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JM 4 APRIL<br />
2016<br />
unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Notwendige<br />
hinausgingen, würde es sich dabei allerdings nicht um eine<br />
Konkretisierung des Prinzips der Besteuerung nach der individuellen<br />
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern um eine<br />
steuerliche Maßnahme zur Familienförderung handeln. 36 Die<br />
Kinder hätten die Unterhaltsleistungen der Eltern als eigene<br />
Einkünfte mit eigenem Grundfreibetrag zu versteuern – dies<br />
wäre im geltenden EStG insoweit nicht systemkonform, als<br />
es sich nicht um Erwerbseinkommen handelt. Um das (Familien-)Realsplitting<br />
praktikabel auszugestalten, wären die<br />
Unterhaltsverpflichtungen realitätsgerecht zu pauschalieren.<br />
Mit der Einführung eines (Familien-)Realsplittings ginge im<br />
Ergebnis ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand einher;<br />
insbesondere würden neben den Eltern stets auch die Kinder<br />
veranlagt. Allerdings böte die Technik des Realsplittings u. U.<br />
die Möglichkeit, das (Familien-)Realsplitting auf ein Mehrgenerationenrealsplitting<br />
auszubauen.<br />
Zu weitaus geringfügigeren Änderungen des geltenden Familienleistungsausgleichs<br />
würde die Verlängerung der sog.<br />
Nullzone (Grundfreibetrag) um einen sog. Kindergrundfreibetrag<br />
führen. 37 Wie der Grundfreibetrag der Eltern<br />
bliebe der Kindergrundfreibetrag unversteuert. Das über<br />
die kumulierten Grundfreibeträge hinausgehende Einkommen<br />
würde beginnend mit dem Eingangssteuersatz (derzeit<br />
14 %) versteuert.<br />
Anders als ein (Familien-)Realsplitting wäre ein unbegrenztes<br />
Familien(divisoren)splitting, d. h. die Übertragung des<br />
Splittingvorteils und damit die Verteilung des Familieneinkommens<br />
gleichmäßig auf alle Familienmitglieder vor dem<br />
Hintergrund des geltenden Einkommensteuersystems, das<br />
die Einkommenserzielung besteuert, gleichheitsrechtlich<br />
problematisch; Eltern dürften nicht über die tatsächlich kindesbedingt<br />
geminderte Leistungsfähigkeit hinaus entlastet<br />
werden. Auch stellt die Familie, anders als die Ehe, keine<br />
ein Splitting rechtfertigende Erwerbsgemeinschaft dar, 38<br />
sondern lediglich eine auf Auflösung gerichtete Unterhaltsgemeinschaft<br />
bzw. Verbrauchsgemeinschaft. Diese betrifft<br />
im System der Ertragsteuern die Einkommensverwendung<br />
und rechtfertigt so nicht die Zurechnung von Einkommen<br />
zu einer Person, die dieses Erwerbseinkommen nicht erzielt<br />
hat. Einkommensverwendung ist unter der Kategorie der<br />
potenziellen Leistungsfähigkeitsminderung zu erfassen. 39<br />
Wollte man gleichwohl ein Familien(divisoren)splitting einführen,<br />
bedürfte es eines partiellen Systemwechsels. Das<br />
Familien(divisoren)splitting soll dabei dadurch gerechtfertigt<br />
werden, dass alle Familienmitglieder am Einkommen<br />
der Erwerbstätigen via gemeinsamem Verbrauch partizipieren.<br />
Systemtragend soll dem Verbrauch des von den Eltern<br />
Erwirtschafteten für die Familie der Vorrang zukommen vor<br />
der Verwendung für die Finanzierung der Allgemeinheit via<br />
Steuer, und dies nicht nur im Bereich des Existenzminimums,<br />
sondern jenseits dessen in dem Umfang, in dem der Progressionsnachteil<br />
der Eltern gegenüber einer gleichmäßigen<br />
Verteilung des Einkommens auf alle Familienmitglieder der<br />
