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ZAP-2018-16

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Fach 22, Seite 932<br />

Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />

Notwendige Verteidigung – Update <strong>2018</strong><br />

VII. Auswahl des Pflichtverteidigers<br />

Benennt der Beschuldigte/Angeklagte einen Rechtsanwalt, von dem er vertreten werden will, so ist<br />

dieser zum Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern kein wichtiger Grund entgegensteht, § 142 Abs. 1 S. 2<br />

StPO. Ein solch wichtiger Grund ist nur ausnahmsweise anzunehmen; der Grundsatz des fairen<br />

Verfahrens gebietet es, die Wünsche des Mandanten soweit wie möglich zu berücksichtigen (BURHOFF,<br />

EV, Rn 2772, 8. Aufl. Rn 2789, m.w.N.).<br />

Hinweis:<br />

Einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf die Beiordnung des gewünschten Verteidigers hat der Angeklagte<br />

aber nach wie vor nicht (BVerfG NStZ 2006, 460).<br />

Ein der Beiordnung entgegenstehender wichtiger Grund kann dann gegeben sein, wenn ein Interessenkonflikt<br />

vorliegt (BGH NStZ 20<strong>16</strong>, 115). Tritt ein solcher Konflikt erst nach der Beiordnung zutage, ist<br />

– nach Anhörung des Angeklagten – deren Rücknahme zu prüfen (BGH a.a.O.).<br />

Hinweis:<br />

Nach einer neueren Entscheidung des OLG Bremen (Beschl. v. 2.3.<strong>2018</strong> – 1 Ws 12/18, NStZ-RR <strong>2018</strong>, 188) kann<br />

eine Verteidigerbestellung schon abgelehnt werden, wenn ein Interessenkonflikt absehbar ist. Die Ablehnung<br />

könne bereits vertretbar sein, wenn die Gefahr einer Interessenkollision aktuell noch nicht übermäßig<br />

groß erscheine, indes aber unbedingt vermieden werden soll, dass sie später doch virulent wird. Die sei bei der<br />

Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Rechtsanwälte derselben Sozietät grundsätzlich schon dann<br />

der Fall, wenn eine Anklage wegen einer gemeinsamen Tat vorliege, sofern sich nicht im Einzelfall aus dem<br />

Einlassungsverhalten der Beschuldigten etwas anderes ergebe. Konkreter Hinweise auf das Bestehen dieses<br />

Konflikts bedürfe es dann nicht. Die Abberufung eines bereits bestellten Verteidigers hingegen soll nur bei<br />

Vorliegen konkreterer Hinweise auf einen tatsächlichen Interessenkonflikt erfolgen (OLG Bremen a.a.O.).<br />

Dem Wunsch des Angeklagten nach Beiordnung seines Wunschverteidigers kann im Einzelfall auch das<br />

Beschleunigungsgebot entgegenstehen. Ist der Verteidiger aufgrund anderweitiger Verpflichtungen<br />

daran gehindert, in angemessener Zeit Hauptverhandlungstermine wahrzunehmen, kann dem Beschleunigungsgebot<br />

der Vorrang gebühren, zumal dieses nicht zur Disposition des Angeklagten steht<br />

(OLG Stuttgart NStZ 20<strong>16</strong>, 436). Der Hinweis des Angeklagten, er sei notfalls mit einem späteren Beginn<br />

der Hauptverhandlung einverstanden, vermag ihm daher den gewünschten Anwalt nicht zu<br />

verschaffen.<br />

Fehlt es dagegen an einer besonderen Eilbedürftigkeit, kann einer Terminierung auf einen späteren<br />

Zeitpunkt gegenüber einer Entpflichtung der Vorrang gebühren (LG Lüneburg StV 20<strong>16</strong>, 490; zum<br />

Spannungsfeld zwischen dem Beschleunigungsgebot einerseits und der Verfügbarkeit des Wunschverteidigers<br />

andererseits s. auch HILLENBRAND <strong>ZAP</strong> F. 22, S. 921, 925).<br />

Dagegen kann die Beiordnung nicht allein deshalb verweigert werden, weil der benannte Rechtsanwalt<br />

nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist. Die frühere Beschränkung, wonach „möglichst“ auf im<br />

Bezirk ansässige Rechtsanwälte zurückzugreifen war, hat der Gesetzgeber bereits vor Jahren<br />

gestrichen. Auf eine (erhebliche) Ortsferne des Verteidigers kann daher allenfalls noch abgestellt<br />

werden, wenn hierdurch eine sachgerechte Verteidigung gefährdet erscheint (OLG Zweibrücken,<br />

Beschl. v. 18.8.20<strong>16</strong> – 1 Ws 198/<strong>16</strong>).<br />

VIII. Entscheidungszeitpunkt<br />

Liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers vor, ist diese möglichst<br />

frühzeitig vorzunehmen (BURHOFF, EV, Rn 3042, 8. Aufl. Rn 3059). Hierauf muss der Verteidiger achten<br />

und erforderlichenfalls darauf hinwirken, dass das Gericht dieser Verpflichtung auch tatsächlich<br />

nachkommt.<br />

856 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong>

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