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Berliner Kurier 21.04.2019

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eine zweite mit in dieser Hinsicht<br />

eher zurückhaltenden<br />

Müttern.<br />

Aus beiden haben die Wissenschaftlerinnen<br />

dann Weibchen<br />

mit ihren Geschwistern und andere<br />

mit nicht verwandten Partnern<br />

gepaart. Das Ergebnis war<br />

eindeutig: Hatte sich ein investitionsscheues<br />

Weibchen mit<br />

einem Verwandten eingelassen,<br />

schlüpften aus seinen kleinen,<br />

nährstoffarmen Eiern deutlich<br />

weniger Küken als normalerweise.<br />

Hatte das Weibchen dagegen<br />

viel in große, nährstoffreiche<br />

Eier investiert, gab es<br />

keinen solchen Effekt. Der<br />

Nachwuchs entwickelte sich<br />

trotz Inzucht genauso gut wie<br />

bei nicht verwandten Paaren.<br />

Die meisten Küken haben allerdings<br />

weniger mit der eigenen<br />

Genetik als mit gefräßigen<br />

Nesträubern zu kämpfen. Doch<br />

auch da kann ein mütterlicher<br />

Investitionsschub Leben retten.<br />

Judith Morales vom Museo Nacional<br />

de Ciencias Naturales-CSIC<br />

in Madrid<br />

und ihre Kollegen haben<br />

diesen Effekt in einer großen<br />

Kolonie Mittelmeermöwen auf<br />

der kleinen Insel Sálvora vor<br />

der spanischen Atlantikküste<br />

untersucht. Bevor die Weibchen<br />

dort ihre Eier legten,<br />

haben die Forscher sie entweder<br />

mit den ausgestopften Attrappen<br />

von gefräßigen Amerikanischen<br />

Minks oder mit denen<br />

von harmlosen Kaninchen<br />

konfrontiert.<br />

Dieser Unterschied machte<br />

sich später bemerkbar, als das<br />

Team den zwei Tage alten Küken<br />

die Alarmrufe erwachsener<br />

Artgenossen vom Band vorspielte.<br />

Der Nachwuchs von<br />

Müttern mit Raubtier-Erfahrung<br />

kauerte sich deutlich rascher<br />

zusammen und verharrte<br />

länger bewegungslos als andere<br />

Altersgenossen. Möglicherweise<br />

kommt dieses veränderte<br />

Verhalten durch eine hormonelle<br />

Botschaft der Mutter zustande.<br />

Jedenfalls deponierten<br />

Weibchen, die mit Feinden<br />

konfrontiert wurden, höhere<br />

Konzentrationen des Nebennierenrinden-Hormons<br />

Corticosteron<br />

im Ei.<br />

Allerdings galt das nur für das<br />

zweite Ei im Gelege. Das erste<br />

war möglicherweise nicht lange<br />

genug im Genitaltrakt gewesen,<br />

um die mütterliche Warnung<br />

aufzunehmen.<br />

Das dritte hat bei diesen Möwen<br />

normalerweise ohnehin<br />

schlechtere Entwicklungschancen,<br />

so dass die Mutter womöglich<br />

auf eine Investition in<br />

Raubtier-Prävention verzichtet.<br />

Ihrem zweiten Ei aber gibt<br />

sie offenbar Informationen mit,<br />

die das Verhalten des Kükens<br />

beeinflussen und sein Überleben<br />

in einer<br />

Welt<br />

voller<br />

Feinde sichern sollen. Vogelmütter<br />

scheinen ihr Förderprogramm<br />

also sogar auf die<br />

Herausforderungen abzustimmen,<br />

die ihren Nachwuchs<br />

nach dem Schlüpfen vermutlich<br />

erwarten werden.<br />

Ob es nun um Feinde geht<br />

oder um Infektionen, um ein<br />

knappes Nahrungsangebot oder<br />

schlechtes Wetter: Wenn die<br />

Umweltbedingungen einigermaßen<br />

vorhersehbar sind, können<br />

die Weibchen die Ei-Qualität<br />

entsprechend anpassen.<br />

Möglicherweise kann das einigen<br />

Arten sogarhelfen, auf Veränderungen<br />

wieden Klimawandel<br />

zu reagieren.<br />

Indizien dafür haben Naomi<br />

Langmore von der Australian<br />

National University in Canberra<br />

und ihre Kollegen bei Prachtstaffelschwänzen<br />

gefunden.<br />

Diese Singvögel leben im Südosten<br />

Australiens und auf Tasmanien<br />

und verdanken ihren<br />

Namen den strahlend blauen<br />

Federn, mit denen die Männchen<br />

zur Brutzeit ihr ansonsten<br />

schwarzes und graubraunes Gefieder<br />

aufpeppen.<br />

Zwar kann ein Paar seinen<br />

Nachwuchs durchaus allein<br />

aufziehen. Oft aber leben diese<br />

Vögel in kleinen Gruppen von<br />

bis zu fünf Artgenossen zusammen.<br />

Die Mitbewohner sind<br />

Eisvogel<br />

Die schillernd bunten Eisvögel<br />

(Alcedo atthis) sind geschickte<br />

Baumeister.Inmühseliger Arbeit<br />

graben sie mit demSchnabel eine<br />

meist 50 bis 80 Zentimeter lange<br />

BrutröhreineineSteilwand aus<br />

Lehm oder festem Sand. Idealerweise<br />

liegt diese direkt am Ufer<br />

eines Gewässers, das den Fischfressern<br />

genügend Nahrung bietet.<br />

