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Berliner Kurier 21.04.2019

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14 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 21. April 2019<br />

die Vogelmütter womöglich<br />

leichter über einen längeren<br />

Zeitraum in ihre Eier schleusen<br />

als die anderen Komponenten.<br />

Vielleicht nutzen sie diese relativ<br />

billigen Substanzen sogar,<br />

um einen Mangel an anderen<br />

Inhaltsstoffen zu kompensieren.<br />

Das könnte der Grund dafür<br />

sein, dass sich in den spät gelegten<br />

Eiern mehr Proteine mit Abwehrfunktionen<br />

finden: Wenn<br />

es schon an Carotinoiden fehlt,<br />

soll das Immunsystem wenigstens<br />

dadurch gestärkt werden.<br />

Die Weibchen variieren die<br />

Inhaltstoffe also nicht nur,<br />

wenn das Nahrungsangebot<br />

oder die Leistungsfähigkeit ihres<br />

eigenen Körpers sie dazu<br />

zwingen.<br />

Es gibt auch Fälle, in denen sie<br />

gezielt Ressourcen investieren,<br />

um die Zusammensetzung jedes<br />

einzelnen Eis auf die Bedürfnisse<br />

der Küken abzustimmen.<br />

Gerade ältere, erfahrene<br />

Weibchen scheinen besonders<br />

gut darin zu sein, verschiedene<br />

Proteine im Eigelb einzulagern.<br />

Und das bietet ihnen eine gute<br />

Möglichkeit, die Eigenschaften<br />

und damit das Schicksal ihres<br />

Nachwuchses unabhängig von<br />

seinem Erbgut zu beeinflussen.<br />

So hat das MPI-Team in den<br />

ersten Eiern der Gelege eine höhere<br />

Konzentration von Proteinen<br />

gefunden, die für den Stoffwechsel,<br />

den Aufbau der Zellen<br />

und die Bildung von Geweben<br />

und Organen wichtig sind.<br />

Das könnte dazu führen, dass<br />

die Insassen dieser Eier beim<br />

Schlüpfen schon größer und<br />

weiter entwickelt sind als ihre<br />

Geschwister.<br />

Und das kann für sie nur von<br />

Vorteil sein. Denn in Blaumeisen-Nestern<br />

herrscht ein starker<br />

Konkurrenzkampf, in dem<br />

sich die größeren und kräftigeren<br />

Tiere durchsetzen.<br />

Verblüffenderweise sind das<br />

oft ausgerechnet jeneKüken,die<br />

nicht vom offiziellenPartner des<br />

jeweiligen Weibchens gezeugt<br />

wurden. Zwar scheinendie klei-<br />

Trottellumme<br />

Es ist schon viel spekuliertworden<br />

über die seltsame Form der Eier der<br />

Trottellumme (Uria aalge). Hängt sie<br />

vielleicht damit zusammen, dassdiese<br />

Seevögel auf gefährlich schmalen<br />

Felssimsen an steilen Meeresküsten<br />

brüten? Einer Theorie zufolge rollen<br />

die kegelförmigen Eier dortnicht so<br />

leicht in den Abgrund. Tatsächlich<br />

rotieren die Eier eher wie Kreisel,<br />

wenn man sie anschubst.Abstürzen<br />

können sie aber trotzdem.<br />

nen Singvögel auf den ersten<br />

Blick in einer festen, monogamen<br />

Paar-Beziehung zu leben. Das<br />

hindert die Weibchen allerdings<br />

nicht daran,sich hinter dem Rückenihres<br />

Partners auchmit anderen<br />

Männcheneinzulassen.<br />

Neben dem in der Beziehung<br />

gezeugtenNachwuchs liegen daher<br />

immer wieder auch die Eier<br />

fremder Väter im Nest. „Unsere<br />

Ergebnisse könnten erklären,<br />

warum solche Kuckuckskinder<br />

sich oft besser entwickeln als ihre<br />

Halbgeschwister“, sagt Bart<br />

Kempenaers. „Sie schlüpfen<br />

nämlich typischerweise aus den<br />

erstenEierneines Geleges.“<br />

Vielleicht liegt das ja daran,<br />

dassdie Weibchen nicht mehr so<br />

viel Interesse am Fremdgehen<br />

zeigen, wenn sie erst einmal mit<br />

der Eiablage angefangen haben.<br />

Bei anderen Arten scheinen<br />

die Weibchen ihre Investitionsbereitschaft<br />

allerdings nicht<br />

nur von der Lege-Reihenfolge,<br />

sondern auch von der Attraktivität<br />

des jeweiligen Vaters abhängig<br />

zu machen.<br />

So hat ein Team um Adeline<br />

Loyau vom französischen Forschungsinstitut<br />

Ecolab in Toulouse<br />

festgestellt, dass Pfauenweibchen<br />

bei ihren Partnern<br />

Wert auf prächtige Schwanzfedern<br />

legen, die sich zu einem<br />

eindrucksvollen Rad mit vielen<br />

leuchtenden „Augen“ auffächern<br />

lassen.<br />

Hennen, die sich mit einem<br />

solchen Männchen gepaart hatten,<br />

legten größere Eier mit höheren<br />

Konzentrationen des<br />

