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2011-04_kl

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Eine Reise<br />

mit Hindernissen.<br />

Foto: Hubertus Freundt<br />

Ein Ehepaar aus meiner Nachbarschaft hier in Freudenberg<br />

war zur Hochzeit des Sohnes nach Borkum<br />

eingeladen. Da die Eltern nicht mehr so ganz jung<br />

sind, beschloss die Familie, Mutter und Vater an den Zug<br />

nach Köln zu bringen, damit sie ganz entspannt und ohne<br />

Aufregung der Feier entgegensehen konnten.<br />

Die Tochter hatte den Auftrag, sich um die entsprechenden<br />

Reiseunterlagen wie Fahrkarten, Abfahrzeiten und<br />

die Umsteigverbindungen zu kümmern. Die Reise sollte<br />

von Köln über Münster, Emden und von dort mit der Fähre<br />

nach Borkum gehen. Schon sehr früh packte die Tochter ihre<br />

Eltern mit dem Reisegepäck in ihr Auto und fuhr über die<br />

Autobahn zum Hauptbahnhof nach Köln los – man wollte<br />

vor der Abfahrt noch gemütlich zusammen frühstücken.<br />

Doch daraus wurde leider nichts, denn schon bald wartete<br />

ein ziemlicher Stau auf der Autobahn auf die Reisenden – das<br />

gemeinsame Frühstück wurde gestrichen. Leider erreichten<br />

sie den Hauptbahnhof Köln einige Minuten zu spät, der Zug<br />

hatte nicht gewartet – dieses Mal war der Zug pünktlich und<br />

die Fahrgäste zu spät, eben mal anders.<br />

Die Aufregung war groß! Was nun! Geschlossen gingen<br />

Eltern und Tochter zum Reisezentrum und berichteten von<br />

ihrem Pech. Ein freundlicher Bahnbeamter meinte: „Kein<br />

Problem, wir werden eine Lösung finden“<br />

Wichtig war für die Senioren, einen durchgehenden Zug<br />

nach Emden zu bekommen. Es dauerte nicht lange und der<br />

Bahnbeamte hatte eine neue Bahnverbindung gefunden –<br />

es gab neue Fahrkarten mit Platzreservierungen und neue<br />

Reiseunterlagen. Zwanzig Minuten später saßen die älteren<br />

Herrschaften nun endlich in ihrem Zug Richtung Emden, leider<br />

ohne Frühstück, aber gut versorgt mit Proviant, den die<br />

Tochter noch schnell besorgt hatte. Entspannt genossen die<br />

Eheleute ihre erste gemeinsame Bahnfahrt. Sie fuhren durch<br />

das Ruhrgebiet, Münster, Osnabrück, Bremen und dann hielt<br />

der Zug in Hamburg. Da wurden sie nervös und meinten, das<br />

sei die falsche Richtung. Der herbeigerufene Schaffner bestätigte<br />

ihren Verdacht und sagte ganz ruhig: „Falls Sie nach<br />

Emden wollen, hätten Sie in Münster umsteigen müssen, das<br />

hier ist der falsche Zug!“ Wieder große Aufregung, doch der<br />

Schaffner behielt die Ruhe, nahm sie mit bis Itzehoe, stellte<br />

ihnen weitere Fahrscheine aus und setzte sie wieder in einen<br />

Zug zurück nach Hamburg. Dort angekommen, sollten<br />

sie an der vorderen Waggontür aussteigen und ein Beamter<br />

mit roter Mütze würde sie in Empfang nehmen, gab er den<br />

beiden Senioren mit auf den Weg. Zurück in Hamburg stand<br />

tatsächlich der Beamte mit roter Mütze an besagter Stelle<br />

und nahm die Herrschaften in Empfang. Und wieder gab es<br />

kein Problem. Der Beamte nahm das Gepäck der beiden Reisenden,<br />

führte sie durch eine Unterführung auf einen neuen<br />

Bahnsteig und schon bald saßen sie wieder in einem anderen<br />

Zug und der fuhr nun wir<strong>kl</strong>ich nach Emden. Das erste Ziel<br />

war bald erreicht, aber die Aufregungen gingen weiter, denn<br />

das letzte Schiff nach Borkum hatte bereits das Festland verlassen,<br />

denn auch Fähren zu den Inseln haben ihren Zeitplan,<br />

und der richtet sich nach den Gezeiten.<br />

Nun kam endlich das „Handy“ des Rentners zum Einsatz.<br />

Er rief seinen Sohn an und erzählte seine Erlebnisse. Der Sohn<br />

beruhigte die Eltern und bat sie dort zu bleiben, wo sie sind,<br />

er melde sich wieder. Nach einigen Minuten fuhr ein Taxi vor,<br />

lud die Herrschaften ein und brachte sie in das nächst gelegene<br />

Hotel. Der Sohn hatte zwischenzeitlich alles für sie organisiert.<br />

Sehr erschöpft und immer noch den aufregenden Tag vor Augen,<br />

versuchte das Ehepaar zu schlafen – sie waren ja noch<br />

nicht auf der Insel, und die Trauung war für den nächsten Tag<br />

um zehn Uhr angesagt. Pünktlich zur verabredeten Uhrzeit<br />

stand das Taxi am nächsten Morgen wieder vor dem Hotel und<br />

brachte die Senioren zum Schiffsanlegeplatz. Das Schiff musste<br />

sich natürlich wieder nach der Tide richten und erreichte<br />

die Insel Borkum um elf Uhr. Das Brautpaar hatte sich schon<br />

nach der Ankunftszeit des Schiffes erkundigt und die Trauung<br />

um eine Stunde verschieben lassen. Der Standesbeamte hatte<br />

natürlich großes Verständnis für die Notsituation und meinte<br />

sehr entspannt: „Kein Problem, dann verschieben wir die<br />

Trauung um eine Stunde.“<br />

Nur drei Stunden konnten die Eltern an der Hochzeitsfeier<br />

teilnehmen, dann traten sie schon wieder die Heimreise<br />

an. Doch dieses Mal kam das Schiff mit Verspätung auf dem<br />

Festland an – der Zug hatte gewartet. Die weitere Reise verlief<br />

dann ohne Zwischenfälle. Die Tochter nahm ihre Eltern<br />

in Köln erleichtert in Empfang.<br />

Auf meine persönliche Frage an die Senioren, ob das nun<br />

ihre erste und letzte Fahrt mit dem Zug gewesen sei, sagten<br />

beide übereinstimmend: „Ganz im Gegenteil, wir haben so<br />

viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit auf der Reise erfahren,<br />

dass wir jederzeit wieder die Bahn benutzen werden.“<br />

Helga Siebel-Achenbach<br />

4/<strong>2011</strong> 25 Jahre durchblick 27

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