Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland
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Berl<strong>in</strong>er Abgeordnetenhauses beharrte der Senat darauf, dass se<strong>in</strong>e Förderentscheidung<br />
richtig gewesen sei, und lehnte jegliche kritische Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit dem durch die Theatergruppe transportierten <strong>Antisemitismus</strong> ab. 47 Dabei hatte<br />
sogar die Abteilung Verfassungsschutz der Senatsverwaltung für Inneres, welche<br />
ihrer eigenen Arbeit e<strong>in</strong>e – im Übrigen durchaus fragwürdige – konzeptionelle<br />
Trennung zwischen Antizionismus und <strong>Antisemitismus</strong> zugrunde legt, 48 bereits<br />
zuvor die Verwendung antisemitischer Stereotype <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er »L<strong>in</strong>ksruck«-Publikation<br />
attestiert, 49 deren Verfasser Shah ist. 50<br />
Die verspäteten gesellschaftlichen Sanktionierungen oder ihr vollständiges<br />
Ausbleiben s<strong>in</strong>d ohne e<strong>in</strong>en Blick auf den diskursiv-medialen Rahmen und die<br />
E<strong>in</strong>stellungsebene nicht zu verstehen. So haben verschiedene Studien zur jüngeren<br />
Berichterstattung über den Nahostkonflikt <strong>in</strong> den bedeutendsten überregionalen<br />
bundesdeutschen Pr<strong>in</strong>tmedien gezeigt, dass von diesen immer wieder antisemitische<br />
Bilder evoziert werden. 51<br />
E<strong>in</strong>e Sekundäranalyse von Umfragedaten aus den letzten Jahren verdeutlicht,<br />
dass vor allem sekundärantisemitische E<strong>in</strong>stellungen <strong>in</strong> der bundesdeutschen Bevölkerung<br />
weit verbreitet, mitunter sogar mehrheitsfähig s<strong>in</strong>d. Während e<strong>in</strong> marg<strong>in</strong>aler<br />
Rückgang e<strong>in</strong>iger primärantisemitischer Stereotype zu verzeichnen ist und<br />
klassische Manifestationen e<strong>in</strong>es sekundären er<strong>in</strong>nerungsabwehrenden <strong>Antisemitismus</strong><br />
e<strong>in</strong>e relative Konstanz auf hohem Niveau offenbaren, haben vor allem<br />
israelbezogene Formen e<strong>in</strong>es politischen <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> jüngerer Zeit zugenommen.<br />
52<br />
Aus der weit verbreiteten bundesdeutschen »Schlussstrichmentalität« 53 folgt<br />
ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Trend zur Leugnung nationalsozialistischer Verbre-<br />
47 Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz auf die Kle<strong>in</strong>e Anfrage des Abgeordneten<br />
Alexander Ritzmann (FDP) <strong>vom</strong> 9. Mai 2006, Drucksache 15/13496, 8. Juni 2006; Antwort der Senatsverwaltung<br />
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz auf die Kle<strong>in</strong>e Anfrage des Abgeordneten Alexander<br />
Ritzmann (FDP) <strong>vom</strong> 27. Juni 2006, Drucksache 15/13607, 7. August 2006.<br />
48 Senatsverwaltung für Inneres – Abteilung Verfassungsschutz: <strong>Antisemitismus</strong> im extremistischen Spektrum Berl<strong>in</strong>s,<br />
Berl<strong>in</strong>, 2004, S. 7 f.<br />
49 Ebenda, S. 34 f.<br />
50 Ahmed Shah: Israel: Bollwerk gegen <strong>Antisemitismus</strong>?, <strong>in</strong>: L<strong>in</strong>ksruck Nr. 100, 13. 12. 2000.<br />
51 Rolf Behrens: »Raketen gegen Ste<strong>in</strong>ewerfer«. Das Bild Israels im »Spiegel«. E<strong>in</strong>e Inhaltsanalyse der Berichterstattung<br />
über Intifada 1987-1992 und »Al-Aqsa-Intifada 2000-2002, Münster 2003; Ulrike Becker: »Klimawechsel.<br />
Der Diskurs über Israel <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> am Beispiel des Sechstagekrieges 1967 und der zweiten Intifada<br />
2000/2002 (unveröffentlichte Magisterarbeit, Universität Hamburg, 2004); Siegfried Jäger, Margarete Jäger:<br />
Medienbild Israel. Zwischen Solidarität und <strong>Antisemitismus</strong>, Münster 2003.<br />
52 Vgl. Yves Pallade: Medialer Sekundärantisemitismus, öffentliche Me<strong>in</strong>ung und das Versagen gesellschaftlicher<br />
Eliten als bundesdeutscher Normalfall, <strong>in</strong>: Klaus Faber, Julius H. Schoeps, Sacha Stawski: Neu-alter Judenhass.<br />
<strong>Antisemitismus</strong>, arabisch-israelischer Konflikt und europäische Politik, Berl<strong>in</strong> 2006.<br />
53 Vgl. Anti-Defamation League: Attitudes Toward Jews <strong>in</strong> Twelve European Countries, May 2005; Anti-Defamation<br />
League: Attitudes Toward Jews, Israel and the Palest<strong>in</strong>ian-Israeli Conflict <strong>in</strong> Ten European Countries, April<br />
2004; Umfrage des Forsa-Instituts für den stern, zu f<strong>in</strong>den auf Mut Gegen Rechte Gewalt, 28. 6. 2006, Jeder<br />
5. Deutsche denkt antisemitisch. Umfrage zu <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>in</strong>: http://mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=5&kat=79&artikelid=804<br />
; Aribert Heyder, Julia Iser & Peter Schmidt: Israelkritik oder<br />
<strong>Antisemitismus</strong>? Me<strong>in</strong>ungsbildung zwischen Öffentlichkeit, Medien und Tabus, <strong>in</strong>: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.):<br />
Deutsche <strong>Zustände</strong>. Folge 3, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2005, S. 151.<br />
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