ZAP-2018-16
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Fach 4 R, Seite 930<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2018</strong><br />
Miete/Nutzungen<br />
formularvertraglich oder individualvertraglich vereinbart worden ist. Zum Teil kennt die Phantasie der<br />
Vermieter, was die Verwendung von Formularverträgen oder zumindest ihre eigene Eigenschaft als deren<br />
Verwender angeht, keine Grenzen. Der BGH (NZM <strong>2018</strong>, 556 = WuM <strong>2018</strong>, 437 = MDR <strong>2018</strong>, 855 = GE <strong>2018</strong>,<br />
820 = MietPrax-AK § 573c BGB Nr. 30 m. Anm. BÖRSTINGHAUS; DERS. jurisPR-MietR 12/<strong>2018</strong> Anm. 2) hat hier<br />
noch einmal die Grundsätze klargestellt und zwar in einem Verfahren, in dem der Vermieter den Mieter<br />
gebeten hatte, einen Haus- & Grund-Mietvertrag zu besorgen. Auch in diesem Fall ist der Vermieter<br />
Verwender des Formulars, der die entsprechende Klausel stellt. Als wesentliches Charakteristikum<br />
Allgemeiner Geschäftsbedingungen habe der Gesetzgeber die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie den<br />
Umstand angesehen, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf<br />
ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann. Mit Rücksicht darauf ist das Merkmal des<br />
„Stellens“ i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei in<br />
die Verhandlungen eingebracht werden und ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt wird. Der<br />
Umstand, dass der Mieter das Formular mitgebracht hat, ändert nichts daran, dass das Vertragsformular<br />
auf Initiative der Vermieterseite in den Vertrag Eingang gefunden hat.<br />
Fraglich war zudem, ob hier nicht deshalb eine Individualvereinbarung vorgelegen hatte, weil dem<br />
Mieter der Kündigungsausschluss so wichtig war, dass er zusätzliche Leistungen, zu denen er nicht<br />
verpflichtet gewesen wäre, übernommen hatte. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen dann nicht<br />
vor, wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt wurden; selbst vorformulierte Klauseln<br />
des Verwenders können deshalb im Einzelfall Gegenstand und Ergebnis von Individualabreden sein. Das<br />
muss das LG nach Zurückverweisung noch aufklären.<br />
Der Bankrechtssenat (NJW-RR <strong>2018</strong>, 814 = MDR <strong>2018</strong>, 755) hat in diesem Zusammenhang eine auch im<br />
Mietrecht vorkommende Fallgestaltung entschieden: Wenn eine Bank dem Kunden zwei Formularverträge<br />
alternativ anbietet, wobei einmal eine Bearbeitungsgebühr erhoben wird und einmal nicht,<br />
liegt keine Individualvereinbarung vor. Für ein Aushandeln nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB sei es erforderlich,<br />
dass der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und sich deutlich<br />
und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt. Die Eröffnung einer Wahlmöglichkeit<br />
zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen bedeute noch keine Individualabrede.<br />
Vielmehr müsse auch hier der Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ<br />
eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen. Unerheblich ist<br />
es, ob der Klauselverwender für jede der Alternativen ein gesondertes Formular benutzt, alle<br />
Alternativen in einem Formular abdruckt und den Kunden die gewünschte Klausel kennzeichnen lässt<br />
oder die Wahl zwischen mehreren vorgegebenen Alternativen durch Eintragung in dafür vorgesehene<br />
Leerräume des Formulars erfolgt.<br />
Hinweis:<br />
Im Wohnraummietrecht gibt es inzwischen ähnliche Fallgestaltungen bei Schönheitsreparaturklauseln:<br />
Auch dort werden dem Mieter alternative Formularverträge oder nur -klauseln bei unterschiedlicher Miethöhe<br />
zur Unterzeichnung vorgelegt. Diese Vorgehensweise ändert nichts daran, dass es sich um vom Vermieter<br />
gestellte Formularklauseln handelt.<br />
Zum Schluss hat der VIII. Senat in seiner Entscheidung für das weitere Verfahren noch auf folgende<br />
beiden Punkte hingewiesen:<br />
1. Ein individualvertraglicher Kündigungsausschluss kann auf Dauer vereinbart werden. Eine Grenze wird<br />
bei einem individuell vereinbarten Kündigungsausschluss nur durch § 138 BGB gesetzt, etwa bei<br />
Ausnutzung einer Zwangslage einer Partei oder beim Vorliegen sonstiger Umstände, die der Vereinbarung<br />
das Gepräge eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts geben. Die individuelle Vereinbarung eines<br />
dauerhaften Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ist daher grundsätzlich möglich. In Betracht<br />
käme allenfalls, nach Ablauf von 30 Jahren in entsprechender Anwendung des § 544 BGB eine<br />
außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist anzunehmen.<br />
830 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong>