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VNW-Magazin - Ausgabe 2/2019

Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.

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49<br />

Hamburg. Majestätisch ragt die markante,<br />

an einen Schiffsbug erinnernde Spitze<br />

des zehnstöckigen Kontorhauses in den<br />

Himmel. Seine Fassade besteht aus fast<br />

fünf Millionen Klinker- und Backsteinen,<br />

die zum Teil Ornamente und Muster ergeben.<br />

Innen beeindrucken gewundene<br />

Treppenhäuser und prächtige Mahagonitüren.<br />

Kein Wunder, dass das 1922 bis<br />

1924 von Fritz Höger errichtete Chilehaus<br />

von Anfang an als Ikone der Architektur<br />

gefeiert wurde. Heute gilt es als beispielhaft<br />

für den Backstein-Expressionismus –<br />

eine eigenständige Spielart der Moderne<br />

aus der ersten Zeit der Bauhaus-Phase in<br />

Weimar.<br />

Die Stadt Hamburg hat das Chilehaus<br />

daher als Werbegesicht für ihre Teilnahme<br />

an den Feierlichkeiten zum Bauhaus-Jahr<br />

<strong>2019</strong> erkoren. Nichts Neues für das Gebäude:<br />

Bereits 1925 galt es als Werbe-<br />

Ikone, sogar für ganz Deutschland. Das<br />

beweist zum Beispiel eine Grafik aus dem<br />

Jahr 1925, mit der die Touristeninformationszentrale<br />

an der Fifth Avenue in New<br />

York für „Germany“ warb.<br />

Mehr als 100 Objekte in Hamburg<br />

Eine DIN A4-Kopie dieses Posters hat<br />

Annette Niethammer in einem Ordner<br />

abgeheftet, zwischen vielen Aufnahmen<br />

und Beschreibungen weiterer Hamburger<br />

Gebäude, die der klassischen modernen<br />

Architektur zugeordnet werden können.<br />

Etwa 150 Objekte umfasst die Datenbank,<br />

die die Bauhaus-affine Hamburger<br />

Architektin in den vergangenen drei Jahren<br />

in Eigeninitiative durch umfassende<br />

Recherchen und Nachforschungen zusammengestellt<br />

hat. Dass es so viele werden,<br />

hatte sie anfangs gar nicht erwartet.<br />

„Der Großteil der Hamburger Architektur<br />

aus den 1920er-Jahren – etwa von<br />

Fritz Schumacher und den Gebrüdern<br />

Gerson – ist zwar sachlich, aber nur moderat<br />

modern. Dass es eine mindestens<br />

ebenso große Baumasse mit Charakteristika<br />

der klassischen Moderne gibt, hat mich<br />

überrascht“, sagt die 49-Jährige, die seit<br />

2003 in der Hansestadt lebt.<br />

Für die Bauhaus-Epoche interessiert sie<br />

sich seit dem Studium, in dem sie sich auch<br />

mit Architekturgeschichte beschäftigt hat.<br />

„Am Ende der Gründerzeit herrschte Stilpluralismus.<br />

Für ein Rathaus etwa wählte<br />

man Neogotik, für ein Gerichtsgebäude<br />

Neoklassizismus.“ Die Bauhaus-Gründer<br />

hätten erstmals ein ganz anderes Ziel gehabt.<br />

„Sie wollten Kunst, Handwerk und<br />

Industrie zusammenbringen und Material<br />

und Konstruktion zeigen.“ Während ihr<br />

Fokus in der ersten Phase des Bauhauses<br />

auf Handwerk und Kunst gelegen habe,<br />

hätten in der zweiten Phase industrielles<br />

Bauen und sachliche Formen eine größere<br />

Rolle gespielt.<br />

Anlässlich des Bauhaus-Jahres hat<br />

Annette Niethammer den Chatbot „Hamburg<br />

modern” entwickelt: eine App, die<br />

ihre Nutzer zu den wichtigsten Gebäuden<br />

der klassischen Moderne führen soll. „Es<br />

geht mir darum, das kulturelle Erbe auch<br />

digital zu verbreiten“, sagt sie. Das Projekt<br />

ist fast abgeschlossen und geht demnächst<br />

an den Start – in Kooperation mit<br />

dem Verein Architektursommer, der in diesem<br />

Jahr das Bauhaus-Jubiläum aufgreift<br />

und dazu viele Veranstaltungen organisiert<br />

hat. Annette Niethammer wird sich<br />

auch mit einem Vortrag daran beteiligen<br />

(„Hamburg modern”, 23. Mai, 18 Uhr,<br />

Museum für Hamburgische Geschichte).<br />

Bestimmte Merkmale zeigen<br />

Bauhaus-Einfluss<br />

Kann man auch ohne ihren digitalen<br />

Stadtführer erkennen, ob das Bauhaus auf<br />

die Architektur eines Gebäudes Einfluss<br />

genommen hat? Ja, sagt die Expertin, da<br />

gebe es bestimmte Merkmale. Dazu gehören<br />

etwa durch Putz oder Simse ausgestaltete<br />

Fensterbänder, die die Horizontalität<br />

betonten, flexible Grundrisse und flache<br />

Dächer sowie Materialien wie Glas, Stahl<br />

und Beton. Sie demonstriert das auf einer<br />

Exkursion rund um die Alster (und einem<br />

Abstecher an die Elbe). An beispielhaft<br />

elf Gebäuden erklärt sie uns den Einfluss<br />

von Bauhaus-Stars wie Walter Gropius,<br />

Ludwig Mies van der Rohe oder auch<br />

einem Le Corbusier aus Frankreich.<br />

Unsere Tour beginnt beim Chilehaus,<br />

das Kaufmann Henry Brarens Sloman, der<br />

in Chile durch den Salpeterhandel reich<br />

geworden war, als „Geschenk“ an seine<br />

Heimatstadt errichten ließ. „An seiner<br />

Architektur lässt sich gut erkennen, dass<br />

in der ersten Phase, als sich das Bauhaus<br />

noch in Weimar befand, das Handwerk<br />

im Vordergrund stand“, sagt Annette<br />

Niethammer und weist auf die dunklen,<br />

bewusst unvollkommenen Klinker.<br />

„Die Reliefs und Muster, in denen sie<br />

verlegt wurden, erhöhen sich durch die<br />

Kombination mit den keramischen Reliefs<br />

von Richard Kuöhl zu einem expressionistischen<br />

Gesamtkunstwerk.” Zudem<br />

sei der Bau ein Symbol der Stärke in der<br />

schwierigen Inflationszeit der jungen<br />

Weimarer Republik gewesen, sagt die<br />

Architektin. Viele Arbeiter, aber auch<br />

später berühmte Hamburger Architekten<br />

wie Karl Schneider oder Friedrich Dyrssen<br />

hätten durch diesen Großauftrag eine<br />

Anstellung gefunden.<br />

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