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Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland

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schen Kaiserreich wie auch <strong>in</strong> der Weimarer Republik die engagierte Verteidigung<br />

der Juden gegen die immer maßloser werdenden verbalen und physischen Aggressionen<br />

der Antisemiten nur Sache e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derheit. Neben der Sozialdemokratie<br />

fanden sich, wie schon erwähnt, kaum nennenswerte Kräfte <strong>in</strong> Gesellschaft und<br />

Politik, die hier e<strong>in</strong>deutig Farbe bekannt hätten. Dies konnte auch schwerlich erwartet<br />

werden, weil der <strong>Antisemitismus</strong> nicht zuletzt beim Bürgertum, <strong>in</strong> Sonderheit<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Bildungsbürgertums, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en politischen Organisationen und<br />

Medien, feste Wurzeln geschlagen hatte.<br />

Die Antisemiten konnten stark se<strong>in</strong>, weil die Gegenkräfte schwach waren.<br />

Hitler und die Se<strong>in</strong>en konnten davon profitieren, dass auch bei denen, die dem<br />

spezifischen Judenhass der Nazis skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, nur<br />

<strong>in</strong> Ausnahmefällen die Neigung vorhanden war, daraus die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er<br />

Verteidigung ihrer jüdischen Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürger abzuleiten. Hier<br />

spielten nicht nur e<strong>in</strong>e bei vielen vorhandene unspezifische Gleichgültigkeit gegenüber<br />

dem Schicksal von Mitmenschen, <strong>in</strong> diesem Falle der Juden, oder die<br />

Angst e<strong>in</strong>e Rolle, selbst das Opfer des Repressionsapparates der Nazis zu werden.<br />

Der <strong>Antisemitismus</strong> war bereits vor der Machtübernahme der deutschen Faschisten<br />

derart tief <strong>in</strong> die Poren der Gesellschaft e<strong>in</strong>gedrungen, dass gesellschaftliche<br />

Kontakte mit Juden immer häufiger auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß reduziert wurden und die<br />

immer häufiger angewandte soziale und ökonomische Diskrim<strong>in</strong>ierung im Alltag<br />

nicht mehr übersehen werden konnte – die Historiker<strong>in</strong> Cornelia Hecht nennt<br />

diese Sachverhalte »trockene Pogrome«. 96<br />

Man gewöhnte sich daran, Akte verbaler wie physischer Gewalt gegenüber Juden<br />

nach anderen moralischen Maßstäben zu beurteilen, als dies ansonsten der<br />

Fall zu se<strong>in</strong> pflegte.<br />

Alles dies begünstigte am Ende die Durchsetzung der faschistischen Politik gegenüber<br />

den Juden, die endlich <strong>in</strong> das unvergleichliche Verbrechen des Holocaust<br />

e<strong>in</strong>münden sollte. Aber es sei dies noch e<strong>in</strong>mal hervorgehoben: Es führte ke<strong>in</strong> geradl<strong>in</strong>iger<br />

Weg <strong>vom</strong> Berl<strong>in</strong>er <strong>Antisemitismus</strong>streit, von der judenfe<strong>in</strong>dlichen Propaganda<br />

und den antisemitischen Gewalttaten aus der Zeit des Kaiserreiches und<br />

der Weimarer Republik nach Auschwitz. »The Twisted Road To Auschwitz«, so<br />

der Titel e<strong>in</strong>es Standardwerkes zur Geschichte des Holocaust aus der Feder des<br />

Historikers Karl A. Schleußnes, 97 kannte bis zuletzt genügend Alternativen. Aber<br />

dies ist nun schon wieder e<strong>in</strong> anderes Thema.<br />

96 Vgl. zu diesem Themenkomplex, der hier nicht näher ausgeführt werden kann: Dirk Walter: Antisemitische Krim<strong>in</strong>alität<br />

und Gewalt. Judenfe<strong>in</strong>dschaft <strong>in</strong> der Weimarer Republik, Bonn 1999; Cornelia Hecht: Deutsche Juden<br />

und <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> der Weimarer Republik, Bonn 2003; Frank Bajohr: »Unser Hotel ist judenfrei«. Bäder-<br />

<strong>Antisemitismus</strong> im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2003; Michael Wildt: Volksgeme<strong>in</strong>schaft und Selbstermächtigung.<br />

Gewalt gegen Juden <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z 1910 bis 1939, Hamburg 2007.<br />

97 Vgl. Karl A. Schleunes: The Twisted Road To Auschwitz. Nazi Policy Toward German Jews, 1933-1939, Urbana<br />

u. a., 2 nd edition 1990.<br />

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