Berliner Kurier 21.04.2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
15<br />
eine zweite mit in dieser Hinsicht<br />
eher zurückhaltenden<br />
Müttern.<br />
Aus beiden haben die Wissenschaftlerinnen<br />
dann Weibchen<br />
mit ihren Geschwistern und andere<br />
mit nicht verwandten Partnern<br />
gepaart. Das Ergebnis war<br />
eindeutig: Hatte sich ein investitionsscheues<br />
Weibchen mit<br />
einem Verwandten eingelassen,<br />
schlüpften aus seinen kleinen,<br />
nährstoffarmen Eiern deutlich<br />
weniger Küken als normalerweise.<br />
Hatte das Weibchen dagegen<br />
viel in große, nährstoffreiche<br />
Eier investiert, gab es<br />
keinen solchen Effekt. Der<br />
Nachwuchs entwickelte sich<br />
trotz Inzucht genauso gut wie<br />
bei nicht verwandten Paaren.<br />
Die meisten Küken haben allerdings<br />
weniger mit der eigenen<br />
Genetik als mit gefräßigen<br />
Nesträubern zu kämpfen. Doch<br />
auch da kann ein mütterlicher<br />
Investitionsschub Leben retten.<br />
Judith Morales vom Museo Nacional<br />
de Ciencias Naturales-CSIC<br />
in Madrid<br />
und ihre Kollegen haben<br />
diesen Effekt in einer großen<br />
Kolonie Mittelmeermöwen auf<br />
der kleinen Insel Sálvora vor<br />
der spanischen Atlantikküste<br />
untersucht. Bevor die Weibchen<br />
dort ihre Eier legten,<br />
haben die Forscher sie entweder<br />
mit den ausgestopften Attrappen<br />
von gefräßigen Amerikanischen<br />
Minks oder mit denen<br />
von harmlosen Kaninchen<br />
konfrontiert.<br />
Dieser Unterschied machte<br />
sich später bemerkbar, als das<br />
Team den zwei Tage alten Küken<br />
die Alarmrufe erwachsener<br />
Artgenossen vom Band vorspielte.<br />
Der Nachwuchs von<br />
Müttern mit Raubtier-Erfahrung<br />
kauerte sich deutlich rascher<br />
zusammen und verharrte<br />
länger bewegungslos als andere<br />
Altersgenossen. Möglicherweise<br />
kommt dieses veränderte<br />
Verhalten durch eine hormonelle<br />
Botschaft der Mutter zustande.<br />
Jedenfalls deponierten<br />
Weibchen, die mit Feinden<br />
konfrontiert wurden, höhere<br />
Konzentrationen des Nebennierenrinden-Hormons<br />
Corticosteron<br />
im Ei.<br />
Allerdings galt das nur für das<br />
zweite Ei im Gelege. Das erste<br />
war möglicherweise nicht lange<br />
genug im Genitaltrakt gewesen,<br />
um die mütterliche Warnung<br />
aufzunehmen.<br />
Das dritte hat bei diesen Möwen<br />
normalerweise ohnehin<br />
schlechtere Entwicklungschancen,<br />
so dass die Mutter womöglich<br />
auf eine Investition in<br />
Raubtier-Prävention verzichtet.<br />
Ihrem zweiten Ei aber gibt<br />
sie offenbar Informationen mit,<br />
die das Verhalten des Kükens<br />
beeinflussen und sein Überleben<br />
in einer<br />
Welt<br />
voller<br />
Feinde sichern sollen. Vogelmütter<br />
scheinen ihr Förderprogramm<br />
also sogar auf die<br />
Herausforderungen abzustimmen,<br />
die ihren Nachwuchs<br />
nach dem Schlüpfen vermutlich<br />
erwarten werden.<br />
Ob es nun um Feinde geht<br />
oder um Infektionen, um ein<br />
knappes Nahrungsangebot oder<br />
schlechtes Wetter: Wenn die<br />
Umweltbedingungen einigermaßen<br />
vorhersehbar sind, können<br />
die Weibchen die Ei-Qualität<br />
entsprechend anpassen.<br />
Möglicherweise kann das einigen<br />
Arten sogarhelfen, auf Veränderungen<br />
wieden Klimawandel<br />
zu reagieren.<br />
Indizien dafür haben Naomi<br />
Langmore von der Australian<br />
National University in Canberra<br />
und ihre Kollegen bei Prachtstaffelschwänzen<br />
gefunden.<br />
Diese Singvögel leben im Südosten<br />
Australiens und auf Tasmanien<br />
und verdanken ihren<br />
Namen den strahlend blauen<br />
Federn, mit denen die Männchen<br />
zur Brutzeit ihr ansonsten<br />
schwarzes und graubraunes Gefieder<br />
aufpeppen.<br />
Zwar kann ein Paar seinen<br />
Nachwuchs durchaus allein<br />
aufziehen. Oft aber leben diese<br />
Vögel in kleinen Gruppen von<br />
bis zu fünf Artgenossen zusammen.<br />
Die Mitbewohner sind<br />
Eisvogel<br />
Die schillernd bunten Eisvögel<br />
(Alcedo atthis) sind geschickte<br />
Baumeister.Inmühseliger Arbeit<br />
graben sie mit demSchnabel eine<br />
meist 50 bis 80 Zentimeter lange<br />
BrutröhreineineSteilwand aus<br />
Lehm oder festem Sand. Idealerweise<br />
liegt diese direkt am Ufer<br />
eines Gewässers, das den Fischfressern<br />
genügend Nahrung bietet.<br />
