ZAP-2018-16
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Straßenverkehrsrecht Fach 9, Seite 1035<br />
Fahrverbot<br />
anordnung. In diesen Fällen ist daher ein Fahrverbot i.d.R. angemessen und auch erforderlich,<br />
weshalb ein Absehen vom Fahrverbot nach allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung nur bei<br />
außergewöhnlichen Tatumständen oder Härten in Betracht kommt (z.B. OLG Hamm, zuletzt VRR<br />
2012, 308 = DAR 2012, 477).<br />
• Handelt es sich – wie bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einem Rotlichtverstoß – um die<br />
Anordnung nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, ist dort weicher formuliert. Danach „kann“ ein Fahrverbot<br />
angeordnet werden. Die unterschiedlichen Formulierungen wirken sich nach Auffassung des BGH<br />
(BGHSt 38, 125, 137 [s.o.]) aber erst beim Absehen vom an sich gebotenen Fahrverbot aus. Im Fall des<br />
§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG sind nämlich nicht „Härten ganz außergewöhnlicher Art“ erforderlich, sondern das<br />
Absehen ist schon dann möglich, wenn „erhebliche Härten“ vorliegen oder eine Vielzahl für sich<br />
genommen gewöhnlicher und/oder durchschnittlicher Umstände (z.B. BayObLG NZV 1996, 374; OLG<br />
Hamm DAR 2001, 229; NZV 2003, 398 f.; OLG Karlsruhe NZV 2006, 326). An dieser Stelle ist also auf<br />
jeden Fall Raum für eine Einzelfallprüfung täterbezogener Umstände, was dann zum Absehen vom<br />
Fahrverbot führen kann.<br />
e) Checkliste<br />
Daraus ergibt sich insgesamt folgende Prüfungsreihenfolge/Checkliste, die der Tatrichter einhalten<br />
muss und anhand derer der Verteidiger bei der Überprüfung eines tatrichterlichen Urteils vorgehen<br />
muss:<br />
1. Zunächst ist zu fragen: Sind hinsichtlich des Betroffenen die Voraussetzungen einer Katalogtat nach<br />
§ 4 Abs. 1 BKatV festgestellt worden?<br />
2. Dann: Handelt es sich ggf. dennoch nicht um eine objektiv und subjektiv grobe Pflichtwidrigkeit –<br />
Stichwort: Augenblicksversagen?<br />
3. Schließlich: Ist das Fahrverbot aber ggf. trotzdem ausgeschlossen, weil es nicht erforderlich ist oder<br />
hinsichtlich seiner Folgen beim Betroffenen unangemessen wäre? – Stichwort: Regelwirkung der<br />
Katalogtat, aber diese Vermutung kann widerlegt werden.<br />
III. Absehen von Fahrverbot/Ausnahme im Einzelfall<br />
Die Rechtsprechung zum Absehen vom Fahrverbot ist unüberschaubar. Es vergeht kein Monat, in dem<br />
nicht in jeder einschlägigen Fachzeitschrift mehrere das Fahrverbot und insbesondere das Absehen vom<br />
Fahrverbot betreffende Entscheidungen veröffentlicht werden. Diese können nachfolgend nicht alle<br />
dargestellt werden, so dass sich die Darstellung auf einen (groben) Überblick beschränken muss, wobei<br />
Fallgruppen gebildet werden und die täterbezogenen Umstände im Vordergrund stehen. Zur weiteren<br />
Vertiefung wird auf BURHOFF/DEUTSCHER (OWi, Rn 1290 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung) verwiesen.<br />
1. Prüfungsmaßstab für die Absehensentscheidung<br />
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass bei einer grob pflichtwidrigen Katalogtat die<br />
Erforderlichkeit und Angemessenheit des Fahrverbots vermutet wird. Fehlt es hieran im Einzelfall, ist<br />
nach § 4 Abs. 4 BKatV vom Fahrverbot unter angemessener Erhöhung der Geldbuße abzusehen, wobei<br />
allerdings darauf zu achten ist, dass das Höchstmaß des gesetzlichen Bußgeldrahmens nicht überschritten<br />
werden darf (vgl. z.B. OLG Düsseldorf DAR 1996, 413 m.w.N.). Bei der Entscheidung über das<br />
Absehen haben eine Vielzahl von Einzelkriterien Bedeutung. Dabei spielen im Rahmen der Erforderlichkeit<br />
tatbezogene Umstände eine Rolle, während es bei der Angemessenheit allein auf die persönlichen<br />
Folgen beim Betroffenen ankommt.<br />
In der Regel ist es nach h.M. ausreichend, dass „erhebliche Härten“ oder eine Vielzahl für sich genommen<br />
gewöhnlicher oder durchschnittlicher Umstände vorliegen (BGHSt 38, 125 [s.o.]; OLG Rostock VRS 101,<br />
380; OLG Hamm NZV 2003, 398; Beschl. v. 19.1.2010, 2 (6) Ss OWi 987/09). Etwas anderes gilt bei einer<br />
Verurteilung nach § 24a StVG. Hier kommt wegen der anderen Formulierung im Gesetz ein Absehen vom<br />
Fahrverbot nur bei Vorliegen einer „Härte ganz außergewöhnlicher Art“ oder „außergewöhnlicher<br />
Umstände“ in Betracht (vgl. z.B. OLG Bamberg DAR 2009, 39 = VRR 2009, 33; OLG Braunschweig DAR<br />
1996, 28; OLG Hamm VRS 101, 298 = DAR 2002, 324 m.w.N.; DAR 2008, 652 = VRR 2008, 434).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>16</strong> 22.8.<strong>2018</strong> 841