männlichen GeschlechtshormonsTestosteron.<br />

Daraus schlüpften dann Küken<br />

mit dem sprichwörtlichen goldenenLöffelimSchnabel:Sie<br />

entwickelten<br />

sich besser, wuchsen<br />

schneller und waren<br />

mobiler als der<br />

Nachwuchs<br />

von weniger eindrucksvollen Vätern.<br />

Sogar die Weichen zu eigener<br />

Attraktivität und einem hohen<br />

sozialen Rang waren durch die<br />

mütterliche Investition bereits<br />

gestellt.<br />

Auch in diesem Fall scheint<br />

die Mutter aber nicht in der Lage<br />

zu sein, jedem einzelnen ihrer<br />

Eier einen so perfekten Start<br />

zu ermöglichen.<br />

„Die gesamte Energie, die ein<br />

Weibchen im Laufe seines Lebens<br />

geben kann, ist begrenzt“,<br />

erklärt Adeline Loyau, fügt hinzu:<br />

„Deshalb muss es sparsam<br />

sein, bis es einen großen Nutzen<br />

von seinem Aufwand erwarten<br />

kann.“<br />

Und dieser Hebel wird offenbar<br />

umgelegt, wenn der Pfauen-<br />

Casanova mit einem strahlenden<br />

Rad signalisiert, dass er bei<br />

bester Gesundheit<br />

ist und gute<br />

Gene zu vererben<br />

hat.<br />

Es gibt allerdings<br />

den umge-<br />

13 cm<br />

kehrten Fall, in<br />

dem sich Mütter<br />

besonders ins 12<br />

Zeug legen, um<br />

benachteiligte<br />

Küken doch 11<br />

noch in die Erfolgsspur<br />

zu<br />

bringen.<br />

Wissenschaftler<br />

von der Auburn<br />

University<br />

in den USA<br />

haben festgestellt,<br />

dass die<br />

Weibchen der<br />

nordamerikanischen<br />

Hausgimpel<br />

gerade in<br />

den von wenig<br />

begehrenswer-<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

ten Männchen<br />

befruchteten Eiern<br />

besonders<br />

viele männliche<br />

Geschlechtshormone<br />

deponieren.<br />

Noch mehr als unter einem<br />

unattraktiven Vater leiden die<br />

Überlebens- und Karrierechancen<br />

allerdings unter einer Paarung,<br />

bei der die Eltern zu eng<br />

verwandt sind. Das führt bei der<br />

nächsten Generation oft zu Erbkrankheiten,<br />

Entwicklungsstörungen<br />

und mangelnder Fitness.<br />

Doch sogar eine solche Inzuchtdepression<br />

können Vogelmütter<br />

durch ihre Investitionen<br />

ins Ei wettmachen, fanden Kate<br />

Ihle und ihre Kolleginnen von<br />

der Universität Zürich in einem<br />

Experiment mit Japanwachteln<br />

heraus. Von diesen Vögeln hatten<br />

die Forscherinnen gezielt<br />

diejenigen Weibchen weitergezüchtet,<br />

die im Verhältnis zu ihrer<br />

Körpergröße die größten<br />

und die kleinsten Eier legten.<br />

So entstand eine Vogellinie<br />

mit investitionsfreudigen und<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Blaustirn-<br />

Blatthühnchen<br />

Als perfekte Architekten können die<br />

Blaustirn-Blatthühnchen (Actophilornis<br />

africanus) wohl keinen Preis gewinnen.<br />

Diese afrikanischen Watvögel<br />

Leben in flachen Gewässern südlich<br />

Der Sahara. Dortbauen sie ziemlich<br />

wacklige schwimmende Nester,die<br />

oft mitsamt dem Gelege im Wasser<br />

versinken, wenn die Vögel darauf sitzen.<br />

Dank wasserabweisender Schalen<br />

schadet das den Eiern nicht.Die Eltern<br />

bringen sie einfach in ein neues Nest.<br />

Guira-Kuckuck<br />

Während andereMitglieder ihrer<br />

Verwandtschaft ihreEier in fremde<br />

Nester legen, übernehmen die südamerikanischen<br />

Guira-Kuckucke<br />

(Guiraguira) ihr Brutgeschäft noch<br />

selbst.Ein typisches Familienleben<br />

führen viele vonihnen trotzdem nicht.<br />

Vielmehr schließen sie sich während<br />

der Brutzeit zu Trupps zusammen,<br />

die typischerweise sechs bis acht<br />

Mitglieder haben. Die Weibchen legen<br />

ihreEier dann in ein Gemeinschaftsnest.<br />

0<br />

Emu<br />

Bei den australischen Emus (Dromaius<br />

novaehollandiae) ist das Ausbrüten der<br />

großen, dunkelgrünen Eier Männersache.<br />

Acht Wochen sitzt das Männchen dabei<br />

auf dem Gelege, ohne zu fressen und<br />

zu trinken. Es nimmt nur den Morgentau<br />

zu sich, den es vomNest aus erreichen<br />

kann und zehrtansonsten vonseinen<br />

Fettreserven. Etwa ein Drittel seines<br />

Körpergewichts kann es dabei verlieren.<br />

Und es steht nur etwazehnmal am Tag<br />

auf,umdie Eier zu wenden.

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