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2011-04_kl

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Essay<br />

sind die fachliche und menschliche Erfahrung, die Logik,<br />

die Empathie und vor allem der mündlich geäußerte oder<br />

schriftlich niedergelegte Wille des Kranken, der letztlich<br />

ausschlaggebend ist. Dann wird eben die medizinische Behandlung<br />

(außer der Schmerztherapie) eingestellt, dann hört<br />

die künstliche Ernährung auf, auf Wunsch wird natürlich die<br />

Flüssigkeitszufuhr fortgeführt. Jetzt wird die Pflege intensiviert.<br />

Es gilt nicht, eine Verlängerung des Lebens um jeden<br />

Preis zu erreichen, es gilt, die Lebensqualität, gleichermaßen<br />

auch für die Angehörigen, zu erlangen. Es geht nicht darum,<br />

dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben zu<br />

geben. Die Wünsche, Ziele und das Befinden stehen im Vordergrund,<br />

die Kernbedürfnisse des kranken und sterbenden<br />

Menschen nicht allein gelassen zu werden, sondern an einem<br />

vertrauten Ort zu sein inmitten vertrauter Menschen, nicht<br />

unter starken Schmerzen leiden zu müssen und nicht nur in<br />

Frieden sterben sondern bis zuletzt leben zu können.<br />

Ein Sterben in Würde, z.B. im Hospiz oder auf der Palliativstation,<br />

ist an verschiedene unerlässliche Voraussetzungen<br />

gebunden wie etwa die Beziehung zu den das Sterben<br />

begleitenden Menschen, den Ärzten, den Schwestern<br />

und Pflegern und nicht zuletzt zu den Angehörigen. Die vier<br />

grundle genden Eigenschaften authentischer menschlicher<br />

Beziehungen sind: die Autonomie, die Klarheit, die Glaubwürdigkeit<br />

und die Menschlichkeit. In diesem Zusammenhang<br />

heißt Menschlichkeit: jeder Einzelne ist einmalig, in<br />

seiner persönlichen Lebensgeschichte verschieden, sodass<br />

auch jeder Mensch seinen individuellen Weg aus dem Leben<br />

ins Sterben hat, und jeder hat dementsprechend auch seine<br />

eigene Würde. Mit Würde sterben bedeutet zum einen, ohne<br />

übertriebene Geschäftigkeit und Mühe zu sterben, Sterben<br />

in Würde heißt, sterben ohne quälende Schmerzen, Sterben<br />

in Würde heißt, sterben in einer Umgebung, die auch des<br />

Sterbens würdig ist, Sterben in Würde bedeutet, kranke und<br />

sterbende Menschen begegnen ihren Ärzten und Krankenschwestern<br />

einfach und vollständig als Menschen. Hier ist<br />

das persönliche Mitgefühl die richtige Voraussetzung für<br />

den Palliativ-Mediziner in der Auseinandersetzung mit dem<br />

Tode. Sterben in Würde heißt auch, mit offenen Augen zu<br />

sterben, das Sterben zu akzeptieren, jetzt und so, wie es ist.<br />

Sterben in Würde heißt letztlich auch mit einem offenem und<br />

unvoreingenommenem Geist hinüberzugehen.<br />

Auch der junge Mensch, der eigentlich das ganze Leben<br />

mit seinen Freuden, Erfolgen und Misserfolgen noch vor sich<br />

haben sollte, hat das Recht und den Anspruch, in Würde zu<br />

sterben, auch wenn es für die Umgebung nicht so einfach<br />

einsichtig ist. Der demente Mensch, der seine Umwelt nicht<br />

mehr versteht, der sicher auch seine Verdienste im Leben hinter<br />

sich hat, jetzt aber in einer ihm völlig fremden Welt lebt,<br />

hat das Recht auf ein würdevolles Sterben. Gerade wie diese<br />

Würde auf die sie begleitenden und betreuenden Menschen<br />

ausstrahlt, ist ein Erleben, das diese nie vergessen werden,<br />

das sie formt und immer begleitet.<br />

In diesem Moment soll alle Technik ausgeschaltet sein,<br />

hier muss man erkennen, dass das biologi sche Leben kein<br />

absoluter erstrebenswerter Wert am Ende ist, hier soll der<br />

Schmerz ausreichend medikamentös beherrscht werden ohne<br />

das Bewusstsein zu trüben, allerdings mit dem Wissen<br />

aller Beteiligten, auch der Angehörigen, dass eine hochdosierte<br />

Schmerztherapie gering lebensverkür zend wirken<br />

kann, ohne dass man hier von einer aktiven Sterbehilfe sprechen<br />

kann. Dieses Vorgehen ist eindeutig juristisch abge<strong>kl</strong>ärt<br />

und ethisch gerechtfertigt. Auch in dieser Situation behält<br />

der Sterbende auf seinem Weg seine Würde, es bleibt der<br />

aufrichtige menschliche Kontakt, die beson dere Kommunikation<br />

mit dem Menschen in seiner Einzigartigkeit. Auch der<br />

Alkoholiker, der zuletzt nur noch auf der Straße gelebt hatte.<br />

Warum hat er das wohl? In diesem Moment sind alle Menschen<br />

gleich, das Rollenspiel hat endgültig aufgehört. Alle<br />

Masken und Einstellungen sind abgefallen, es zählt nur noch<br />

der persönliche Kontakt von einem Menschen zum anderen.<br />

Ethik und Chemotherapie<br />

Es fällt schwer, die Worte Chemotherapie und Ethik im<br />

selben Atemzug zu nennen, aber gerade die Chemotherapie<br />

hat in der modernen Medizin eine besondere Wertigkeit<br />

erhalten und wird als Monotherapie eingesetzt, wenn die<br />

anderen Behandlungsmöglichkeiten nicht mehr indiziert<br />

sind wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Tumorkrankheit,<br />

oder sie wird in Kombination mit den anderen bisherigen<br />

Therapieoptionen, der Bestrahlung und der Operation,<br />

parallel oder sequentiell eingesetzt. Chemotherapie heißt, es<br />

wird eine Substanz eingesetzt, die in den Stoffwechsel anderer<br />

Zellen eingreift und diese Zellen an der Vermehrung,<br />

der Teilung hindert. Und das ist das ethische Problem, weil<br />

diese Substanzen nicht generell zwischen Gut und Böse unterscheiden<br />

können, man weiß nur, dass diese Substanzen<br />

tendenziell die bösartigen Zellen intensiver angreifen, <br />

VdK Soziale Sicherheit in einer<br />

großen Gemeinscha<br />

Kreisverband<br />

Siegen-Olpe-Wigenstein<br />

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Fax: 02 71 / 30 38 29-18<br />

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4/<strong>2011</strong> 25 Jahre durchblick 59

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