Verfahrenstechnik 6/2018
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MESSEN, REGELN, AUTOMATISIEREN I KOMMENTAR<br />
Der digitale Zwilling<br />
Mehrwert und Nutzen der Digitalisierung für die Prozessindustrie<br />
Jan Rougoor ist<br />
Digitalization Consultant<br />
der Siemens AG in Karlsruhe<br />
Die Prozessindustrie durchläuft im Zuge<br />
der Digitalisierung ähnliche Veränderungen<br />
wie die diskrete Fertigung. Beide<br />
Industrien reagieren auf Megatrends und<br />
Herausforderungen wie unter anderem<br />
Ressourcen-Verfügbarkeit, wechselnde<br />
Marktbedingungen, notwendige Prozess-<br />
Effizienz und die Einhaltung umfangreicher<br />
Regula rien und Vorschriften. Um diese<br />
Aufgaben zu bewältigen, stehen zahlreiche<br />
neue Technologien zur Verfügung, bei deren<br />
Implementierung die Prozessindustrie gegenüber<br />
der Fertigungsindustrie merklich<br />
zurückhaltender agiert. Als Begründung<br />
hören wir aus der Branche, dass Prozessanlagen<br />
einen längeren Lebenszyklus haben<br />
als Fertigungsstraßen, und für Anlagen, die<br />
vor 30 oder mehr Jahren in Betrieb genommen<br />
wurden, keine digitalen Unterlagen<br />
existieren. Dafür jedoch gibt es den Brownfield-Approach,<br />
also die Digitalisierung von<br />
vorhandenen Anlagen bzw. deren Daten in<br />
1-D, 2-D und 3-D, um auch von ihnen einen<br />
digitalen Zwilling zu realisieren.<br />
Für die Erstellung des digitalen Zwillings<br />
einer gesamten Anlage werden umfangreiche<br />
Daten verarbeitet, wie beispielsweise<br />
von den mechanischen Komponenten und<br />
deren Interaktion miteinander. Welche<br />
Vorteile der digitale Zwilling einer Anlage<br />
bietet und was ihn vom bisherigen modus<br />
operandi unterscheidet, lässt sich in einem<br />
Der digitale Anlagenzwilling spiegelt den<br />
Paradigmenwechsel: Weg vom Ansatz „as built“ hin zu „as is“.<br />
Satz sagen: Er ersetzt die bisherige statische<br />
Dokumentation durch einen dynamischen<br />
Ansatz. Der Anlagenbauer übergibt dem<br />
Betreiber nach der Anlagenfertigstellung<br />
nicht mehr nur eine Sammlung physischer<br />
oder digitaler Dokumente. Er gibt ihm vielmehr<br />
Zugriff auf ein lebendiges Anlagenmodell<br />
als umfassendes digitales Äquivalent<br />
der Wirklichkeit. Die Daten liegen entweder<br />
auf einem Server oder in einer<br />
Cloud, wie beispielsweise der MindSphere<br />
von Siemens. Dieses Vor gehen ist die Konsequenz<br />
aus einem spürbaren Paradigmenwechsel<br />
weg vom Ansatz as built, dem Zustand<br />
wie geplant – hin zum sogenannten<br />
As-is-Zustand.<br />
Mit dem digitalen Anlagenzwilling gehen<br />
viele Vorteile einher. So kann der Betreiber<br />
anhand des live object model und den daraus<br />
verfügbaren Echtzeit-Daten beispielsweise<br />
Störfälle effizienter handhaben als<br />
bisher. Miteinander vernetzte Daten geben<br />
Auskunft darüber, ob die Störung auf ein<br />
fehlerhaftes Bauteil zurückzuführen ist oder<br />
ob es gegebenenfalls am Prozessverhalten<br />
lag. Außerdem können auf Basis eines virtuellen<br />
Modells, das Betriebs-, Konstruktions-,<br />
Wartungs- und Engineeringdaten in<br />
Echtzeit wiedergibt, jederzeit Apps für<br />
weiter gehendes Datenmanagement und/<br />
oder -Analyse entwickelt werden.<br />
Halle 11.0, Stand C3<br />
www.siemens.com<br />
56 VERFAHRENSTECHNIK 6/<strong>2018</strong>