Kingreen,<br />

NVwZ 2015, 1503 ff.; Greiser/Kador/Krause, ZfSH/SGB 2015, 569 ff.<br />

3 EuGH, Urt. v. 11.11.2015 - C-333/13 - „Dano“; siehe dazu: Schreiber,<br />

info also 2015, 3 ff.; Janda, InfAuslR 2015, 108 ff.; Greiser/Kador/<br />

Krause, ZfSH/SGB 2015, 76 ff.<br />

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