In die Kammer am Ende der Röhre<br />

legt das Weibchen im April meist<br />

sechs bis sieben weiße, fast kugelrunde<br />

Eier.<br />

dann Männchen, die keine eigene<br />

Partnerin gefunden haben<br />

und daher ein Paar beim Brutgeschäft<br />

unterstützen.<br />

Ihre Aufgabe ist es, beim Füttern<br />

und der Aufzucht der Jungen<br />

zu helfen. Diese Unterstützung<br />

kann in einer wärmer werdenden<br />

Welt offenbar gravierende<br />

Vorteile haben. Denn<br />

Prachtstaffelschwänze brüten<br />

vom Frühjahr bis in den späten<br />

Sommer, wenn die Hitze mitunter<br />

unerträglich wird.<br />

„Wir hatten befürchtet, dass<br />

die für Australien erwarteten<br />

Temperatur-Extreme bei diesen<br />

Vögeln zu einer hohen Küken-Sterblichkeit<br />

oder schlechteren<br />

langfristigen Überlebenschancen<br />

führen könnten“, so<br />

Langmore. „Wir haben aber<br />

herausgefunden, dass sie auf eine<br />

erstaunliche Weise mit dieser<br />

Herausforderung umgehen.“<br />

Die Weibchen verändern<br />

nämlich die Größe ihrer Eier,<br />

um Klimaextreme abzupuffern.<br />

Ist es angenehm kühl, legen sie<br />

kleinere Eier. Daraus schlüpfen<br />

dann zwar auch kleinere Küken.<br />

Doch das Vogelpaar verlässt<br />

sich auf seine Helfer, um<br />

auch diese Zwerge zu voller<br />

Größe aufzupäppeln.<br />

Die so eingesparte Energie investieren<br />

die Vogelmütter,<br />

wenn wieder mal eine Hitzewelle<br />

über ihren Lebensraum<br />

hereinbricht und die Aussichten<br />

für ihren Nachwuchs deshalb<br />

besonders schlecht sind.<br />

„Da sie bei Hitze größere und<br />

nährstoffreichere Eier<br />

produzieren, schlüpfen dann<br />

auch größere Küken, die möglicherweise<br />

bessere Überlebenschancen<br />

haben“, erklärt die<br />

Forscherin. Weibchen ohne<br />

Helfer können die Größe ihrer<br />

Eier allerdings nicht entsprechend<br />

anpassen. Kooperatives<br />

Brüten könnte also eine Art<br />

Versicherung gegen Klimaextreme<br />

sein. Und es sind nicht nur<br />

die Prachtstaffelschwänze, die<br />

davon profitieren könnten.<br />

Lange hatten Biologen angenommen,<br />

dass es nur relativ wenige<br />

Vögel gibt, die für ihr Brutgeschäft<br />

Helfer rekrutieren. Inzwischen<br />

gehen Schätzungen<br />

davon aus, dass neun Prozent<br />

aller Vogelarten weltweit diesem<br />

Konzept etwas abgewinnen<br />

können. Vor allem in Australien<br />

und in Afrika südlich der<br />

Sahara, wo hohe Temperaturen<br />

für Vogeleltern zur echten Bewährungsprobe<br />

werden können,<br />

gibt es eine ganze Reihe<br />

von solchen Brutkooperativen.<br />

Und für die sieht Naomi Langmore<br />

einigermaßen optimistisch<br />

in die Zukunft: „Unsere<br />

Forschungsergebnisse könnten<br />

bedeuten, dass Tiere mit dieser<br />

Strategie vielleicht eine bessere<br />

Chance haben, mit dem Klimawandel<br />

klarzukommen.“<br />

Kerstin Viering<br />

Haushuhn<br />

Moderne Hühnerrassen legen ziemlich<br />

große Eier,die meist zwischen 50 und<br />

60 Gramm wiegen. Diese sind damit<br />

ungefähr doppelt so schwer wie die<br />

des Bankiva-Huhns, das in Süd- und<br />

Südostasien lebt und als Wildform<br />

des Haushuhns (Gallus gallus domesticus)<br />

gilt.Allerdings gibt es Hinweise<br />

darauf,dassdie Hennen leichtere<br />

Eier legen, wenn sie gestresst sind.<br />

Womöglich sollen dann kleinereKüken<br />

schlüpfen, die in schlechten Zeiten<br />

weniger Nahrung brauchen.<br />

Bienenelfe<br />

Dieser Kolibri (Mellisugahelenae),<br />

der nur auf Kuba und einer benachbarten<br />

Insel vorkommt,gilt als kleinster Vogel<br />

der Welt.Selbst die etwas größeren<br />

Weibchen bringen es gerade einmal auf<br />

sechs oder sieben Zentimeter Länge<br />

und ein Gewicht vonnicht einmal zwei<br />

Gramm. Entsprechend klein fällt auch<br />

ihr tassenförmiges Nest aus, das sie aus<br />

Moos, Rinde und Spinnweben bauen.<br />

Darin liegen zwei erbsengroße Eier.<br />

Großtinamu<br />

Bodenbrüter legen normalerweise gut<br />

getarnte Eier.Doch vondieser Strategie<br />

scheinen die Großtinamus (Tinamus<br />

major)inMittel- und Südamerika nichts<br />

zu halten. IhreGelege leuchten in einem<br />

auffälligen Türkis. Forscher vermuten,<br />

dassdie Farbe andereWeibchen anlockt,<br />

die dann ihren Teil zu einem großen<br />

Gemeinschaftsgelege beisteuern.<br />

Denn mit der Zahl der Eier steigt die<br />

Wahrscheinlichkeit,dasszumindest ein<br />

paar gefräßigen Dieben entgehen.

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