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Zeit für Reform von Ellen G. White

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

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<strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> <strong>Reform</strong><br />

Gewissensrecht unveräußerlich ist. Es waren zur Begründung dieser Wahrheit keine Vernunftschlüsse<br />

erforderlich; wir sind uns ihrer in unserem eigenen Herzen bewußt. Dies Bewußtsein ist es, das, den<br />

menschlichen Gesetzen Trotz bietend, so viele Märtyrer in Qualen und Flammen standhaft machte. Sie<br />

fühlten, daß ihre Pflicht gegen Gott über menschliche Verordnungen erhaben sei, und daß Menschen keine<br />

Autorität über ihr Gewissen ausüben könnten. Es ist dies ein angeborener Grundsatz, den nichts auszutilgen<br />

vermag.“<br />

Als sich die Kunde <strong>von</strong> einem Lande, in dem jeder die Frucht seiner eigenen Arbeit genießen und der<br />

Überzeugung seines eigenen Gewissens folgen könnte, in Europa verbreitete, wanderten Tausende nach<br />

Nordamerika aus. In schneller Folge wurde Kolonie auf Kolonie gegründet. „Massachusetts bot durch eine<br />

besondere Verordnung den Christen jeder Nation, die sich über den Atlantischen Ozean flüchteten, ‚um<br />

Kriegen, Hungersnot oder der Unterdrückung ihrer Verfolger zu entgehen‘, freundliche, unentgeltliche<br />

Aufnahme und Hilfe an. Somit wurden die Flüchtlinge und die Unterdrückten durch gesetzliche<br />

Verordnungen Gäste des Staates.“ In den ersten zwanzig Jahren nach der Landung in Plymouth hatten sich<br />

ebenso viele tausend Pilger in Neuengland niedergelassen.<br />

Um ihr Ziel zu erreichen, „waren sie zufrieden, sich durch ein enthaltsames und arbeitsames Leben<br />

einen kargen Unterhalt verdienen zu können. Sie verlangten <strong>von</strong> dem Boden nur einen leidlichen Ertrag ihrer<br />

Arbeit. Keine goldenen Aussichten warfen ihren trügerischen Schein auf ihren Pfad ... Sie waren mit dem<br />

langsamen aber beständigen Fortschritt ihres gesellschaftlichen Gemeinwesens zufrieden. Sie ertrugen<br />

geduldig die Entbehrungen der Wildnis, netzten den Baum der Freiheit mit ihren Tränen und mit dem<br />

Schweiß ihres Angesichts, bis er im Lande tief Wurzel geschlagen hatte“. Die Bibel galt ihnen als Grundlage<br />

des Glaubens, als Quelle der Weisheit und als Freiheitsbrief. Ihre Grundsätze wurden zu Hause, in der Schule<br />

und in der Kirche fleißig gelehrt, und ihre Früchte offenbarten sich in Wohlstand, Bildung, sittlicher Reinheit<br />

und Mäßigkeit. Man konnte jahrelang in den puritanischen Niederlassungen wohnen, ohne „einen<br />

Trunkenbold zu sehen, einen Fluch zu hören oder einem Bettler zu begegnen“. Es wurde der Beweis erbracht,<br />

daß die Grundsätze der Heiligen Schrift der sicherste Schutz <strong>für</strong> nationale Größe sind. Die schwachen und<br />

isolierten Kolonien wuchsen zu einer Verbindung mächtiger Staaten heran, und die Welt nahm mit<br />

Bewunderung den Frieden und das Gedeihen „einer Kirche ohne Papst und eines Staates ohne König“ wahr.<br />

Doch ständig wachsende Scharen, angetrieben <strong>von</strong> Gründen, die sich <strong>von</strong> denen der ersten Pilgerväter<br />

stark unterschieden, zog es an die Küsten Amerikas. Obgleich der einfache Glaube und der lautere Wandel<br />

eine weitverbreitete und bildende Macht ausübten, wurde deren Einfluß doch immer schwächer, als die Zahl<br />

derer wuchs, die nur weltlichen Vorteil suchten. Die <strong>von</strong> den ersten Kolonisten angenommene Verordnung,<br />

das Stimmrecht und die Besetzung <strong>von</strong> Staatsämtern nur Gemeindegliedern zu gestatten, wirkte sich äußerst<br />

schädlich aus. Diese Maßnahme war getroffen worden, um die Reinheit des Staates zu bewahren; aber sie<br />

wurde der Kirche zum Verderben. Das Stimmrecht zu erhalten und zu öffentlichen Ämtern zugelassen zu<br />

werden, setzte ein Religionsbekenntnis voraus, so daß sich viele einzig und allein aus weltlicher Klugheit<br />

der Kirche anschlossen, ohne eine Änderung ihres Herzens erfahren zu haben. So kam es, daß zur Kirche<br />

zum großen Teil nur unbekehrte Menschen zählten, und daß sich selbst unter den Predigern solche befanden,<br />

die nicht nur irrige Lehren aufstellten, sondern auch nichts <strong>von</strong> der erneuernden Kraft des Heiligen Geistes<br />

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