14.07.2017 Aufrufe

Zeit für Reform von Ellen G. White

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> <strong>Reform</strong><br />

Knechtschaft, die Rom auferlegt hatte, zu sprengen. Die Prediger der Waldenser wurden als Missionare<br />

ausgebildet, und jeder, der ins Predigtamt eintreten wollte, mußte zuerst Erfahrungen als Evangelist sammeln<br />

— mußte drei Jahre lang in dem einen oder anderen Missionsfeld wirken, ehe er als Leiter einer Gemeinde<br />

in der Heimat eingesetzt wurde. Dieser Dienst, der <strong>von</strong> vornherein Selbstverleugnung und Opfer forderte,<br />

war eine geeignete Einführung in die Erfahrungen eines Predigers in jenen <strong>Zeit</strong>en, welche die<br />

Menschenherzen auf die Probe stellten. Die jungen Menschen, die zum heiligen Amt eingesegnet wurden,<br />

hatten keineswegs irdische Reichtümer und Ehren in Aussicht, sondern sahen einem Leben voller Mühen<br />

und Gefahren und möglicherweise dem Märtyrertod entgegen. Die Sendboten gingen zu zweien hinaus, wie<br />

Jesus einst seine Jünger ausgesandt hatte. Jeden Jüngling beglei tete gewöhnlich ein erfahrener Alter, der<br />

dem Jüngeren als Führer diente und <strong>für</strong> dessen Ausbildung er verantwortlich war. Seinen Anweisungen<br />

mußte jener folgen. Diese Mitarbeiter waren nicht immer beisammen, trafen sich aber oft, um zu beten und<br />

zu beraten. Auf diese Weise stärkten sie sich gegenseitig im Glauben.<br />

Es würde sicherlich zu Niederlagen geführt haben, wenn diese Leute das Ziel ihrer Missionstätigkeit<br />

bekanntgegeben hätten; deshalb verbargen sie sorgfältig ihre wirkliche Aufgabe. Jeder Prediger verstand<br />

irgendein Handwerk oder Gewerbe, und diese Glaubensboten führten ihre Aufgabe unter dem Gewand eines<br />

weltlichen Berufes, gewöhnlich dem eines Verkäufers oder Hausierers, durch. „Sie boten Seide,<br />

Schmucksachen und andere Gegenstände, die zu jener <strong>Zeit</strong> nur aus weit entfernten Handelsplätzen zu<br />

beziehen waren, zum Verkauf an und wurden dort als Handelsleute willkommen geheißen, wo sie als<br />

Missionare zurückgewiesen worden wären.“ Sie erhoben ihre Herzen zu Gott um Weisheit, damit sie einen<br />

Schatz, köstlicher als Gold und Edelsteine, ausbreiten konnten. Sie trugen Abschriften der ganzen Heiligen<br />

Schrift oder Teile derselben verborgen bei sich, und wenn sich eine Gelegenheit bot, lenkten sie die<br />

Aufmerksamkeit ihrer Kunden auf diese Handschriften. Oft wurde auf diese Weise das Verlangen<br />

wachgerufen, Gottes Wort zu lesen, und ein Teil der Schrift denen mit Freuden überlassen, die es annehmen<br />

wollten.<br />

Das Werk dieser Sendboten begann in den Ebenen und Täler am Fuße ihrer eigenen Berge, erstreckte<br />

sich jedoch weit über diese Grenzen hinaus. Barfuß, in groben, <strong>von</strong> der Reise beschmutzten Gewändern,<br />

gleich denen ihres Herrn, zogen sie durch große Städte und drangen bis in entlegene Länder vor. Überall<br />

streuten sie die köstliche Saat aus. Gemeinden entstanden auf ihrem Wege, und das Blut <strong>von</strong> Märtyrern<br />

zeugte <strong>für</strong> die Wahrheit. Der Tag Gottes wird eine reiche Ernte an Seelen offenbaren, die durch die Arbeit<br />

dieser Männer eingesammelt wurde. Heimlich und schweigend bahnte sich Gottes Wort seinen Weg durch<br />

die Christenheit und fand in vieler Menschen Herz und Haus freundliche Aufnahme.<br />

Den Waldensern war die Heilige Schrift nicht nur ein Bericht über Gottes Handlungsweise mit den<br />

Menschen in der Vergangenheit und eine Offenbarung der Verantwortungen und Pflichten in der Gegenwart,<br />

sondern auch eine Enthüllung der Gefahren, aber auch der Herrlichkeit der Zukunft. Sie glaubten, daß das<br />

Ende aller Dinge nicht mehr fern sei. Indem sie die Heilige Schrift unter Gebet und Tränen erforschten,<br />

machten ihre köstlichen Aussagen einen umso tieferen Eindruck, und sie erkannten deutlicher ihre Pflicht,<br />

anderen die darin enthaltenen heilsbringenden Wahrheiten mitzuteilen. Durch das heilige Buch wurde vor<br />

ihnen der Erlösungsplan klar ausgebreitet, und sie fanden Trost, Hoffnung und Frieden im Glauben an Jesus.<br />

39

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!