Finanzierung allgemeinstaatlicher sozialer Belange dient. 40<br />
Soll dieser Ansatz „Familie vor Progression“ aber eine neue<br />
Systementscheidung tragen, muss er als eine leistungsfähigkeitsgerechte<br />
Besteuerung und nicht nur als eine familienmotivierte<br />
Steuersubvention angesehen werden können.<br />
Ausgangspunkt hierfür ist die durch den progressiven Tarif<br />
zum Ausdruck kommende Systementscheidung des Gesetzgebers,<br />
wonach ein höheres Einkommen und eine dadurch<br />
bedingte höhere Steuerpflicht einen Indikator für eine erhöhte<br />
soziale Verantwortung darstellen. 41 In diesem Rahmen<br />
postuliert ein Familen(divisoren)splitting eine insoweit<br />
reduzierte soziale Verantwortung der erwerbstätigen Eltern,<br />
als in der Verbrauchsgemeinschaft auch nicht erwerbstätige<br />
Familienmitglieder leben. Diese vorrangige Einkommensverwendung<br />
für die Familie wäre im Grundsatz durch das Subsidiaritätsprinzip<br />
i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG zu rechtfertigen.<br />
Der materiell rechtfertigende Grund für eine vollständige<br />
Progressionsentlastung aller Mitglieder einer familiären<br />
Verbrauchsgemeinschaft läge in ihrer Qualität als Verantwortungsgemeinschaft,<br />
42 vorgezeichnet durch Art. 6 GG,<br />
ausgeformt durch das Zivil- bzw. Familienrecht. 43<br />
36 Englisch, DStJG 37 (2014), S. 159, 198.<br />
37 FDP in: Beschl. des 60. ord. Bundesparteitags der FDP v. 15.-<br />
17.05.2009, S. 5 f.<br />
38 Siehe BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 - 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79,<br />
363/80 - BVerfGE 61, 319, 348. Anders als für die Ehe gibt es für die<br />
Familie keine eine solche Erwerbsgemeinschaft prägende eindeutige<br />
zivilrechtliche Grundlage. Vielmehr ist die Eltern-Kind-Beziehung zivilrechtlich<br />
primär durch Sorgerecht und Unterhaltspflicht der Eltern<br />
definiert (§§ 1626 ff., 1601 ff. BGB).<br />
39 D.h. sub specie objektives/subjektives Nettoprinzip.<br />
40 Vgl. auch Merkt, DStR 2009, 2221, 2222, 2226 und Seiler, Gutachten<br />
F für den 66. Deutschen Juristentag, 2006, S. F 45; Seiler, Grundzüge<br />
eines öffentlichen Familienrechts, 2008, S. 99.<br />
41 Jachmann, Nachhaltige Einwicklung und Steuern, 2003, S. 61 f.<br />
42 Vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80,<br />
81, 92; BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 - 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79,<br />
363/80 - BVerfGE 61, 319, 364 f.; BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 -<br />
2 BvR 1057/91, 1226/91, 980/91 - BVerfGE 99, S. 216, 231. Seiler,<br />
Gutachten F für den 66. Deutschen Juristentag, 2006, S. F 37 (Familie<br />
als Verantwortungsgemeinschaft); Seiler, Verfassungs- und systemgerechte<br />
Besteuerung von Ehe und Familie, in: Ehegattensplitting und<br />
Familienpolitik, 2007, S. 7, 25; Seiler, Grundzüge eines öffentlichen<br />
Familienrechts, 2008, S. 15 f.; Seiler, FR 2010, 113, 117; Merkt, DStR<br />
2009, 2221, 2224.<br />
43 Die Familienmitglieder schulden sich als familiäre Verantwortungsgemeinschaft<br />
untereinander altersunabhängig gegenseitig Beistand<br />
und Rücksicht bzw. Unterhalt (§§ 1618a, 1601 ff., 1589 BGB). Zudem<br />
üben die Eltern das Sorgerecht über ihre minderjährigen Kinder aus<br />
(§§ 1626 ff. BGB) und bestimmen so über die Geschicke der Familie<br />
(familiäre Verantwortungswahrnehmung).<br />
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