Das Handwerk im Nationalsozialismus - Handwerkskammer ...
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<strong>Das</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>im</strong> Kaiserreich<br />
die Verteilung organisiert. Die Industrie<br />
wird besonders bevorzugt. Erst die Maßnahmen<br />
der Kammer ermöglichen es, dem<br />
regionalen <strong>Handwerk</strong> einen Platz in der Rüstungsproduktion<br />
zu verschaffen. Dabei ist<br />
es Aufgabe der Kammer, Anträge einzelner<br />
<strong>Handwerk</strong>e auf Zuteilung von Zucker, Ölen,<br />
Leder, Tuch, Chemikalien oder Kupfer dadurch<br />
zu fördern, dass sie Bescheinigungen<br />
über die Kriegswichtigkeit der damit hergestellten<br />
Waren und Produkte ausstellt. Die<br />
Kammer wird auch damit beauftragt, mehrere<br />
Hundert Kupferdächer <strong>im</strong> Bezirk auszumachen,<br />
deren Abdeckung die Metall-Mobilmachungsstelle<br />
in Berlin angeordnet hat.<br />
Erfasst werden auch rund 70 Millionen Türklinken<br />
und Fenstergriffe <strong>im</strong> Kammerbezirk,<br />
die den Metallmangel beheben sollen.<br />
Viele <strong>Handwerk</strong>er sind gezwungen, die<br />
Produktion mit Ersatzstoffen aufrechtzuerhalten.<br />
Schuhmacher erhalten kaum noch<br />
Leder für private Kunden. Auch bei Le<strong>im</strong> und<br />
Textilien sinkt die Qualität der Waren. Man<br />
behilft sich sogar mit Frauenhaar als Rohstoff.<br />
Umständlich ist das Bezugsscheinsystem:<br />
die Betriebe melden ihren Rohstoffbedarf<br />
mit speziellen Formularen an, die auf<br />
Ortsebene gesammelt und an die Genossenschaft<br />
weitergeleitet werden. Diese reichen<br />
die Scheine an die zentralen Versorgungsstellen<br />
in Berlin weiter, die wiederum die für<br />
die einzelnen Regionen bzw. Gewerbe vorgesehenen<br />
Gesamtmengen aufteilt.<br />
Die <strong>Handwerk</strong>sorganisationen: Nur gemeinsam<br />
sind die <strong>Handwerk</strong>er stark genug<br />
Was bis 1914 zwar nicht ohne Erfolg, aber<br />
doch mühsam versucht wird, kommt durch<br />
den Krieg in Schwung: Der Organisations-<br />
grad des <strong>Handwerk</strong>s wächst. <strong>Das</strong> hat einen<br />
ganz einfachen Grund – die zunehmende<br />
Verknappung und Verteuerung der Rohstoffe<br />
macht es dem einzelnen <strong>Handwerk</strong>er<br />
<strong>im</strong>mer schwerer, sich auf eigene Faust zu<br />
versorgen. Jetzt wird deutlich, dass der genossenschaftliche<br />
Zusammenschluss tatsächlich<br />
große Vorteile bringt. Viele Meister<br />
und Betriebsinhaber stellen ihren schon<br />
traditionellen Egoismus hinten an und verbünden<br />
sich.<br />
Dennoch beklagt sich die Kammer rückblickend<br />
über mangelnden Organisationsgrad<br />
und Solidarität der <strong>Handwerk</strong>er. Denn,<br />
so die Ansicht der Kammer, wenn sich die<br />
<strong>Handwerk</strong>er unter Zurückstellung egoistischer<br />
Interessen geschlossener gezeigt<br />
hätten, wären mehr Rüstungsaufträge in<br />
das <strong>Handwerk</strong> geflossen. <strong>Das</strong> führt auch<br />
zur Gründung einer Wirtschaftsstelle <strong>im</strong> Bezirk<br />
der <strong>Handwerk</strong>skammer Reutlingen. Im<br />
Februar 1918 unterbreitet Syndikus Hermann<br />
der Vollversammlung einen entsprechenden<br />
Antrag.<br />
Hermann geht von der Erfahrung aus,<br />
dass der Krieg »das <strong>Handwerk</strong> in Beziehung<br />
auf wirtschaftliche Organisation ziemlich<br />
unvorbereitet« überrascht habe. Da die<br />
Heeresverwaltung mit vielen hundert kleinen<br />
Betrieben hätte verhandeln müssen,<br />
vergab sie Aufträge lieber an die Industrie.<br />
Zwar habe hier das Eingreifen der Kammer<br />
als »Generalunternehmer« gegenüber den<br />
staatlichen Stellen Erfolge gebracht, doch<br />
müsste jetzt und in Zukunft – Hermann<br />
denkt bei seiner Idee einer Wirtschaftsstelle<br />
auch an die Probleme der Zeit unmittelbar<br />
nach Kriegsende – diese Funktion durch<br />
genossenschaftliche Lieferungsverbände<br />
übernommen werden. Kammer und Verdingungsamt<br />
sollten nur mehr als Vermittler<br />
38 100 Jahre <strong>Handwerk</strong>skammer Reutlingen