Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland
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g<strong>in</strong>g es aber wohl nicht um den Inhalt dieser »Politik«, sondern um ihre Form –<br />
von der man sich <strong>in</strong> bildungsbürgerlichem Dünkel distanzierte.<br />
Die »Rassere<strong>in</strong>heit«<br />
Die Rassere<strong>in</strong>heit ist immer oberstes Ziel des <strong>Antisemitismus</strong>. Sie verband auch<br />
den <strong>Antisemitismus</strong> von Bündischer Jugend und Nationalsozialisten. Bei den Nationalsozialisten<br />
g<strong>in</strong>g dies seit jeher mit der »Entfernung« der Juden aus <strong>Deutschland</strong><br />
e<strong>in</strong>her. Bei den Bünden war die Haltung zur Frage, wie Rassere<strong>in</strong>heit herzustellen<br />
sei, differenzierter und verband sich mit der Positionierung <strong>in</strong>nerhalb der<br />
»politischen Strömungen« 2 <strong>in</strong> der Bündischen Jugend.<br />
a) Die völkischen Bünde<br />
Bei den völkischen Bünden – Schilljugend, Geusen, Adler und Falken, der geme<strong>in</strong>same<br />
Bund Artam (gesamt ca. 1 800 Mitglieder) – deckten sich die Vorstellungen<br />
mit denen der Nationalsozialisten. Der arische, nordische oder germanische<br />
Mensch war e<strong>in</strong> sowohl ästhetisches als auch ethisches Ideal. Hier wie dort<br />
g<strong>in</strong>g es um »Höherzüchtung«, »Aufnordung« und ähnliches. Günther Ehrenthal,<br />
e<strong>in</strong> Freund der Bündischen Jugend, schrieb 1929 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em »Handbuch der deutschen<br />
Jugendbünde« (S. 49): »Die L<strong>in</strong>ie des Deutschbundes setzte die Gruppe<br />
Adler und Falken durch Beschäftigung mit Erb- und Rassekunde fort. Diese<br />
führte den Bund zur Forderung der ›Aufnordung‹ des deutschen Volkes mit dem<br />
Zielbild des ›Nordischen Lichtmenschen‹ […] Aus e<strong>in</strong>er ursprünglich ästhetisch<br />
weich e<strong>in</strong>gestellten Haltung wird e<strong>in</strong>e soldatisch gestraffte …«<br />
Vorstellungen, die es bereits <strong>in</strong> der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts<br />
gab (besonders <strong>in</strong> der bürgerlichen Freikörperkultur und Siedlungsbewegung),<br />
wurden radikalisiert – durchaus aber <strong>in</strong> Rückgriff auf völkische Denker<br />
aus diesen Bewegungen selbst.<br />
Walter Darré, später »Reichsnährstandführer« und Initiator des »Generalplan<br />
Ost«, entwickelte schon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zeit im Bund Artam Pläne, durch »Verdrängungskreuzungen«<br />
den re<strong>in</strong>en »nordischen Deutschen« wiederherzustellen, den<br />
er den »neuen deutschen Adel« nannte. Auch He<strong>in</strong>rich Himmler und Rudolf Höß<br />
erhielten <strong>in</strong> diesem Bund ihre erste politische Prägung. 3<br />
2 Diese Strömungen dürfen nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em statischen S<strong>in</strong>ne verstanden werden, denn e<strong>in</strong>e systematisierte politische<br />
Ideologie gab es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em strengen S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> der bündischen Jugend nur <strong>in</strong> Ausnahmen.<br />
3 Vgl. zuletzt hierzu: Stefan Brauckmann: Artamanen als völkisch-nationalistische Gruppierung <strong>in</strong>nerhalb der<br />
deutschen Jugendbewegung 1924–1935, <strong>in</strong>: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung. NF Band<br />
2/05. S. 176-196, Schwalbach 2006; als Standard zu den Artamanen weiterh<strong>in</strong>: Michael H. Kater: Die Artamannen<br />
– Völkische Jugend <strong>in</strong> der Weimarer Republik, <strong>in</strong>: HZ 213, 1971 (3), S. 577-638, München 1971<br />
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