In die Kammer am Ende der Röhre<br />
legt das Weibchen im April meist<br />
sechs bis sieben weiße, fast kugelrunde<br />
Eier.<br />
dann Männchen, die keine eigene<br />
Partnerin gefunden haben<br />
und daher ein Paar beim Brutgeschäft<br />
unterstützen.<br />
Ihre Aufgabe ist es, beim Füttern<br />
und der Aufzucht der Jungen<br />
zu helfen. Diese Unterstützung<br />
kann in einer wärmer werdenden<br />
Welt offenbar gravierende<br />
Vorteile haben. Denn<br />
Prachtstaffelschwänze brüten<br />
vom Frühjahr bis in den späten<br />
Sommer, wenn die Hitze mitunter<br />
unerträglich wird.<br />
„Wir hatten befürchtet, dass<br />
die für Australien erwarteten<br />
Temperatur-Extreme bei diesen<br />
Vögeln zu einer hohen Küken-Sterblichkeit<br />
oder schlechteren<br />
langfristigen Überlebenschancen<br />
führen könnten“, so<br />
Langmore. „Wir haben aber<br />
herausgefunden, dass sie auf eine<br />
erstaunliche Weise mit dieser<br />
Herausforderung umgehen.“<br />
Die Weibchen verändern<br />
nämlich die Größe ihrer Eier,<br />
um Klimaextreme abzupuffern.<br />
Ist es angenehm kühl, legen sie<br />
kleinere Eier. Daraus schlüpfen<br />
dann zwar auch kleinere Küken.<br />
Doch das Vogelpaar verlässt<br />
sich auf seine Helfer, um<br />
auch diese Zwerge zu voller<br />
Größe aufzupäppeln.<br />
Die so eingesparte Energie investieren<br />
die Vogelmütter,<br />
wenn wieder mal eine Hitzewelle<br />
über ihren Lebensraum<br />
hereinbricht und die Aussichten<br />
für ihren Nachwuchs deshalb<br />
besonders schlecht sind.<br />
„Da sie bei Hitze größere und<br />
nährstoffreichere Eier<br />
produzieren, schlüpfen dann<br />
auch größere Küken, die möglicherweise<br />
bessere Überlebenschancen<br />
haben“, erklärt die<br />
Forscherin. Weibchen ohne<br />
Helfer können die Größe ihrer<br />
Eier allerdings nicht entsprechend<br />
anpassen. Kooperatives<br />
Brüten könnte also eine Art<br />
Versicherung gegen Klimaextreme<br />
sein. Und es sind nicht nur<br />
die Prachtstaffelschwänze, die<br />
davon profitieren könnten.<br />
Lange hatten Biologen angenommen,<br />
dass es nur relativ wenige<br />
Vögel gibt, die für ihr Brutgeschäft<br />
Helfer rekrutieren. Inzwischen<br />
gehen Schätzungen<br />
davon aus, dass neun Prozent<br />
aller Vogelarten weltweit diesem<br />
Konzept etwas abgewinnen<br />
können. Vor allem in Australien<br />
und in Afrika südlich der<br />
Sahara, wo hohe Temperaturen<br />
für Vogeleltern zur echten Bewährungsprobe<br />
werden können,<br />
gibt es eine ganze Reihe<br />
von solchen Brutkooperativen.<br />
Und für die sieht Naomi Langmore<br />
einigermaßen optimistisch<br />
in die Zukunft: „Unsere<br />
Forschungsergebnisse könnten<br />
bedeuten, dass Tiere mit dieser<br />
Strategie vielleicht eine bessere<br />
Chance haben, mit dem Klimawandel<br />
klarzukommen.“<br />
Kerstin Viering<br />
Haushuhn<br />
Moderne Hühnerrassen legen ziemlich<br />
große Eier,die meist zwischen 50 und<br />
60 Gramm wiegen. Diese sind damit<br />
ungefähr doppelt so schwer wie die<br />
des Bankiva-Huhns, das in Süd- und<br />
Südostasien lebt und als Wildform<br />
des Haushuhns (Gallus gallus domesticus)<br />
gilt.Allerdings gibt es Hinweise<br />
darauf,dassdie Hennen leichtere<br />
Eier legen, wenn sie gestresst sind.<br />
Womöglich sollen dann kleinereKüken<br />
schlüpfen, die in schlechten Zeiten<br />
weniger Nahrung brauchen.<br />
Bienenelfe<br />
Dieser Kolibri (Mellisugahelenae),<br />
der nur auf Kuba und einer benachbarten<br />
Insel vorkommt,gilt als kleinster Vogel<br />
der Welt.Selbst die etwas größeren<br />
Weibchen bringen es gerade einmal auf<br />
sechs oder sieben Zentimeter Länge<br />
und ein Gewicht vonnicht einmal zwei<br />
Gramm. Entsprechend klein fällt auch<br />
ihr tassenförmiges Nest aus, das sie aus<br />
Moos, Rinde und Spinnweben bauen.<br />
Darin liegen zwei erbsengroße Eier.<br />
Großtinamu<br />
Bodenbrüter legen normalerweise gut<br />
getarnte Eier.Doch vondieser Strategie<br />
scheinen die Großtinamus (Tinamus<br />
major)inMittel- und Südamerika nichts<br />
zu halten. IhreGelege leuchten in einem<br />
auffälligen Türkis. Forscher vermuten,<br />
dassdie Farbe andereWeibchen anlockt,<br />
die dann ihren Teil zu einem großen<br />
Gemeinschaftsgelege beisteuern.<br />
Denn mit der Zahl der Eier steigt die<br />
Wahrscheinlichkeit,dasszumindest ein<br />
paar gefräßigen Dieben entgehen.