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Neues vom Antisemitismus: Zustände in Deutschland

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Timo Re<strong>in</strong>frank<br />

Globalisierter <strong>Antisemitismus</strong> im 21. Jahrhundert.<br />

Zur Arbeit gegen den aktuellen <strong>Antisemitismus</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>*<br />

In der Nacht zum 2. Oktober 2000 wurde e<strong>in</strong> Brandanschlag auf die Düsseldorfer<br />

Synagoge verübt. Dieser Anschlag war auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers<br />

Gerhard Schröder der Startschuss für den »Aufstand der Anständigen« und<br />

zugleich der letzte Anstoß, das später gescheiterte NPD-Verbotsverfahren <strong>in</strong> Gang<br />

zu setzen. Symptomatisch war, dass von Anfang an die Medien und die Öffentlichkeit<br />

Neonazis im Verdacht hatten. Bei den Ermittlungen stellte sich später<br />

heraus, dass nicht Rechtsextreme, sondern zwei Jugendliche mit arabischem H<strong>in</strong>tergrund<br />

die Brandsätze geworfen hatten. Später sagten sie aus, dass sie durch die<br />

Nahostkonfliktberichterstattung im Fernsehen zum Brandanschlag motiviert worden<br />

seien. Dass die erste größere antisemitische Gewalttat <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> im<br />

Oktober 2000 verübt wurde, ist ke<strong>in</strong> Zufall. Mit dem Start der zweiten paläst<strong>in</strong>ensischen<br />

Intifada im September 200 wuchs der <strong>Antisemitismus</strong> muslimisch-arabischer<br />

E<strong>in</strong>wanderer <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. 1 Spätestens seit diesem Anschlag musste die<br />

Qualität des globalisierten <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> zur Kenntnis genommen<br />

werden. Doch das Gegenteil passierte.<br />

Das zentrale aktuelle Motiv des <strong>Antisemitismus</strong> der beiden Jugendlichen, die<br />

Fe<strong>in</strong>dschaft gegenüber Israel und der damit häufig verbundene antisemitische<br />

Vernichtungswunsch e<strong>in</strong>t den muslimisch-migrantischen <strong>Antisemitismus</strong> mit dem<br />

<strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> der deutschen Migranten- und Mehrheitsgesellschaft sowie des<br />

organisierten Rechtsextremismus bis weit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die traditionelle antiimperalistische<br />

L<strong>in</strong>ke. 2 Diese Verb<strong>in</strong>dung der Antisemitismen führt durch die stark aufgeladene<br />

Emotionalität der Israelfe<strong>in</strong>dschaft zur Enthemmung und e<strong>in</strong>er neuen Gewaltbereitschaft<br />

gegenüber allem als »jüdisch« Erkannten oder Zugeschriebenen,<br />

* Vgl. dazu auch ausführlicher: Tobias Ebbrecht, Timo Re<strong>in</strong>frank: <strong>Antisemitismus</strong> im 21. Jahrhundert. Über die<br />

neuen (alten) Formen des deutschen <strong>Antisemitismus</strong>, <strong>in</strong>: »Vor <strong>Antisemitismus</strong> ist man nur noch auf dem Mond<br />

sicher.« Antiamerikanismus und <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, Berl<strong>in</strong> 2004.<br />

1 Diesen Sachverhalt thematisiert erst sechs Jahre später Joachim Wagner: Hitler gefällt mir. Viele muslimische Jugendliche<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> denken antisemitisch. Und ihre Gewaltbereitschaft wächst, <strong>in</strong>: Die Zeit <strong>vom</strong> 7. 6. 2006.<br />

2 Die politische L<strong>in</strong>ke wird häufig e<strong>in</strong>es besonderen <strong>Antisemitismus</strong> verdächtig. Auch wenn e<strong>in</strong>zelne populistische<br />

Versuche von l<strong>in</strong>ker Seite unternommen wurden, so zeichnet sich nach Andreas Zick und Beate Küpper dies<br />

nicht <strong>in</strong> den Daten ab. Vielmehr nimmt der <strong>Antisemitismus</strong> im Durchschnitt zu, je weiter sich die Befragten auf<br />

der politischen Skala rechts verorten. Dies gilt auch für die israelbezogenen Facetten. Vgl. Andreas Zick, Beate<br />

Küpper: Riskanter Glaube: Religiosität und Abwertung, <strong>in</strong>: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche <strong>Zustände</strong>,<br />

Folge 4, Frankfurt/Ma<strong>in</strong> 2006, S. 115-134.<br />

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