14.07.2017 Aufrufe

Zeit für Reform von Ellen G. White

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> <strong>Reform</strong><br />

Vor der <strong>Reform</strong>ation waren zeitweise nur wenige Exemplare der Bibel vorhanden, aber Gott hatte sein<br />

Wort nicht völlig untergehen lassen. Seine Wahrheiten sollten nicht <strong>für</strong> immer verborgen bleiben. Er konnte<br />

ebenso leicht das Wort des Lebens entketten wie Gefängnistüren öffnen und eiserne Tore entriegeln, um<br />

seine Diener zu befreien. In den verschiedenen Ländern Europas wurden Menschen vom Geist Gottes<br />

angetrieben, nach der Wahrheit wie nach verborgenen Schätzen zu suchen. Durch die Vorsehung zur<br />

Heiligen Schrift geführt, erforschten sie diese mit größtem Eifer. Sie waren willig, das Licht anzunehmen,<br />

koste es, was es wolle. Konnten sie auch nicht alles deutlich wahrnehmen, so wurden sie doch befähigt,<br />

manche lange <strong>Zeit</strong> begrabene Wahrheit zu erkennen. Als vom Himmel gesandte Boten gingen sie hinaus,<br />

zerbrachen die Ketten des Aberglaubens und des Irrtums und forderten Menschen auf, die lange Sklaven<br />

gewesen waren, sich zu erheben und ihre Freiheit zu behaupten.<br />

Das Wort Gottes war, ausgenommen bei den Waldensern, jahrhundertelang durch die Sprachen, die<br />

nur den Gelehrten verständlich waren, versiegelt geblieben; doch die <strong>Zeit</strong> kam, da es übersetzt und den<br />

Völkern verschiedener Länder in ihrer Muttersprache in die Hand gegeben werden sollte. Die Welt hatte ihre<br />

Mitternachtszeit überschritten. Die Stunden der Finsternis schwanden dahin, und in vielen Ländern<br />

erschienen Anzeichen der anbrechenden Morgendämmerung. Im 14.Jahrhundert ging in England der<br />

„Morgenstern der <strong>Reform</strong>ation“ auf. John Wiklif war der Herold der Erneuerung nicht allein <strong>für</strong> England,<br />

sondern <strong>für</strong> die ganze Christenheit. Der mächtige Protest gegen Rom, den er einleiten durfte, konnte nicht<br />

mehr zum Schweigen gebracht werden, sondern er sollte den Kampf eröffnen, der zur Befreiung des<br />

Einzelnen, zur Befreiung der Gemeinden und der Völker führte.<br />

Wiklif erhielt eine gute Erziehung. Für ihn galt die Furcht des Herrn als der Weisheit Anfang. Er war<br />

auf der Universität seiner inbrünstigen Frömmigkeit, seiner hervorragenden Talente und seiner gründlichen<br />

Gelehrsamkeit wegen bekannt. In seinem Wissensdrang suchte er jeden Zweig der Wissenschaft<br />

kennenzulernen. Er wurde mit den Gedanken der Scholastik, mit den Glaubensvorschriften der Kirche und<br />

den bürgerlichen Gesetzen, besonders denen seines eigenen Landes, vertraut gemacht. In seiner späteren<br />

Arbeit trat der Wert seiner genossenen Schulung klar zutage. Seine gründliche Kenntnis der spekulativen<br />

Philosophie seiner <strong>Zeit</strong> befähigte ihn, deren Irrtümer bloßzustellen, und durch seine Studien der Landesund<br />

Kirchenrechte war er vorbereitet, sich an dem großen Kampf um die bürgerliche und religiöse Freiheit zu<br />

beteiligen. Während er die dem Wort Gottes entnommenen Waffen zu führen verstand, hatte er sich auch<br />

die Geisteswelt der Schulen erarbeitet und war mit der Kampfesweise der Gelehrten vertraut. Dank seiner<br />

natürlichen Anlagen und dem Umfang und der Gründlichkeit seines Wissens erwarb er sich die Achtung <strong>von</strong><br />

Freund und Feind. Wiklifs Anhänger sahen mit Genugtuung, daß er unter den tonangebenden Geistern der<br />

Nation einen führenden Platz einnahm, und seinen Feinden war es nicht möglich, die Sache der Erneuerung<br />

durch Bloßstellen irgendeiner Unwissenheit oder Schwäche ihres Verteidigers in Verruf zu bringen.<br />

Noch auf der Universität nahm Wiklif das Studium der Heiligen Schrift auf. In den damaligen <strong>Zeit</strong>en,<br />

als es nur Bibeln in den alten Sprachen gab, waren allein die Gelehrten imstande, den Pfad zur Quelle der<br />

Wahrheit zu finden, der den in den Sprachen ungebildeten Klassen verschlossen blieb. Somit war der Weg<br />

44

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!