2011-04_kl
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Weihnachten<br />
Weihnachten<br />
Woran denken wir, wenn die Zeit gekommen ist<br />
und wenn wir dieses Wort aussprechen, vielleicht<br />
an glüc<strong>kl</strong>iches Kinderlächeln, an einen<br />
geschmückten Tannenbaum, an weiße Kerzen, an Süßigkeiten,<br />
die in den Zweigen hingen<br />
und an denen wir uns nicht vor<br />
dem Heiligen Abend vergehen<br />
durften. An Lametta, das man<br />
heute wohl kaum noch kennt, an<br />
den Duft grüner Zweige und gebratener<br />
Äpfel, die in der Röhre<br />
des Kachelofens schmorten. Weit<br />
in die Vergangenheit schweifen<br />
unsere Gedanken und holen die<br />
Erinnerungen der Kindheitstage<br />
zurück, als sei das Weihnachtsfest<br />
nur eine Angelegenheit für Kinder.<br />
Die Zeit hat sich geändert.<br />
Selbst der Tannenbaum sieht heute<br />
anders aus. Nur rotbackige Äpfel, und wenn man näher<br />
kommt, stellt man fest, dass sie aus Plastik sind.<br />
Wenn die Geschenke nicht elektronisch<br />
gesteuert werden, genügen sie häufig<br />
nicht mehr den Ansprüchen.<br />
Und der eigentliche Gedanke, dass es da ein Kind gab,<br />
das uns den Frieden und die Liebe bringen sollte, tritt in den<br />
Hintergrund. Und wenn die Geschenke nicht elektronisch<br />
gesteuert werden, genügen sie nicht mehr den Ansprüchen.<br />
aber wohl nur für den, der sie sehen will.<br />
Foto: Wickipedia<br />
Die Zeit hat sich geändert und<br />
man braucht nicht darüber zu<br />
streiten, ob es damals besser war<br />
als heute, es ist alles nur anders.<br />
Aber damals wie heute hat<br />
auch die Weihnachtszeit manchmal<br />
eine dun<strong>kl</strong>e Seite, vor allem<br />
dann, wenn man, nicht wie heute,<br />
nicht in Frieden leben kann.<br />
Und Not und Elend und großes<br />
Leid bleiben auch dann, wenn<br />
es weihnachtet, und doch wird<br />
manchmal gerade in schlimmer<br />
Zeit die Hand Gottes sichtbar,<br />
Johannes Buhl<br />
Onkel Hermann<br />
von Lieselotte Wesely<br />
Wenn sich das Jahr neigt und stiller wird, schaut<br />
man gerne durch die Fenster der Erinnerung.<br />
Dabei taucht Onkel Hermann in meinem<br />
Gedächtnis auf. Er war ein Glücksfall für uns Kinder,<br />
obwohl er kein „richtiger“, kein verwandter Onkel war.<br />
Tante Ilse, die Schwester meiner Mutter, hatte ihn zu<br />
uns ins Haus gebracht und nannte ihn „mein Verehrer“.<br />
Onkel Hermann stellte jedenfalls unsere verwandten Onkel<br />
weit in den Schatten. Er war in einer Kunsthandlung<br />
tätig, wohin er gut passte, weil er selbst eine Art Künstler<br />
war. Er brachte uns Hummelbilder mit, und wir hatten<br />
bald eine Galerie davon und prahlten damit vor unseren<br />
Freunden.<br />
Noch besser gefiel es uns, dass Onkel Hermann auch<br />
malen konnte und uns ganze Geschichten aufs Papier zauberte.<br />
Farbstifte hatte er immer bei sich. War einer von uns<br />
verdrießlich oder traurig, malte ihm Onkel Hermann eine<br />
lustige Figur oder ein Fabelwesen auf die Hände, den Arm<br />
oder auf die Stirn. Die Kunstwerke wurden am Abend nur<br />
unter Protestgeschrei wieder abgewaschen.<br />
Manchmal führte uns Onkel Hermann in den Eispalast.<br />
Diese Leckerei bekamen wir gewöhnlich vom Eismann, der<br />
mit seinem Wagen laut schellend durch die Straßen fuhr.<br />
Dann gab es Eis in einer Waffeltüte für zehn Pfennige. Aber<br />
aus Silberbechern, die der Kellner an Marmortischchen<br />
brachte, wurde das Eisessen zu einem festlichen Akt.<br />
Dann, irgendwann, kam Tante Ilse alleine, ohne Onkel<br />
Hermann, zu uns. Sie hatten sich zerstritten, erfuhren wir.<br />
Und das Schlimmste: Tante Ilse machte keine Anstalten,<br />
diesen Zustand zu ändern.<br />
Später heiratete sie einen Uhrmacher. Der hatte nur wenige<br />
Haare, aber ein Uhren- und ein Lebensmittelgeschäft.<br />
Letzteres musste Tante Ilse besorgen und den großen Haushalt<br />
dazu. Sie <strong>kl</strong>agte oft über zu viel Arbeit. Sie tat uns aber<br />
nicht leid. Zwar verhalf uns ihr Uhrmacher zur ersten Armbanduhr<br />
unseres Lebens; für Onkel Hermann, den sie uns<br />
genommen hatte, hätten wir sie gerne hergegeben. Von den<br />
Wechselfällen irdischen Lebens, die uns Menschen manchmal<br />
arg mitspielen, wussten wir damals noch nichts. <br />
4/<strong>2011</strong> 25 Jahre durchblick 17