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ZAP-2018-16

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Straßenverkehrsrecht Fach 9, Seite 1041<br />

Fahrverbot<br />

cc) Sonstige persönliche Gründe<br />

Auch sonstige persönliche Gründe bieten schließlich noch ein weites Feld, um ggf. ein Absehen vom<br />

Fahrverbot zu erreichen. Insoweit gilt: Ist der Betroffene wegen einer körperlichen Behinderung in<br />

stärkerer Weise auf die Nutzung seines Pkw angewiesen als der durchschnittliche Autofahrer, kann das<br />

zum Absehen vom Fahrverbot führen. Entscheidend sind dabei allerdings die Schwere der Behinderung<br />

und deren Auswirkungen auf den Betroffenen. Eine – nur – schwere Gehbehinderung allein genügt für<br />

ein Absehen vom Fahrverbot nicht (OLG Hamm NZV 1999, 215 = zfs 1999, 311). Auch kann einem<br />

Betroffenen, der geltend macht, aus gesundheitlichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu<br />

sein, zugemutet werden, für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Monat, in dem er wegen<br />

des angeordneten Fahrverbots sein Kfz entbehren muss, für seine Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel<br />

auszuweichen. Dies mutet ihm die Rechtsprechung ebenso zu wie sie dies von Arbeitnehmern<br />

für Fahrten zur Arbeitsstätte verlangt (OLG Hamm DAR 1999, 325 = VRS 97, 69). Auch<br />

allein eine Schwerbehinderung führt nicht zum Absehen vom Fahrverbot (OLG Hamm VA 2008, 194<br />

[Ls.]). Ebenfalls ist hohes Alter allein kein ausreichender Grund für das Absehen vom Fahrverbot (OLG<br />

Hamm DAR 2001, 229) – ebenso wenig wie eine krankheitsbedingt „schwache Blase“ und plötzlich<br />

auftretender Harndrang (OLG Hamm VA <strong>2018</strong>, 32 = VRR 3/<strong>2018</strong>, <strong>16</strong>).<br />

Ausreichen soll hingegen, wenn sich der Betroffene täglich um seine 89-jährige Großmutter kümmern<br />

muss (AG Mannheim zfs 2004, 236). Ob das zutreffend ist, ist fraglich. Jedenfalls muss aber, wenn vom<br />

Fahrverbot abgesehen werden soll, die verstärkte Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit feststehen und<br />

außerdem dürfen keine sonstigen unentgeltlichen Betreuungspersonen aus der Familie vorhanden und<br />

die Einstellung einer professionellen Hilfe nicht zumutbar sein (so wohl zutreffend OLG Hamm NZV<br />

2006, 664 = VRR 2006, 313 und VRR 2012, 308 = DAR 2012, 477).<br />

4. Fahrverbotsentscheidung bei Verurteilung nach § 24a StVG<br />

Es ist bereits ausgeführt worden, dass in den Fällen des § 24a StVG nach allgemeiner Meinung nur<br />

Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige das äußere und innere Tatbild beherrschende<br />

außergewöhnliche Umstände das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen<br />

(OLG Hamm VRS 101, 298 = DAR 2002, 324 m.w.N.; zum Fahrverbot bei der Trunkenheitsfahrt BURHOFF/<br />

DEUTSCHER, OWi, Rn 35<strong>16</strong> ff. und bei der Drogenfahrt BURHOFF/DEUTSCHER, OWi, Rn 780 ff.). Darauf kann hier<br />

verwiesen werden (vgl. III. 1). Das gilt erst recht, wenn der Betroffene bereits einmal wegen eines<br />

Verstoßes gegen § 24a StVG in Erscheinung getreten ist. Auch der Umstand, dass der Betroffene als<br />

Berufskraftfahrer tätig ist, ändert daran nichts. Gegebenenfalls eintretende wirtschaftliche und<br />

berufliche Folgen muss der Betroffene als selbstverschuldet hinnehmen (OLG Hamm VRS 98, 381 =<br />

NZV 2001, 486; s. aber OLG Hamm NJW 2002, 2485 = NZV 2002, 414 = VRS 103, 204; VA 2002, 47).<br />

Schließlich reicht auch allein ein Zeitraum von 25 Monaten seit dem Verkehrsverstoß nicht, um vom<br />

Fahrverbot absehen zu können (OLG Saarbrücken VA 2002, <strong>16</strong>9). Das bedeutet, dass der Betroffene bei<br />

einer Verurteilung nach § 24a StVG nur schwer der Verhängung des Fahrverbots entkommen wird, und<br />

zwar auch dann, wenn er freiberuflich tätig ist. Das ist sowohl für den freien Mitarbeiter einer<br />

Unternehmensberatung entschieden worden (OLG Hamm DAR 1999, 84 = VRS 96, 231 = NZV 1999, 214)<br />

als auch für einen Rechtsanwalt (OLG Hamm VRS 101, 298 [s.o.]).<br />

5. Anforderungen an die Urteilsgründe<br />

Die Entscheidung über das Absehen vom Fahrverbot ist in erster Linie eine Entscheidung aufgrund<br />

tatrichterlicher Würdigung, was allerdings häufig übersehen wird. Das bedeutet (vgl. auch BURHOFF/<br />

DEUTSCHER, OWi, Rn 1420 ff.): Dem Tatrichter ist eine gewisse Entscheidungsfreiheit bei der Beurteilung<br />

eingeräumt, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt auf das Fehlen von Ermessensfehlern<br />

überprüft werden kann (allg. Ansicht, vgl. nur OLG Köln NZV 1994, <strong>16</strong>1; OLG Hamm NZV 1996, 118,<br />

119; DAR 1996, 68 = zfs 1996, 35; VRS 92, 40). Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Entscheidung des<br />

Tatrichters „bis zur Grenze des Vertretbaren“ hinzunehmen (OLG Bamberg NJW 2008, 3155; OLG Hamm<br />

NZV 2008, 308; OLG Oldenburg zfs 2002, 359). Es ist unerheblich, ob eine andere Entscheidung<br />

– ebenfalls – vertretbar gewesen wäre (OLG Hamm VRS 92, 40).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong> 847

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