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2011-04_kl

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Essay<br />

weil sie einen anderen schnelleren Stoffwechsel haben und<br />

dadurch für die Chemotherapeutika oder in diesem Zusammenhang<br />

die Zytostatika besser abgreifbar werden. So ist es<br />

gelungen, chemische Substanzen zu entwickeln, die gezielt<br />

an ganz bestimmten Stellen des Stoffwechsels der Tumorzelle<br />

angreifen und andere gesunde Gewebezellen wegen ihres<br />

anderen Stoffwechsels zumindest nicht so stark schädigen<br />

und nicht zum Absterben bringen. Der Weg bis zu diesen<br />

Erkenntnissen war sehr lang und schwierig, es hat damals<br />

vielen Tieren in den <strong>kl</strong>inischen Versuchen das Leben genommen,<br />

und hat auch viele Kranke das Leben gekostet, weil der<br />

Umgang mit diesen neuen Substanzen noch nicht so erforscht<br />

war. Bis eine derartige Substanz, ein Chemotherapeutikum<br />

oder Zytostatikum, auf den Markt<br />

Die Pharmaindustrie<br />

ist nicht unbedingt der<br />

Freund der Patienten<br />

kommt, ist ein langer Weg zurückgelegt<br />

worden, auf dem verschiedene<br />

Ethikkommissionen,<br />

der Bundes, der Länder, der verschiedenen<br />

Ärztekammern und<br />

der Fachschaften der Ärzte aktiv<br />

tätig gewesen sind. Zum Schutze<br />

der Patienten wurden von diesen Ethikkommissionen strenge<br />

Regeln aufgestellt, die die Indikationen exakt regulieren, die<br />

Einfluss haben auf die Dosierung, die Dauer der Behandlung<br />

und die Einschränkungen, z.B. welche Patientengruppen von<br />

der Behandlung ausgeschlossen werden müssen.<br />

So werden strenge Behandlungsschemata erarbeitet und<br />

eng gefasste Richtlinien herausgegeben und deren Einhalten<br />

kontrolliert. Die Pharmaindustrie ist nicht unbedingt der<br />

Freund der Patienten, sie ist in erster Linie gewinnorientiert,<br />

handelt aber natürlich verantwortungsbewusst. Die Kommissionen<br />

greifen hier etwas bremsend ein, sind unabhängig<br />

und unbestechlich als Wächter von Ethik und Moral.<br />

Auch nachdem alle Versuche im Reagenzglas und mit den<br />

Tieren nach Ansicht der Pharmaforscher erfolgreich abgeschlossen<br />

sind und die Substanz am Kranken ausprobiert<br />

werden soll, spielen Ethik kommissionen eine wichtig Rolle,<br />

sie haben strenge Regeln aufgestellt über deren Einhalten<br />

sie auch gewissenhaft wachen. Aber selbst dann, wenn alle<br />

diese Hürden genommen sind und das Medikament offiziell<br />

zugelassen wird und auf den Markt kommt, setzt sich das<br />

„Großexperiment“ in Gang, die Substanz wird schlagartig<br />

tausendfach verordnet, und hier können sich dann noch<br />

solche Nebenwirkungen zeigen, die die Weiterverordnung<br />

nicht vertretbar machen, sodass das Medikament sofort vom<br />

Markt genommen werden muss.<br />

Um es noch einmal zu sagen: bei der Krebstherapie gibt<br />

es prinzipiell drei Optionen: die Operation, die Bestrahlung<br />

und die Chemotherapie. Im individuellen Fall können auch<br />

alle drei Möglichkeiten miteinander kombiniert werden.<br />

Das ist abhängig von dem Charakter des Tumors (schnelles<br />

Wachstum, frühzeitige Streuung) und der Erfahrung des<br />

Therapeuten und seinem Verantwortungsbewusstsein. Weitere<br />

Kriterien bezüglich der Therapieentscheidung sind das<br />

Alter des Kranken – Kind oder alter Mensch – und der Allgemeinzustand<br />

des Patienten – Operabilität. Ein bestimmtes<br />

Chemotherapeutikum wirkt zwar immer gleich, aber der<br />

Stoffwechsel bei einem jungen oder alten Menschen ist anders,<br />

der Abbau, die Ausscheidung oder die Speicherung des<br />

Medikaments, auch kann man bestimmte Nebenwirkungen<br />

bei einem Kind nicht ohne weiteres akzeptieren. Chemotherapie<br />

ist immer toxisch, der Einsatz ist immer riskant und<br />

kann unvorhersehbar tödlich sein. Hier kommt es sehr auf<br />

den Therapeuten und sein Team an, Erfahrung und ethisches<br />

Handeln sind gefragt.<br />

Im Zeitalter der Hochtechnologie ist das Vertrauen der<br />

Menschen in die integere Berufsausübung des Arztes ein hohes<br />

Gut. Die Fortschritte der Technik und der Medizin werfen<br />

Fragen auf, die die traditionelle<br />

Kosten/Schadensabwägung<br />

schwer bis unmöglich<br />

machen, und sie erfordern<br />

Antworten, die nur im Team<br />

gefunden werden können, und<br />

in dieses Team gehören auch<br />

Soziologen, Theologen und<br />

z.B. auch Juristen. Die Entscheidungen, die hier getroffen<br />

werden müssen, sind nicht immer medizinisch-technischer<br />

Art, sie gehen heran an das Leben selbst, an die Moral, die<br />

Ethik, die Vernunft und an die Politik. Chemotherapie hat<br />

vielen Menschen entscheidend geholfen, hat sie gesund, ihr<br />

Leben wieder erträglich gemacht, ihr Leben verlängert, aber<br />

auch schon mal entscheidend verkürzt.<br />

Ethik und Demenz<br />

Der Arzt, der seinem Patienten mitteilt, er habe eine Demenz,<br />

lädt sich eine große Verantwortung auf, weil er mit<br />

dieser Diagnose das Leben seines Patienten grundlegend<br />

verändert und in eine Richtung lenkt, die sich als Einbahnstraße<br />

erweist.Wenn er als Hausarzt den Menschen kennt,<br />

der ihm gerade gegenüber sitzt, ist es um so schwerer als<br />

wenn er als Facharzt durch verschiedene Tests die Richtigkeit<br />

seiner Diagnose beweist und damit einfach einen Auftrag<br />

erfüllt zu haben glaubt. Also kommt auf den Hausarzt<br />

die schwere Aufgabe zu, seinen Patienten auf dem weiteren<br />

Weg zu begleiten.<br />

Man weiß inzwischen, es gibt verschiedene Formen von<br />

Demenz, die nicht immer unbedingt etwas mit dem Alter zu<br />

tun haben müssen, die auch ganz unterschiedlich zu behandeln<br />

sind und auch gewiss eine unterschiedliche Prognose haben.<br />

Die Demenz vom Alzheimer-Typ ist eine Krankheit des Alters<br />

und je älter ein Mensch wird, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass er an dieser Alzheimer-Demenz erkrankt. Diese<br />

Wahrscheinlichkeit ist im Alter von 100 Jahren 100%. Also:<br />

alt zu werden ist nicht immer ein Segen, es ist nicht festgelegt,<br />

bis zu welchem Alter das Alter ein geseg netes ist.<br />

Nachdem die Diagnose jetzt sicher ist, beginnt die gewaltige<br />

ethische Herausforderung: für den Betroffenen, wie<br />

er das neue Wissen um seine Zukunft mit zunehmender<br />

60 25 Jahre durchblick 4/<strong>2011</strong>

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