Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland
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schnitten, die ›jüdischen Schädl<strong>in</strong>ge‹ und ›Krankheiterreger‹ wie parasitäres Ungeziefer<br />
vergast werden.« 14<br />
Nicht Franz Müntefer<strong>in</strong>g, sondern der IG Metall gebührt das »Verdienst«, die<br />
Ungeziefer-Metapher im politischen Sprachgebrauch »l<strong>in</strong>ks« salonfähig gemacht<br />
zu haben. Die Arbeitsgruppe »Rechtsextremismus« von ver.di Berl<strong>in</strong>-Brandenburg<br />
hat dies öffentlich gemacht. 15 Dort wird der Aufmacher der IG-Metall-Zeitung <strong>vom</strong><br />
März 2005 kritisiert, der zu heftigen Kontroversen geführt hat. Auf dem Titelblatt<br />
wird der Text »US-Firmen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Die Aussauger« mit e<strong>in</strong>er Zeichnung<br />
komb<strong>in</strong>iert, die e<strong>in</strong> gr<strong>in</strong>sendes Insekt mit überlangem Saugrüssel zeigt, das <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en<br />
Hand e<strong>in</strong>en mit USA-Flagge gekennzeichneten Zyl<strong>in</strong>der schwenkt, <strong>in</strong> der anderen<br />
wohl e<strong>in</strong>en Geldkoffer bei sich trägt. Die Herausgeber der Broschüre schrieben<br />
<strong>in</strong> ihrer Bildunterschrift zu diesem Titelbild: »Von den Heuschrecken zu den Blutsaugern<br />
– die Grenze zum <strong>Antisemitismus</strong> überschritten?« Genau dies wurde und<br />
wird kontrovers diskutiert – und nicht nur unter Gewerkschaftern.<br />
Was das alles mit <strong>Antisemitismus</strong> zu tun hat?<br />
Zum<strong>in</strong>dest zu denken sollte es geben, wenn rechtsextremistische Ideologen (hier<br />
Ernest Keegan) unter der Überschrift »Heuschreckenpolitik ist Völkermord«<br />
lange Zitate zum Beleg anführen, wo die Hauptverursacher wirtschaftspolitischer<br />
Probleme <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> zu f<strong>in</strong>den seien: <strong>in</strong> Amerika, bei den »Heuschrecken«.<br />
Reichlich zitiert der Autor aus Heft 51 des »Spiegels« <strong>vom</strong> vorigen Jahr, das e<strong>in</strong><br />
aufschlussreiches Titelblatt »zierte«. Dort wurde e<strong>in</strong>e Heuschrecke mit dem Text<br />
komb<strong>in</strong>iert: »Die Gier des großen Geldes. F<strong>in</strong>anz-Investoren greifen nach deutschen<br />
Unternehmen.« 16<br />
Noch Fragen?<br />
E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Tagespresse genügt, um nicht übersensibel zu reagieren. Auch<br />
<strong>in</strong> Debatten unter »L<strong>in</strong>ken« wurde mir genau dieses Argument der Normalität entgegengehalten.<br />
Dennoch: Ich habe e<strong>in</strong> ungutes Gefühl bei solchen Tiervergleichen.<br />
E<strong>in</strong> gewisser Bodensatz von <strong>Antisemitismus</strong> ist wohl im politischen Alltag<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> verbreitet – zum<strong>in</strong>dest wird er nicht zielgerichtet bekämpft.<br />
Aktuelle antisemitische Äußerungen von Rechtsextremisten <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
spiegeln alle grundsätzlichen Facetten ihrer tatsächlichen theoretischen Bekundungen<br />
wie praktischen Politik. Antisemitische Äußerungen rechtsextremistischer<br />
Abgeordneter <strong>in</strong> den Parlamenten, oft <strong>in</strong> Nebensätzen verpackt, kommen immer<br />
wieder vor. Die <strong>in</strong> erschreckendem Maße zunehmende Gewalt von Rechtsextre-<br />
14 Vgl. Nicol<strong>in</strong>e Hortzitz: Die Sprache der Judenfe<strong>in</strong>dschaft, <strong>in</strong>: Julius H. Schoeps, Joachim Schlör (Hrsg.): Bilder<br />
der Judenfe<strong>in</strong>dschaft. <strong>Antisemitismus</strong> Vorurteile und Mythen, Augsburg 1999, S. 25-26.<br />
15 Vgl. die <strong>in</strong> mehreren Auflagen erschienene Broschüre: Rechte Gespenster?, herausgegeben von der Arbeitsgruppe<br />
»Rechtsextremismus« <strong>in</strong> ver.di Berl<strong>in</strong>-Brandenburg, Berl<strong>in</strong> 2005 ff., hier S. 26-27.<br />
16 Vgl. www.freienationalisten-altmarkwest.com.<br />
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