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TIROLERIN - Feb 2013

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leben |<br />

für die Behinderungen der Töchter nicht.<br />

„Die Ärzte fanden ihn nie heraus. Auch<br />

gab es während der Schwangerschaften<br />

keine Anzeichen, dass irgendetwas nicht<br />

stimmen könnte.“ Ebenso erfuhr Maria<br />

während der Schwangerschaften keine<br />

Gewalt.<br />

Obwohl den Eltern prognostiziert wurde,<br />

dass Elisabeth und Maria, die zwei Älteren,<br />

nie gehen werden können, schafften<br />

sie es trotzdem auf die Beine. „Elisabeth<br />

mit vier Jahren, Maria mit drei<br />

Jahren und Reinhilde konnte schon mit<br />

eineinhalb Jahren ihre ersten Schritte<br />

tun“, strahlt die Mutter. Spott musste die<br />

Familie nie ertragen. „Natürlich, die<br />

Mädchen wurden im Dorf, sobald wir in<br />

die Kirche gingen, oft angestarrt. Deshalb<br />

wollten sie irgendwann nicht mehr<br />

dorthin.“<br />

Als das Ehepaar mit der Tatsache konfrontiert<br />

wurde, dass auch die Jüngste,<br />

Reinhilde, behindert ist, war das kaum<br />

fassbar. „Dennoch liebten wir unsere<br />

Kinder so wie sie waren, schämten uns<br />

nicht für sie, versteckten sie nicht vor der<br />

Öffentlichkeit. Auch meine drei Brüder<br />

Sepp, Lois und Hans, die alle älter waren<br />

als ich, standen mir immer fest bei. Leider<br />

sind sie bereits alle verstorben.“<br />

„Natürlich fragte ich mich anfangs oft,<br />

warum gerade ich drei behinderte Töchter<br />

habe und kein einziges gesundes<br />

Kind. Heute ist das schon lange kein Thema<br />

mehr. Ich würde meine Kinder nicht<br />

gegen gesunde tauschen wollen. Sie sind<br />

mir so sehr ans Herz gewachsen.“ Die<br />

͵Mädchenʹ gingen einst alle als Siebenjährige<br />

in die Sonderschule Matrei, dann<br />

in die Lebenshilfe, wo sie bis heute unter<br />

der Woche sein können.<br />

„Uns allen gefällt<br />

es dort ganz<br />

wunderbar“, erzählt<br />

die Älteste, während<br />

die anderen Geschwister<br />

strahlend nicken.<br />

Maria muss allerdings<br />

oft um die Gesundheit<br />

von Reinhilde,<br />

Maria und<br />

Elisabeth bangen.<br />

Denn alle drei Töchter<br />

müssen drei Mal die Woche stundenlang<br />

zur Dialyse (gesamt: 12 bis 13,5 Std.<br />

pro Woche jede Tochter). „Reinhilde<br />

muss schon seit 18 Jahren an die Dialysemaschine,<br />

Elisabeth seit elf Jahren, Maria<br />

seit sieben Jahren. „Wir gehen aber gerne<br />

zur Dialyse, vertragen sie meist auch gut.<br />

Und alle dürfen wir im selben Zimmer<br />

sein“, so die Töchter begeistert.<br />

Ins Krankenhaus werden sie immer mit<br />

der Rettung gebracht. Seit die Töchter<br />

zur Dialyse gehen, müssen sie besonders<br />

aufs Essen, Trinken und ihr Gewicht achten.<br />

„Sie dürfen im Grunde nur wenig<br />

trinken und im Frühjahr und Herbst<br />

muss ich das frische Obst und die Kartoffeln<br />

über Nacht einweichen.“ Schokolade<br />

oder Schlagobers etwa sind völlig tabu.<br />

Wenn ein Mädchen im Krankenhaus Lienz<br />

bleiben muss, fährt Maria täglich im<br />

Bus die knapp 30 Kilometer dorthin.<br />

„Das Kind sucht mich ja. Allerdings wird<br />

das manchmal zur richtigen Hetzjagd,<br />

weil ich zur rechten Zeit wieder in Hopfgarten<br />

sein muss, wenn die anderen<br />

͵Mädchenʹ von der Lebenshilfe nach<br />

Hause kommen“, erzählt sie, die sich über<br />

einige Selbstständigkeit der Töchter freuen<br />

darf. „So können sich die Älteren beispielsweise<br />

selbst waschen und anziehen.<br />

Ich muss ihnen nur die Kleidung herrichten.<br />

Reinhilde schafft das allerdings nicht<br />

alleine.“ Alle drei helfen aber im Haushalt.<br />

So macht Elisabeth die Betten und<br />

staubsaugt, Maria wäscht das Geschirr<br />

ab, Reinhilde verräumt es. „Ich habe bewusst<br />

keinen Geschirrspüler, weil die<br />

͵Mädchenʹ diese Arbeit so gerne tun.“<br />

Sonntags geht Schaffhuber mit ihren<br />

Töchtern immer in ihrer Umgebung spazieren.<br />

Von zuhause in der Fraktion Plon<br />

bis zur Antoniuskapelle. „Das sind an die<br />

zwei Kilometer. Allerdings müssen wir<br />

für Reinhilde immer einen Rollstuhl<br />

mitnehmen, weil sie bald müde wird und<br />

nach rund eineinhalb Kilometern nicht<br />

mehr kann.“ Reinhilde wiegt lediglich 30<br />

Kilogramm. „Das ist ihr Wohlfühlgewicht,<br />

sagen die Ärzte.“ Auch wird oft ein<br />

Gesellschaftsspiel wie „Mensch Ärgere<br />

dich nicht“ oder „Memory“ daheim ausgepackt<br />

und gerne mal Musiksendungen<br />

und die Millionenshow im Fernsehen angeschaut.<br />

Und das Herz aller vier Damen<br />

gehört dem Sänger Hansi Hinterseer.<br />

Gerne hätten die „Mädchen“ auch ihren<br />

73-jährigen Papa, einen ehemaligen<br />

Schneider, dabei, den die Ehefrau lange<br />

pflegte. „Bis ich wegen völliger Überlastung<br />

kurz vor einem Zusammenbruch<br />

stand.“ Wenn man glaubt, dass sie ihren<br />

geliebten Kindern jeden Wunsch von den<br />

Augen abliest, irrt man. „Ich muss natürlich<br />

auch streng sein, sonst würden sie<br />

mir schnell auf dem Kopf herumtanzen.<br />

Besonders die Jüngste. Ansonsten sind<br />

die Kinder sehr<br />

brav“, ist die Mutter<br />

stolz. Aufrecht erhält<br />

sie der tiefe<br />

Glaube an Gott.<br />

„Trotz der großen<br />

Herausforderung<br />

bin ich wohl auch<br />

deshalb voller Lebensfreude“,<br />

versichert<br />

sie.<br />

Text und Fotos:<br />

Martina Holzer<br />

<strong>TIROLERIN</strong> <strong>Feb</strong>er <strong>2013</strong> | 99

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