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Kradblatt Ausgabe Juni 2019

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24 Unterwegs in Europa<br />

Die Landschaft ist hier teilweise sehr<br />

karg. Wir fahren an mehreren alten und<br />

verlassenen Fabrikgebäuden vorbei, die<br />

Geschichten von besseren Zeiten dieser<br />

Gegend zu erzählen scheinen. In Petzer<br />

angekommen, bei nur 1000 Metern Höhe,<br />

endet die Straße in einem riesigen Parkplatz.<br />

Wir stellen fest, dass die im Navi<br />

und auf der Karte gezeichneten Straßen<br />

zur Schneekoppe nur zu Fuß oder mit<br />

Sondergenehmigung befahrbar sind.<br />

Alternativ kann man auch mit dem Lift<br />

nach ganz oben fahren, wie es gerade<br />

Hunderte tun. Wir sind enttäuscht. Petzer<br />

hat an sich auch nichts Schönes. Es ist<br />

ausgestattet für die Durchgangstouristen<br />

die nach oben wollen. Nach einem Kaffee<br />

fahren wir weiter.<br />

Auf dem Weg nach Litomyšl fahren<br />

wir auf die 301 und später auf die 303<br />

durch das Adršpacher Gebirge entlang<br />

der Grenze zu Polen. Die Gegend ist<br />

hier auch hügelig, dicht bewaldet und<br />

mit beeindruckenden Felsformationen<br />

bestückt. In Adršpach, Hauptort der<br />

Gegend, halten wir an. Ein typisch mit<br />

Pastellfarben bunt gemalertes Holzhaus<br />

Beeindruckende Kulisse in<br />

der Felsenstadt Hřensko.<br />

Auf dem Weg in die<br />

Böhmische Schweiz.<br />

beherbergt ein kleines Café. Weit und<br />

breit sonst absolute Stille. Wir werden<br />

von jungem Personal empfangen, das<br />

gut englisch spricht. Grund genug, um<br />

zu fragen, wieso hier nichts los ist. Die<br />

Kellnerin Tereza zeigt auf eine steinerne<br />

Statue im Garten und auf die Kletterseile,<br />

die daran hängen. Diese sei eine Art Heilige<br />

für die Kletterer, die sich damit bei<br />

ihr bedanken, wenn sie eine gefährliche<br />

Felswand erklommen haben. Drinnen<br />

sitzt noch eine Kletter-Gruppe kurz vor<br />

dem Aufbruch. Früh morgens und abends<br />

sei hier was los, erzählt Tereza. Dies sei<br />

ein Eldorado für Kletterer, gut bekannt in<br />

der Szene. Die Kletterer seien die meiste<br />

Zeit eben klettern. Tatsächlich höre ich<br />

zum ersten mal hier spanisch, englisch,<br />

französisch und italienisch. Ein paar Jungs<br />

zeigen mir ihren alten umgebauten Bully<br />

auf dem Hinterhof, wochenlang bewohnbar<br />

mit Frau und Kind bei Bedarf, erzählen<br />

sie mir stolz. Ich höre und schaue mit<br />

großen Augen zu. Ihre Fröhlichkeit und<br />

ihre Begeisterung für ihr Hobby beeindrucken<br />

mich.<br />

Ich spiele am ESA meiner GS rum,<br />

stelle alles auf<br />

hoch und fest<br />

und stürze mich<br />

die 303 hinunter,<br />

um dann auf die<br />

304 Richtung<br />

Süden zu wechseln.<br />

So geht<br />

es besser. Das<br />

Nachwackeln<br />

der Masse auf<br />

der Rücksitzbank<br />

werde ich<br />

allerdings bis<br />

Ende der Reise<br />

nicht ganz ausmerzen<br />

können. Ich behalte dies für mich<br />

und schalte in den Kurven auf Konzentration<br />

oder eben einen Gang zurück.<br />

Kurz vor Litomyšl in der Mittagshitze<br />

eine kleine Tankstelle mit Kassenhäuschen<br />

und überdachter Sitzbank. Wir sind<br />

die Einzigen hier. Es dauert eine Weile, bis<br />

das erste Auto anhält. Ein wasserblaufarbener<br />

Trabbi, mit Anhängerkupplung<br />

natürlich. Der kräftige Fahrer in den<br />

Fünfzigern kümmert sich persönlich mit<br />

selbst mitgebrachtem Öl um die Zweitaktmischung,<br />

während die ältere zierliche<br />

Beifahrerin sich für uns interessiert. Wir<br />

nicken respektvoll zurück. Aneta kommt<br />

zu uns. Sie spricht ein bisschen Deutsch.<br />

Gut, findet sie, was wir jungen Menschen<br />

machen. Mann und Frau schön mit dem<br />

Motorrad auf Reise. Früher habe sie mit<br />

ihrem Mann auch so was gemacht. Mit<br />

dem Trabbi. Der Mann sei seit Jahren<br />

nicht mehr da, sagt Aneta mit glänzenden<br />

Augen. Aber das Auto, das Auto habe sie<br />

behalten. „Mein Sohn bringt mich damit<br />

zu meinen Enkelkindern.“ Dabei erstrahlt<br />

ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht.<br />

Litomyšl ist eine der schönsten Städte

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