Das Handwerk im Nationalsozialismus - Handwerkskammer ...
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Wenn man in Deutschland in der innenpolitischen<br />
Diskussion – oder in Österreich<br />
oder Luxemburg – einen Konsens findet, die<br />
Meisterprüfung zu bewahren, dann wird<br />
keine europäische Instanz sie kippen können,<br />
überhaupt keine.<br />
<strong>Das</strong> ist die Realität. Alles andere ist<br />
falsch. Es wird niemand eine Deregulierung<br />
oder Liberalisierung anstreben wollen gegen<br />
solch bedeutende Länder, wenn sie<br />
selbst zu diesem System stehen.<br />
Andererseits muss man natürlich auch<br />
sagen, können wir nicht von Ländern wie<br />
Irland oder England verlangen, – die eine<br />
völlig andere Tradition haben – dass sie in<br />
den nächsten 10 Jahren oder 20 Jahren ein<br />
solches System einführen. <strong>Das</strong> können wir<br />
natürlich nicht erwarten.<br />
Elster: Herr Professor Stober, ist es wirklich<br />
so, dass unsere <strong>Handwerk</strong>sordnung mit ihrem<br />
großen Befähigungsnachweis wirklich<br />
so ungefährdet ist durch das europäische<br />
Gemeinschaftsrecht, oder gibt es nicht doch<br />
einen gewissen Druck?<br />
Stober: Also ich muss Herrn Müller Recht<br />
geben. Deutschland hat sich damals sozusagen<br />
ein Exklusivrecht ausgehandelt.<br />
Dieses Exklusivrecht heißt, wir haben in<br />
Deutschland die Meisterprüfung und die<br />
bleibt erhalten.<br />
Nun ist das schon eine lange Zeit her,<br />
mittlerweile wurden die Verträge stark geändert,<br />
und heute taucht die Frage wieder<br />
neu auf.<br />
Aber die Deutschen sind <strong>im</strong> Grunde genommen<br />
gewappnet, und zwar dadurch<br />
gewappnet, weil sie in ihrer <strong>Handwerk</strong>s-<br />
100 Jahre <strong>Handwerk</strong>skammer Reutlingen<br />
ordnung sehr moderat und flexibel das<br />
europäische Recht eingearbeitet haben, so<br />
dass zwar – das ist ein Nachteil für sie – die<br />
europäischen <strong>Handwerk</strong>er, wenn sie leistungsfähig<br />
sind, nach Deutschland kommen<br />
können, aber umgekehrt der deutsche<br />
<strong>Handwerk</strong>er die Meisterprüfung machen<br />
muss, weil das deutsche Recht hier eine<br />
Ausnahmesituation ist.<br />
Aber da möchte ich gleich noch etwas<br />
dazu sagen, zur Zukunft dieses Rechtes. Ich<br />
verstehe die Diskussion um den Befähigungsnachweis<br />
nicht. Und zwar deshalb<br />
nicht, weil man in anderen Bereichen – etwa<br />
bei den Steuerberatern oder bei den Ärzten<br />
– auch nicht sagt, wir schaffen irgend einen<br />
»Arztbrief« ab oder wir schaffen die Prüfung<br />
ab.<br />
Ich glaube es liegt daran, dass man vom<br />
»großen« Befähigungsnachweis spricht, und<br />
»groß« muss für die Deutschen etwas ganz<br />
Großes sein. <strong>Das</strong> heißt, da geht man normaler<br />
Weise nicht ran, das ist etwas, was<br />
man überhaupt nicht überspringen kann.<br />
(...)<br />
Aber jetzt kommt die gefährliche Sache:<br />
Bundeswirtschaftsminister Müller möchte<br />
die Meisterprüfung liberalisieren per Verwaltungsvorschrift,<br />
das geht nicht. Und zwar<br />
deshalb nicht, weil es ein Verstoß gegen<br />
den Rechtsstaat ist. Man kann nicht durch<br />
die Hintertür über Verwaltungsvorschriften,<br />
etwas was sie meine Damen und Herren,<br />
sich hart erworben haben, liberalisieren.<br />
<strong>Das</strong> ist ein Schlag gegen die jungen <strong>Handwerk</strong>smeisterinnen<br />
und -meister, die bei<br />
uns sitzen.<br />
Anhang<br />
Elster: Frage an Sie Frau Widmann-Mauz.<br />
Ist es eigentlich wirklich so, dass dieses<br />
Wort Deregulierung, das ja ein politisches<br />
Modewort geworden ist, dass es nicht doch<br />
die <strong>Handwerk</strong>sordnung in Berlin erfassen<br />
könnte? Und das verfasste <strong>Handwerk</strong> auch,<br />
nämlich die Kammern?<br />
Widmann-Mauz: Deregulierung ist in allen<br />
Feldern unseres Verwaltungshandeln notwendig,<br />
weil 50 Jahre freiheitliche Demokratie<br />
auch dazu geführt haben, dass wir<br />
uns in vielen Bereichen <strong>im</strong> Grunde überperfektioniert<br />
haben.<br />
<strong>Das</strong> heißt aber nicht, wenn wir deregulieren,<br />
dass wir das Gute über Bord werfen.<br />
Wir können aber nicht <strong>im</strong>mer nur neue Gesetze<br />
schaffen und irgendwann ist alles so<br />
kompliziert geworden ist, dass es kein<br />
Mensch mehr versteht.<br />
In dem Maße, wie wir neues Schaffen,<br />
müssen wir auch hinterfragen, wo die Sinnhaftigkeit<br />
alter Regelungen ist. Also ich sag<br />
ganz klar auch, was sich bewährt hat, muss<br />
ich nicht von vornherein in Frage stellen.<br />
<strong>Das</strong> ist eine Beweislastumkehrung, für die<br />
es überhaupt keinen Grund gibt.<br />
Denn der Meisterbrief hat sich bewährt,<br />
und wenn wir uns in der Bundesrepublik<br />
anschauen, welche Branchen <strong>im</strong> Grunde die<br />
krisenfestesten sind, wenn wir anschauen<br />
in welchen Bereichen wir mehr Insolvenzen<br />
und in welchen wir weniger haben, dann ist<br />
das <strong>Handwerk</strong> der Bereich, der am besten<br />
da steht. Und warum sollten wir dann an<br />
den Grundfesten, die diesen Erfolg garantieren,<br />
rütteln?<br />
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