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JM 4 APRIL<br />

2016<br />

fen. 30 Solcherlei Ansprüche können einzig von Mitbewerbern<br />

oder direkten Abnehmern eines Kartells geltend gemacht<br />

werden. Das vornehmlich für Verbraucher relevante<br />

Instrument der Follow-On-Klage gem. § 33 Abs. 3, 4 GWB,<br />

das sich besonders zur Verfolgung sog. Hardcore-Kartelle<br />

eignet, ist nach Aussage des Bundeskartellamtes in seiner<br />

Bedeutung jedoch im Vordringen begriffen. 31 Der geringe<br />

Anteil von Konsekutivklagen ist besonders bedauerlich, da<br />

die judikatorische Fortentwicklung des deutschen Kartelldeliktsrechts<br />

im Hinblick auf die Theorie der Schadensweitergabe<br />

32 bereits de lege lata in Kohärenz zum Inhalt der<br />

unlängst verabschiedeten Richtlinie steht 33 und den Nachweis<br />

eines Schadens in der letzten Vertriebsstufe damit erheblich<br />

erleichtert.<br />

Gleichwohl beschränkt sich die privatklägerische Aktivität<br />

bis dato auf das Tätigwerden direkter Abnehmer. Bei<br />

diesen handelt es sich jedoch meist um Unternehmen, die<br />

aufgrund ökonomischer Interdependenzen ebenso wenig<br />

wie im US-amerikanischen Rechtsraum als sog. „Efficient<br />

Enforcer“ 34 anzusehen sind. Zudem ist der aus Gründen der<br />

Risikodiversifizierung unternommene Versuch der konzertierten<br />

Geltendmachung des den direkten Abnehmern entstandenen<br />

Schadens in Form des sog. Abtretungsmodells<br />

vorerst gescheitert. 35<br />

Die kollektive Geltendmachung einer Vielzahl von Individualforderungen<br />

indirekter Abnehmer scheitert bislang an<br />

unüberwindlichen juristisch-administrativen Hindernissen<br />

sowie der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des Gesetzes<br />

gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Der in § 34a GWB<br />

enthaltene Gewinnabschöpfungsanspruch dient nicht der<br />

Kompensation der infolge einer Schadensweitergabe de<br />

facto geschädigten Endverbraucher und bietet aufgrund<br />

der Erlösauskehr an den Bundeshaushalt keinerlei Klageanreiz<br />

der klagebefugten Verbraucherverbände. Zur Geltendmachung<br />

von Schadenersatzansprüchen im Rahmen des<br />

§ 33 GWB sind diese hingegen gar nicht erst berechtigt.<br />

Aus Sicht potenzieller Kartellanten ist hiernach sowohl im<br />

Fall der massenhaften Schädigung direkter Abnehmer als<br />

auch im Fall der Abwälzung sog. Kleinst- bzw. Streuschäden<br />

auf die in der letzten Marktstufe angesiedelten Endverbraucher<br />

eine Inanspruchnahme vor einem deutschen<br />

Gericht de lege lata praktisch nicht zu besorgen.<br />

II. Quo vadis deutsche Kartelldeliktsrechtsdurchsetzung?<br />

1. § 34a GWB de lege ferenda<br />

Um zu verhindern, dass die Gewinne infolge sog. Streuschäden,<br />

welche i.d.R. wegen der geringen Schadenshöhe<br />

nicht geltend gemacht werden, beim Schädiger oder<br />

dem Fiskus verbleiben und um zugleich dem Grundsatz<br />

„minima non curat praetor“ entgegenzuwirken, ist zunächst<br />

eine Umgestaltung des § 34a GWB erforderlich.<br />

Diese sollte sich an den Leitgedanken der Totalrestitution<br />

sowie der Schaffung eines spürbaren Klageanreizes der<br />

Verbraucherverbände orientieren, der über die Regelung<br />

des § 10 Abs. 4 Satz 2 UWG hinausgeht. Aus diesem Grunde<br />

ist eine Entschädigung der identifizierbaren, direkten<br />

Abnehmer durch eine Implementierung einer Auskehr der<br />

abgeschöpften Vorteile an den klagenden Verbraucherverband<br />

vorzusehen. Dieser ist nach Abzug der von dem<br />

Verbraucherverband zur Geltendmachung des Anspruchs<br />

erforderlichen Aufwendungen, von denen die für eine Prozesskostenfinanzierung<br />

zu erbringenden Zahlungen analog<br />

des Erlasses des Bundesministeriums der Justiz zu § 10<br />

Abs. 4 Satz 2 UWG 36 umfasst sind, sodann entsprechend<br />

der Regelung des § 32 Abs. 2 lit. a GWB zurückzuerstatten<br />

und mithin an die geschädigten direkten Abnehmer<br />

auszukehren. Ein solches Vorgehen entspricht weitestgehend<br />

dem Regelungsgedanken der französischen „Action<br />

de groupe simplifiée“. Der neu geschaffene Anspruch ist<br />

vor allem im Fall sog. zwingender Ausgaben, welche auf<br />

Energieversorgungs- oder Telekommunikationsverträgen<br />

basieren, zu einer Entschädigung der betroffenen Kunden<br />

geeignet. Eine entsprechende Rückerstattung wäre fortan<br />

dem Ermessen des Bundeskartellamtes entzogen.<br />

2. § 33 GWB de lege ferenda<br />

Zum Zwecke einer signifikanten Steigerung der Abschreckungswirkung<br />

der Kartellrechtsdurchsetzung insgesamt<br />

ist den Verbraucherverbänden de lege ferenda zudem<br />

das Recht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen<br />

gem. § 33 GWB zuzubilligen. Die konkrete<br />

Ausgestaltung sollte sich hierbei an den Regelungen zur<br />

„Action de groupe“ orientieren, die sich infolge der Einfachheit<br />

des dortigen Opt-In-Modells am ehesten dazu<br />

30 Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2009/2010, BT-Drs. 17/6640,<br />

S. 49.<br />

31 Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2009/2010, BT-Drs. 17/6640,<br />

S. 49; Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2013/2014, BT-Drs.<br />

18/5210, S. 34.<br />

32 Sog. Passing-On-Theory.<br />

33 BGH, Urt. v. 28.06.2011 - KZR 75/10 - „ORWI“.<br />

34 Mit diesem Terminus werden im US-amerikanischen Kartellrecht des<br />

Bundes solche Marktteilnehmer bezeichnet, die sich zur privatklägerischen<br />

Durchsetzung des Kartellrechts besonders eignen; ATI, Inc. v.<br />

Ruder & Finn, Inc., 1976-1 Trade Cases P 60778 (S.D. N.Y. 1976); Outboard<br />

Marine Corp. v. Pezetel, 474 F. Supp. 168, 180 (D.C. Del. 1979).<br />

35 LG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2013 - 37 O 200/09 (Kart) U; OLG Düsseldorf,<br />

Urt. v. 18.02.2015 - VI-U (Kart) 3/14.<br />

36 Erlass des Bundesministeriums der Justiz (Ref. III B5) vom 01.12.2006 -<br />

III B5 – 7034/13 – 31 367/2006.<br />

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