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Zeit für Reform von Ellen G. White

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

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<strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> <strong>Reform</strong><br />

Gott hatte <strong>für</strong> sein Volk ein Heiligtum <strong>von</strong> erhabener Würde vorgesehen, den gewaltigen Wahrheiten<br />

entsprechend, die ihm anvertraut worden waren. Jenen getreuen Verbannten waren die Berge ein Sinnbild<br />

der unwandelbaren Gerechtigkeit des Höchsten. Sie wiesen ihre Kinder auf die Höhen hin, die sich in<br />

unveränderlicher Majestät vor ihnen auftürmten, und erzählten ihnen <strong>von</strong> dem Allmächtigen, bei dem weder<br />

Unbeständigkeit noch Wechsel ist, dessen Wort ebenso festgegründet ist wie die ewigen Hügel. Gott hatte<br />

die Berge gesetzt und sie mit Stärke umgürtet; kein Arm außer dem der unendlichen Macht konnte sie <strong>von</strong><br />

ihrem Ort bewegen. In gleicher Weise hatte Gott sein Gesetz, die Grundlage seiner Regierung im Himmel<br />

und auf Erden, aufgerichtet. Wohl konnte der Arm des Menschen seine Mitmenschen erreichen und deren<br />

Leben vernichten; aber er vermochte ebensowenig die Berge aus ihren Grundfesten zu reißen und sie ins<br />

Meer zu schleudern wie eines der Gebote Gottes zu verändern oder eine seiner Verheißungen auszutilgen,<br />

die denen gegeben sind, die seinen Willen tun. In ihrer Treue zu Gottes Gesetz sollten seine Diener ebenso<br />

fest stehen wie die unveränderlichen Berge.<br />

Die Gebirge, die ihre tiefen Täler umrahmten, waren ständige Zeugen <strong>von</strong> Gottes Schöpfungsmacht<br />

und eine untrügliche Bürgschaft seiner schützenden Fürsorge. Jene Pilger gewannen die stummen Sinnbilder<br />

der Gegenwart des Allmächtigen lieb. Sie klagten nicht über die Härte ihres Schicksals und fühlten sich<br />

inmitten der Einsamkeit der Berge nie allein. Sie dankten Gott, daß er ihnen einen Zufluchtsort vor dem<br />

Zorn und der Grausamkeit der Menschen bereitet hatte. Sie freuten sich ihrer Freiheit, vor ihm anzubeten.<br />

Oft, wenn sie <strong>von</strong> ihren Feinden verfolgt wurden, erwies sich die Feste der Höhen als sicherer Schutz. Von<br />

manchem hohen Felsen sangen sie das Lob Gottes, und die Heere Roms konnten ihre Dankeslieder nicht<br />

zum Schweigen bringen.<br />

Rein, einfältig und inbrünstig war die Frömmigkeit dieser Nachfolger Christi. Sie schätzten die<br />

Grundsätze der Wahrheit höher als Häuser, Güter, Freunde, Verwandte, ja selbst höher als das Leben.<br />

Ernstlich versuchten sie, diese Grundsätze den Herzen der Jugend einzuprägen. Von frühester Kindheit an<br />

wurden die Kinder in der Heiligen Schrift unterwiesen und gelehrt, die Forderungen des Gesetzes Gottes<br />

unverbrüchlich zu achten. Da es nur wenige Abschriften der Bibel gab, wurden ihre köstlichen Worte dem<br />

Gedächtnis eingeprägt, und viele Waldenser wußten große Teile des Alten und Neuen Testaments auswendig.<br />

Gedanken an Gott wurden sowohl mit der majestätischen Natur als auch mit den bescheidenen Segnungen<br />

des täglichen Lebens verknüpft. Bereits die Kleinsten wurden angehalten, dankbar zu Gott als den Geber<br />

aller Hilfe und allen Trostes aufzublicken.<br />

Die Eltern, so zärtlich und liebevoll sie auch ihren Kindern entgegenkamen, in ihrer Liebe zu ihnen<br />

waren sie zu klug, um sie daran zu gewöhnen, gegen sich selbst nachsichtig zu sein. Vor ihnen lag ein Leben<br />

voller Prüfungen und Schwierigkeiten, vielleicht der Märtyrertod. Sie wurden <strong>von</strong> Kindheit an dazu erzogen,<br />

Schwierigkeiten zu ertragen, etwaige Befehle zu befolgen und doch selbstständig zu denken und zu handeln.<br />

Schon früh wurden sie gelehrt, Verantwortungen zu übernehmen, ihre Worte genau zu wägen und die<br />

Klugheit des Schweigens zu verstehen. Ein unbedachtes Wort, das in Gegenwart <strong>von</strong> Feinden fiel, konnte<br />

nicht nur das Leben des Sprechers, sondern auch das <strong>von</strong> Hunderten seiner Brüder gefährden; denn gleich<br />

den Wölfen, die ihre Beute jagen, verfolgten die Feinde der Wahrheit jene, die es wagten, Glaubensfreiheit<br />

zu beanspruchen.<br />

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