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Das Haus an der Alewinstraße 10 soll Grundstock für ein Museum sein.<br />
EIN NEUES MUSEUM – EINE VISION?<br />
Museums- und Heimatverein müht sich um ein modernes Haus für Stadtgeschichte<br />
„Es gibt uns noch!“, sagte Museumsleiter Dr. Ulrich Brohm vor fast zwei<br />
Jahren in einem Gespräch. Zwischen all den Verkaufsvorhaben, deren<br />
Verhinderungsambitionen und eventuellen Abschaffungsgerüchten: Das<br />
Schloss Holdenstedt ist immer noch das Museum der Stadt und es bot<br />
auch in dieser unerträglichen Situation Ausstellungen, die sehenswert<br />
waren. Trotzdem haben sich inzwischen die Besucherzahlen auf etwa<br />
3000 halbiert, weil fast alle denken, das Schloss wird verkauft, das Museum<br />
ist lange geschlossen. So wie das Café. Fördermittel für Projekte muss<br />
man da gar nicht beantragen, die Belastungen durch Miete (an die Stadt!)<br />
und Nebenkosten sind aber natürlich dieselben geblieben.<br />
In einer Stadtratssitzung vor einem Jahr bekannten sich die Politiker<br />
definitiv zu einem Stadtmuseum, obwohl es auch unter ihnen die Meinung<br />
gibt, solch ein Ort der Geschichte wäre unnötig. Oder man solle<br />
doch gleich alles dem Haus in Hösseringen angliedern, dessen Leiter<br />
Brohm ja auch ist.<br />
Ein Museum ist eine wichtige Deponie für erfolgreich Veraltetes, wenngleich<br />
Brohm das Wort „Deponie“ nicht mag, weil es ihm „Abfall“ suggeriert.<br />
Nein! Ein Museum „ist ein Ort, an dem etwas gesammelt wird,<br />
in unserem Falle Zeugnisse der Uelzener Geschichte; aus Politik, Kultur<br />
und gesellschaftlichem Leben.“ Nun sei Uelzener Stadt- und Regionalgeschichte<br />
nicht gerade das, was Universitäten umtreibe, gibt der Historiker<br />
zu, aber „wir sammeln Dinge, um etwas daran zu zeigen.“<br />
Brauchen wir das? Aber ja! Denn an einer Ausstellung historischer Requisiten<br />
entzündet sich unsere Fantasie, wenn man denn aus diesem kalten<br />
Material den Funken erloschenen Lebens zu schlagen in der Lage ist.<br />
All die Dinge, die uns überdauern, benötigen das erzählende Gedächtnis<br />
der aktuellen Zeitgenossen, damit diese einstige Bedeutung fühlen können.<br />
Ein Ding, zur Ausstellung gebracht, zeigt sich selbst; was banal wäre<br />
ohne Zusammenhang, ohne, dass es in uns einen Text abruft, Fragen<br />
stellt.<br />
Deshalb geht der Museums- und Heimatverein seit geraumer Zeit in<br />
die Offensive: Er will ein neues Museum! „Wenn es die Möglichkeit gibt“,<br />
sagt dessen Vorsitzender Otto Lukat, „halten wir nicht am Schloss Holdenstedt<br />
fest.“ Gleichzeitig sieht der Ex-Bürgermeister seine Stadt aber in<br />
der Pflicht: „Wenn das Schloss verkauft wird, erwarten wir eine finanzielle<br />
Beteiligung.“ Schließlich wurde das Schloss gekauft mit Mitteln, die definitiv<br />
für die Kultur auszugeben waren.<br />
Nun besitzt der Verein ein Grundstück (mit Haus) an der Alewinstraße<br />
(siehe Plan). Um-, An- und Ausbau des Gebäudes für Dauer- und<br />
Sonderausstellungen und Funktionsräume summierten sich auf rund<br />
2,5 Millionen Euro. Ein Depot müsste extra entstehen. Das Ganze ist ein<br />
großes Vorhaben – aber wohin kämen wir ohne Visionen, dieses Uelzen<br />
ein Stückchen lebenswerter zu machen? Man liebt etwas, wenn man sich<br />
damit identifizieren kann. Da ist eine Stadt keine Ausnahme. Und ein<br />
Stadtmuseum kann ein Ort sein, Selbstverständnis, das Woher und Wohin,<br />
darzustellen und zu kommunizieren, Wissen zu vermitteln.<br />
„Ich bin nicht für eine Dorfstube“, sagt Otto Lukat, nach seinen Vorstellungen<br />
über ein Museum befragt. Aber: „Ein Museum für eine Stadt<br />
unserer Größe halte ich für eine Notwendigkeit; wie soll man denn sonst<br />
Geschichte erfahrbar machen?“ Und wie schwer es manchmal fällt, sich<br />
eigener Geschichte zu stellen, davon ist in Uelzen ein Lied zu singen. Stichworte<br />
Mahnmal für die Opfer der Gewaltherrschaft 1933/45 und die Straßenumbenennungen!<br />
„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich<br />
nennen?“ Mit diesen zwei Sätzen, die Behauptungen sind, beginnt<br />
Thomas Mann sein Epos über Joseph und seine Brüder. Wenn wir<br />
uns eines Tages nicht in diesem lichtlosen Brunnen und in Unkenntnis<br />
über Gewesenes verirren wollen, dürfen wir nicht ablassen von dem Versuch,<br />
aus der Geschichte zu lernen. Auch wenn es in der Gegenwart weniger<br />
denn je danach aussieht, dass der Mensch das je könnte – ein Museum<br />
muss dabei Leitfaden sein. Deshalb ist der Museums- und Heimatverein<br />
nicht genug zu loben für ein Vorhaben, das in Zeiten, wo nur zählt, was<br />
sich rechnet, als ein aussichtsloses erscheint. Dabei haben wir doch alle<br />
eine Verantwortung für die Erinnerung, weil, wer souverän mit Geschichte<br />
umgeht, den Kopf frei hat für Gegenwart und seine Kraft nicht verschwendet<br />
für Demagogie.<br />
[Barbara Kaiser]<br />
Rotmarkiert: möglicher Anbau.<br />
www.barftgaans.de | April/Mai <strong>2017</strong><br />
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