09.09.2016 Aufrufe

2011-04_kl

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Weihnachten<br />

Weihnachten<br />

Woran denken wir, wenn die Zeit gekommen ist<br />

und wenn wir dieses Wort aussprechen, vielleicht<br />

an glüc<strong>kl</strong>iches Kinderlächeln, an einen<br />

geschmückten Tannenbaum, an weiße Kerzen, an Süßigkeiten,<br />

die in den Zweigen hingen<br />

und an denen wir uns nicht vor<br />

dem Heiligen Abend vergehen<br />

durften. An Lametta, das man<br />

heute wohl kaum noch kennt, an<br />

den Duft grüner Zweige und gebratener<br />

Äpfel, die in der Röhre<br />

des Kachelofens schmorten. Weit<br />

in die Vergangenheit schweifen<br />

unsere Gedanken und holen die<br />

Erinnerungen der Kindheitstage<br />

zurück, als sei das Weihnachtsfest<br />

nur eine Angelegenheit für Kinder.<br />

Die Zeit hat sich geändert.<br />

Selbst der Tannenbaum sieht heute<br />

anders aus. Nur rotbackige Äpfel, und wenn man näher<br />

kommt, stellt man fest, dass sie aus Plastik sind.<br />

Wenn die Geschenke nicht elektronisch<br />

gesteuert werden, genügen sie häufig<br />

nicht mehr den Ansprüchen.<br />

Und der eigentliche Gedanke, dass es da ein Kind gab,<br />

das uns den Frieden und die Liebe bringen sollte, tritt in den<br />

Hintergrund. Und wenn die Geschenke nicht elektronisch<br />

gesteuert werden, genügen sie nicht mehr den Ansprüchen.<br />

aber wohl nur für den, der sie sehen will.<br />

Foto: Wickipedia<br />

Die Zeit hat sich geändert und<br />

man braucht nicht darüber zu<br />

streiten, ob es damals besser war<br />

als heute, es ist alles nur anders.<br />

Aber damals wie heute hat<br />

auch die Weihnachtszeit manchmal<br />

eine dun<strong>kl</strong>e Seite, vor allem<br />

dann, wenn man, nicht wie heute,<br />

nicht in Frieden leben kann.<br />

Und Not und Elend und großes<br />

Leid bleiben auch dann, wenn<br />

es weihnachtet, und doch wird<br />

manchmal gerade in schlimmer<br />

Zeit die Hand Gottes sichtbar,<br />

Johannes Buhl<br />

Onkel Hermann<br />

von Lieselotte Wesely<br />

Wenn sich das Jahr neigt und stiller wird, schaut<br />

man gerne durch die Fenster der Erinnerung.<br />

Dabei taucht Onkel Hermann in meinem<br />

Gedächtnis auf. Er war ein Glücksfall für uns Kinder,<br />

obwohl er kein „richtiger“, kein verwandter Onkel war.<br />

Tante Ilse, die Schwester meiner Mutter, hatte ihn zu<br />

uns ins Haus gebracht und nannte ihn „mein Verehrer“.<br />

Onkel Hermann stellte jedenfalls unsere verwandten Onkel<br />

weit in den Schatten. Er war in einer Kunsthandlung<br />

tätig, wohin er gut passte, weil er selbst eine Art Künstler<br />

war. Er brachte uns Hummelbilder mit, und wir hatten<br />

bald eine Galerie davon und prahlten damit vor unseren<br />

Freunden.<br />

Noch besser gefiel es uns, dass Onkel Hermann auch<br />

malen konnte und uns ganze Geschichten aufs Papier zauberte.<br />

Farbstifte hatte er immer bei sich. War einer von uns<br />

verdrießlich oder traurig, malte ihm Onkel Hermann eine<br />

lustige Figur oder ein Fabelwesen auf die Hände, den Arm<br />

oder auf die Stirn. Die Kunstwerke wurden am Abend nur<br />

unter Protestgeschrei wieder abgewaschen.<br />

Manchmal führte uns Onkel Hermann in den Eispalast.<br />

Diese Leckerei bekamen wir gewöhnlich vom Eismann, der<br />

mit seinem Wagen laut schellend durch die Straßen fuhr.<br />

Dann gab es Eis in einer Waffeltüte für zehn Pfennige. Aber<br />

aus Silberbechern, die der Kellner an Marmortischchen<br />

brachte, wurde das Eisessen zu einem festlichen Akt.<br />

Dann, irgendwann, kam Tante Ilse alleine, ohne Onkel<br />

Hermann, zu uns. Sie hatten sich zerstritten, erfuhren wir.<br />

Und das Schlimmste: Tante Ilse machte keine Anstalten,<br />

diesen Zustand zu ändern.<br />

Später heiratete sie einen Uhrmacher. Der hatte nur wenige<br />

Haare, aber ein Uhren- und ein Lebensmittelgeschäft.<br />

Letzteres musste Tante Ilse besorgen und den großen Haushalt<br />

dazu. Sie <strong>kl</strong>agte oft über zu viel Arbeit. Sie tat uns aber<br />

nicht leid. Zwar verhalf uns ihr Uhrmacher zur ersten Armbanduhr<br />

unseres Lebens; für Onkel Hermann, den sie uns<br />

genommen hatte, hätten wir sie gerne hergegeben. Von den<br />

Wechselfällen irdischen Lebens, die uns Menschen manchmal<br />

arg mitspielen, wussten wir damals noch nichts. <br />

4/<strong>2011</strong> 25 Jahre durchblick 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!