ZAP-2018-16
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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 933<br />
Notwendige Verteidigung – Update <strong>2018</strong><br />
Dies ist nämlich nicht immer der Fall. Insbesondere in Verfahren, in denen im Hinblick auf anderweitige<br />
Tatvorwürfe eine Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO in Betracht kommt, werden Anträge immer wieder<br />
gern liegen gelassen, um eine Beiordnung dann mit oder gar nach der Einstellung des Verfahrens<br />
abzulehnen, da ein Fall der notwendigen Verteidigung nicht (mehr) vorliege. Dahinter steckt regelmäßig<br />
der Gedanke, dass die Verteidigerbestellung überflüssig sei, da dem Angeklagten im Falle einer<br />
Einstellung ja kein Unheil drohe. Dies ist freilich schon deshalb falsch, weil eine solche Vorgehensweise<br />
dem Grundsatz, wonach die Verteidigerbestellung so früh wie möglich vorzunehmen ist, evident<br />
widerspricht. Es ist – auch bei einem nicht inhaftierten Beschuldigten – nicht zulässig, dem Verfahren<br />
erst Fortgang zu geben und dann am Ende über den Beiordnungsantrag zu entscheiden (LG<br />
Mühlhausen, Beschl. v. 1.12.2017 – 3 Qs 205/17, StRR 3/<strong>2018</strong>, 21). Überdies kann sich die Erforderlichkeit<br />
der Mitwirkung eines Verteidigers auch daraus ergeben, dass es die überwiegende Rechtsprechung<br />
nach wie vor für grundsätzlich zulässig hält, auch Taten, derentwegen das Verfahren gem. § 154 Abs. 2<br />
StPO eingestellt wurde, bei der Aburteilung der anderen Delikte im Rahmen der Strafzumessung<br />
strafschärfend zu berücksichtigen.<br />
Praxishinweis:<br />
Bleibt das Gericht untätig, kann es sich empfehlen, hiergegen mit dem Rechtsmittel der Beschwerde<br />
vorzugehen, auch wenn die StPO eine reine Untätigkeitsbeschwerde nicht kennt. Wird nämlich eine<br />
von Amts wegen gebotene oder auf Antrag zu treffende Entscheidung, die ihrerseits selbst anfechtbar<br />
wäre, unterlassen und kommt dies nicht lediglich einer Verfahrensverzögerung, sondern einer endgültigen<br />
Ablehnung gleich, ist dies anfechtbar (LG Dresden StV 2017, 174 für eine unterlassene Beiordnungsentscheidung,<br />
wenn ein nur <strong>16</strong> Tage später stattfindender Hauptverhandlungstermin anberaumt<br />
wird).<br />
Wird die Nicht-Verbescheidung des Antrags dagegen hingenommen, drohen später nicht unerhebliche<br />
Schwierigkeiten, nachdem die überwiegende Rechtsprechung weiterhin davon ausgeht, dass<br />
eine rückwirkende Verteidigerbestellung unzulässig sei. Der Zweck der Pflichtverteidigung, dem<br />
Angeklagten einen rechtskundigen Beistand und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu<br />
sichern, könne dann nicht mehr erreicht werden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.2.2015 – 1 ARs 1/15, <strong>ZAP</strong><br />
EN-Nr. 325/2015; LG Halle/Saale, Beschl. v. 31.7.2015 – 3 Qs 151/15, StRR 2015, 389; weitere Nachweise<br />
bei BURHOFF, EV, Rn 3044, 8. Aufl. Rn 3061). Die Gegenauffassung (u.a. LG Trier StRR 2015, 389; LG<br />
Mühlhausen, Beschl. v. 1.12.2017 – 3 Qs 205/17, StRR 3/<strong>2018</strong>, 21) hat sich bislang jedenfalls nicht auf<br />
breiter Linie durchzusetzen vermocht.<br />
Hinweis:<br />
Lässt das Gericht die Mitwirkung des Verteidigers ohne Hinweis auf ein eigenes Kostenrisiko zu, ist jedoch<br />
eine schlüssige Beiordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen (BGH NStZ-RR 2009, 348;<br />
OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.2.2015 – 1 ARs 1/15, <strong>ZAP</strong> En-Nr. 325/2015). Eine solche konkludente Beiordnung<br />
kann auch nachträglich festgestellt werden, so dass das Fehlen einer ausdrücklichen Beiordnung die<br />
Abrechnung der entstandenen Pflichtverteidigergebühren nicht hindert (BGH a.a.O.). Von einer konkludenten<br />
Bestellung wird man ausgehen können, wenn das Gericht mit dem Verteidiger Schriftwechsel führt,<br />
Stellungnahmen von ihm einholt oder ihm Terminsladungen zustellt.<br />
IX. Rücknahme der Bestellung<br />
Ist die begehrte Beiordnung erfolgt, gilt diese bis zur Rechtskraft des Urteils (BURHOFF, EV, Rn 3009,<br />
8. Aufl. Rn 3026). Sie kann grundsätzlich nicht zurückgenommen werden, weil sich im Nachhinein die<br />
Einschätzung des Gerichts zu der Frage, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, ändert (LG<br />
Bonn StraFo 20<strong>16</strong>, 295). Dies gilt auch für das Berufungsgericht (KG StV 2017, 154).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong> 857