ZAP-2018-16
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fach 22, Seite 938<br />
Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />
Notwendige Verteidigung – Update <strong>2018</strong><br />
• die Strafvollstreckungskammer im Verfahren über eine Reststrafenaussetzung gem. § 57 StGB<br />
aufgrund des Ergebnisses eines Sachverständigengutachtens erwägt, abweichend von der Stellungnahme<br />
der JVA zu entscheiden (OLG Stuttgart StraFo 20<strong>16</strong>, 2<strong>16</strong>);<br />
• im Reststrafenaussetzungsverfahren eine bislang nicht aktenkundige, langjährige dissozial-narzisstische<br />
Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde (OLG Hamburg StV <strong>2018</strong>, 143) oder<br />
• der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft auf eine erhobene Anklage und zwei laufende<br />
Ermittlungsverfahren abstellt, ohne dass die Taten bereits abgeurteilt oder zumindest glaubhaft<br />
gestanden sind (LG Paderborn StRR 3/2017, 15).<br />
Sind derartige einzelfallbezogene Besonderheiten dagegen nicht ersichtlich, scheidet eine Beiordnung<br />
im Vollstreckungsverfahren in aller Regel aus.<br />
Praxishinweis:<br />
Nach wie vor unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob eine einmal erfolgte Beiordnung für das<br />
gesamte Vollstreckungsverfahren gilt oder lediglich für den jeweiligen Verfahrensabschnitt. Einige Gerichte<br />
verlangen weiterhin eine erneute Beiordnung für jeden Abschnitt (so zuletzt OLG Koblenz StV 20<strong>16</strong>,<br />
512), so dass eine solche vorsorglich jeweils beantragt werden sollte, zumindest sofern es im betroffenen<br />
Gerichtsbezirk insoweit keine gefestigte einheitliche Rechtsprechung gibt.<br />
XI. Checkliste für den Pflichtverteidiger<br />
Die nachfolgende Checkliste gibt stichwortartig die wichtigsten Prüfungsschritte wieder, die der<br />
Verteidiger im Zusammenhang mit Fragen der Pflichtverteidigung beachten sollte.<br />
1. Vor der Beiordnung<br />
□ Liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor?<br />
□ Sind die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO gegeben?<br />
□ Wenn nein: greift stattdessen § 140 Abs. 2 StPO?<br />
□ Schwere der Tat (v.a. bei (Gesamt-)Straferwartung von mindestens einem Jahr)?<br />
□ Schwierige Sach- und/oder Rechtslage?<br />
□ Keine Fähigkeit zur Selbstverteidigung (insb. geistige Einschränkungen oder Sprachprobleme).<br />
□ Ist der Antrag weit genug gefasst (ggf. ausdrückliche Erstreckung auf das Adhäsionsverfahren oder<br />
auf die Hauptverhandlung in Fällen des § 408b StPO)?<br />
□ Wird der Beiordnungsantrag zeitnah verbeschieden?<br />
□ Wenn nein: ggf. Beschwerde zulässig.<br />
2. Nach der Beiordnung/bei Entpflichtungsanträgen<br />
□ Wird das Mandat ordnungsgemäß bearbeitet (insbesondere keine Untätigkeit)?<br />
□ Liegt ein unzulässiges Verdrängen des bisherigen Pflichtverteidigers vor?<br />
□ Wenn ja: keine Beiordnung des neuen Verteidigers.<br />
□ Aber: Umbeiordnung mit dem Einverständnis aller Beteiligter möglich, sofern keine zusätzlichen<br />
Gebühren anfallen.<br />
862 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong>