Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland
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Globalisierter <strong>Antisemitismus</strong><br />
Der <strong>Antisemitismus</strong> existiert zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und<br />
Europa nicht nur weiter, er hat sich globalisiert. Der spezifisch deutsche und europäische<br />
<strong>Antisemitismus</strong> trifft heute auf e<strong>in</strong>en neuen islamistischen <strong>Antisemitismus</strong>.<br />
10 Dieser islamistische <strong>Antisemitismus</strong> speist sich aus den judenfe<strong>in</strong>dlichen<br />
Aussagen der Antike und des Korans, die <strong>in</strong> den 1920er und 1930er Jahren von<br />
den Muslimbrüdern Hassan al-Banna und Sayyid Qutb aufgegriffen wurden, sowie<br />
aus Versatzstücken des deutsch-europäischen <strong>Antisemitismus</strong> und Rassismus.<br />
Der islamistische <strong>Antisemitismus</strong> ist also wesentlich älter als der Staat Israel und<br />
ke<strong>in</strong>eswegs bloße Reaktion auf die israelische Politik <strong>in</strong> den paläst<strong>in</strong>ensischen<br />
Autonomiegebieten, sondern gründet auf e<strong>in</strong>er festgefügten antisemitischen Weltanschauung.<br />
Der islamistische <strong>Antisemitismus</strong>, der elementarer Bestandteil der islamistisch-totalitären<br />
Bewegung ist, hat das Ziel, möglichst viele Juden zu ermorden<br />
und »judenfreie Gottesstaaten« zu errichten. 11<br />
Neben den Terroranschlägen von Al-Qaida fand der islamistische <strong>Antisemitismus</strong><br />
se<strong>in</strong>en deutlichsten Ausdruck <strong>in</strong> der Rede des ehemaligen Premierm<strong>in</strong>isters<br />
von Malaysia, Mahathir Mohammad, vor dem Kongress Islamischer Länder<br />
(OIC), der 1,3 Milliarden Menschen zu vertreten vorgibt. Diese Ansprache war<br />
die erste Rede e<strong>in</strong>es Staatsmannes seit Adolf Hitler, <strong>in</strong> der nicht nur der Zionismus,<br />
sondern die Juden e<strong>in</strong>er Weltverschwörung verdächtigt wurden: »Sie (die<br />
Juden) erfanden Sozialismus, Kommunismus, Menschenrechte und Demokratie<br />
und haben sie erfolgreich gefördert, damit es falsch ersche<strong>in</strong>t, sie zu verfolgen,<br />
und damit sie die gleichen Rechte wie andere genießen. Dadurch haben sie nun<br />
die Kontrolle über die mächtigsten Staaten der Welt gewonnen.« 12 Die Hetzrede<br />
wurde von den OIC-Delegierten wohlwollend bis begeistert aufgenommen. Das<br />
bedeutet noch nicht, dass die islamischen Regierungschefs den <strong>Antisemitismus</strong><br />
zur Staatsdoktr<strong>in</strong> erheben werden, jedoch wollte sich auch niemand von Mahathir’s<br />
Bemerkungen distanzieren. Entsprechend mager fallen auch die Distanzierungen<br />
(nicht nur) der muslimischen Staaten von den Äußerungen des iranischen<br />
Präsidenten Mahmud Ahmad<strong>in</strong>edschad aus, der immer wieder fordert, dass Israel<br />
von der Landkarte verschw<strong>in</strong>den müsse, Israel das Existenzrecht abspricht und<br />
den Staat als »unrechtsmäßig« bezeichnet.<br />
10 Michael Kiefer wendet e<strong>in</strong>, dass die unterschiedlichen Ersche<strong>in</strong>ungsformen der Fe<strong>in</strong>dbilder zeigen, dass der <strong>Antisemitismus</strong><br />
<strong>in</strong> der arabisch-islamischen Welt – ebenso wie <strong>in</strong> Europa – die Gestalt e<strong>in</strong>es flexiblen Codes<br />
(Haury) angenommen hat, der <strong>in</strong> alle Ideologien oder Ideologiekonglomerate des weltanschaulichen Spektrums<br />
<strong>in</strong>tegriert werden kann. Daher spricht er von e<strong>in</strong>em »islamisierten« <strong>Antisemitismus</strong>, der <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en wichtigen<br />
Strukturmerkmalen identisch sei mit dem europäischen <strong>Antisemitismus</strong> bzw. folgerichtig nicht von e<strong>in</strong>em muslimischen<br />
oder islamischen <strong>Antisemitismus</strong> gesprochen werden könne. Vgl. Michael Kiefer: Islamischer oder islamisierter<br />
<strong>Antisemitismus</strong>, <strong>in</strong>: Wolfgang Benz, Juliane Wetzel (Hrsg.): <strong>Antisemitismus</strong> und radikaler Islamismus,<br />
a. a. O.<br />
11 Vgl. Micha Brumlik: Ich glaube an die Mittel der Aufklärung, a. a. O.<br />
12 Zit. nach taz, 17. 10. 2003.<br />
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