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22 Mehr als „nur“ Prag<br />
Markt- und Parkplatz von Litomerice<br />
Katakombenwelt in Litomerice<br />
Ich frage mutig mit einem breiten Lächeln<br />
die zerzauste Chefin an der betagten<br />
Kasse. Ich verstehe kein Wort, sie jedoch<br />
versteht zum Glück „Kaffee“. Ich solle<br />
mich draußen hinsetzen, gestikuliert sie<br />
und schickt die Adjutantin in den Hinterraum.<br />
Keine 5 Minuten später stehen 2<br />
Becher Kaffee auf dem Tisch. Die Adjutantin<br />
ist nicht begeistert. Sie redet ernst, wir<br />
verstehen kein Wort. Sie kommt wieder<br />
mit Zucker und Milch. Diesmal guckt sie<br />
nur grimmig. Ich lächle sie unterwürfig<br />
an und bedanke mich überschwänglich.<br />
Später setzt sie sich daneben und raucht<br />
mit uns eine. Sprachlos. Immerhin! Ich<br />
fühle mich angekommen. Das, genau<br />
das sind die Dörfer, wo ich hinwollte. Ich<br />
bin begeistert. Meine Frau weniger. Es<br />
ist also Zeit weiter zu fahren. Wir wollen<br />
heute noch den Ještěd erklimmen, den<br />
Hausberg von Liberec bevor wir Jičín<br />
erreichen.<br />
Wir verlassen die 25861, machen einen<br />
kurzen Schlenker Richtung Süden auf der<br />
9, nur, um sie ein paar Kilometer später<br />
zugunsten der 26844 Richtung Osten<br />
wieder zu verlassen.<br />
In Mařenice kommt gleich Freilichtmuseumsfeeling<br />
auf. Viele der Holzhäuser,<br />
die hier die Hauptstraße säumen,<br />
haben prächtige Farben und geschnitzte<br />
Verzierungen. Ein verträumtes Dorf, in<br />
Wald getaucht. Ich würde mich nicht wundern,<br />
wenn Fabelwesen jetzt die Straße<br />
überquerten. In einem der Blockhäuser<br />
erblicken wir eine Art Schnellrestaurant<br />
auf tschechisch und machen Halt. Am<br />
Küchenfenster wird das Essen auf die<br />
Faust serviert. Davor ein Holztisch mit<br />
Getränken zur Selbstbedienung und Holzsitzbänke.<br />
Spartanisch, ehrlich. Ich liebe<br />
es. Die Brokkolisuppe der tschechischen<br />
Signora kostet 80 Cent und ist mit das<br />
Leckerste, was uns auf der Reise aufgetischt<br />
wird. Ein Gedicht.<br />
Weiter geht es Richtung Südosten auf<br />
die 2784. Von hier aus geht es kilometerweit<br />
kurvenreich zum Ještěd auf 1012<br />
Meter hinauf. Es ist also wieder an der<br />
Zeit richtig Motorrad zu fahren. Es macht<br />
Spaß und es klappt ganz gut, bis auf die<br />
letzten paar hundert Meter. Dort reduziert<br />
sich die Straße auf eine Breite von gut<br />
2 Meter und klettert weiter hinauf zum<br />
Gipfel. Rechts die Felswand, links eine<br />
winzige Steinmauer als Schutz zur Klippe.<br />
Ich suche den ersten Gang und fahre<br />
im Slalom durch die Wanderer bis zum<br />
kleinen Parkplatz auf der Bergspitze. Dort<br />
stelle ich die GS in einer Ecke ab, merke,<br />
dass mich die Aktion mit dem Fahren,<br />
voll beladen neben der Klippe, Schweiß<br />
gekostet hat und realisiere, wieso meine<br />
Frau über Funk nicht mehr zu hören war.<br />
Sie hat Höhenangst. Zehn Minuten später<br />
liebt sie mich aber wieder.