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Barftgaans 4/5 2017

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ZIEMLICH<br />

BESTE<br />

FREUNDE<br />

Komödie<br />

nach dem<br />

gleichnamigen<br />

Film<br />

Hochzeit zu Arvo Pärts „Misere“.<br />

Von links:<br />

Elias und der<br />

Racheengel.<br />

Das Universum<br />

dröhnt.<br />

Orgelreparatur.<br />

Sprache, angereichert mit Worterfindungen und<br />

Dialektausdrücken.<br />

Was das Lüneburger Theater aber daraus<br />

macht, ist aufregend, anregend und absolut sehens-<br />

und hörenswert. In der Dramaturgie Friedrich<br />

von Mansbergs schuf Ballettdirektor Olaf<br />

Schmidt ein Musiktheater aus Charisma und als<br />

„heiterste Lehranstalt für Fantasie“, wie es der<br />

Präsident der Akademie der darstellenden Künste,<br />

Hermann Beil, einmal über das Theater sagte.<br />

Die Lüneburger Symphoniker spielen Bach,<br />

Bach, Bach! Aber auch Arvo Pärt, Monteverdi,<br />

Schubert, Händel und Mozart. Als beeindruckende<br />

Dorfgemeinschaft singen die Chöre des<br />

Theaters und von St. Johannis und St. Michaelis<br />

kraftvoll und schlagkräftig. Dazu gesellen sich<br />

Solisten, von denen einer auch der Erzähler ist.<br />

Der Abend hat mehrere Erzählebenen. Das<br />

Ballettensemble übernimmt die Geschichte<br />

von Elias, Lukas, Peter und Elsbeth, wobei den<br />

Chören eine agierende und kommentierende<br />

Rolle zukommt. Die Gesangssolisten sind – als<br />

die Leser des Buches – quasi der Verfremdungseffekt;<br />

sie beobachten das Geschehen, lassen<br />

sich involvieren, können aber auch zu jeder Zeit<br />

aussteigen. So singt Signe Ravn Heiberg, während<br />

sie den Boden putzt, ein „Ave Maria“ zum<br />

Niederknien, die Geburt eines weiteren Kindes<br />

durch Elias‘ Mutter beobachtend. Zur Hochzeit<br />

von Elsbeth und Lukas<br />

erklingt ausgerechnet<br />

Arvo Pärts<br />

„Misere“ (Elend, Notlage),<br />

weil es für Elias<br />

ein Elend ist, dass<br />

die Geliebte einen<br />

anderen freit. Bachs<br />

wunderbare Toccata<br />

und Fuge d-moll<br />

(565) ertönt, als Elias<br />

die Orgel spielt und<br />

alle Zuhörer verzaubert. Und wenn am Ende die<br />

Bassarie aus der Matthäus-Passion erklingt und<br />

Peter klagt „Mache dich, mein Herze rein, ich will<br />

Jesum selbst begraben“ – dann ist diese Trauer<br />

nicht von gestern oder von heute, sondern von<br />

immer.<br />

Es gäbe viele Szenen zu schildern, zu interpretieren,<br />

die am Herzen zerren und ganz<br />

andere Bilder bloßlegen – ja offenbaren! – als<br />

die gespielten. Weil in der Gegenwart, in jeder<br />

Wirklichkeit, das Mögliche rumort. Ernst Bloch<br />

nannte diese Art des Offenhaltens von Geschichte<br />

„Prinzip Hoffnung“. Nun, für Elias gibt es am<br />

Ende keine Hoffnung. Er wollte, gerade 22 Jahre<br />

alt, sterben. Aus Liebeskummer. Was für ein verschwendetes<br />

Talent!<br />

Die Zeit im Lüneburger Theater ist keineswegs<br />

verschwendet. „Schlafes Bruder“ ist ein veritables<br />

Feuerwerk der Einfälle und Doppelbödigkeit, der<br />

Melange aus Musik, Gesang und Tanz, die den<br />

Atem zu rauben in der Lage ist. Gestaltet von Akteuren,<br />

die ihr Handwerk beherrschen, die das<br />

Theater mit Mut zum Experiment zur Transitstation<br />

machen zwischen Kunst und alltäglichem<br />

Dasein.<br />

Der Zuschauer muss das Buch nicht zwingend<br />

kennen. Er sollte sich aber vor der Aufführung<br />

dem klugen Programmheft, das den getanzten<br />

Inhalt der einzelnen Szenen kurz beschreibt,<br />

zuwenden. Aber auch ohne die eine oder andere<br />

Vorkenntnis verlässt man das Theater nach<br />

zweieinhalb Stunden eingehüllt von Musik und<br />

berührt durch die (getanzte) Geschichte; bleibt<br />

dieser Abend ein Lehrstück über Außenseitertum,<br />

das aus Fragen nach dem Miteinander und<br />

dem Umgang mit dem vermeintlich Anderen<br />

nicht entlässt.<br />

Auf dem Spielplan steht „Schlafes Bruder“<br />

noch am: 28. April, 14., 24., 28. Mai und 2. Juni.<br />

Unterschiedliche Anfangszeiten. Theaterkasse:<br />

0 41 31 / 42 100. [Barbara Kaiser]<br />

9.5.17 19.30 Uhr<br />

Theater an der Ilmenau<br />

11.11.17 20 Uhr<br />

Theater an der Ilmenau<br />

18.11.17 19.30 Uhr<br />

Theater an der Ilmenau<br />

www.barftgaans.de | April/Mai <strong>2017</strong>

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