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POLITIK<br />
Der Staat als<br />
Hilfskoch<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Christian<br />
Burmeister<br />
Die Bluttaten an einem<br />
Achtjährigen im FrankfurterHauptbahnhof<br />
undan<br />
einem 36-JährigeninStuttgartwerfen<br />
Fragen auf:Nicht<br />
darüber, ob „die Ausländer“<br />
unsere Sicherheit gefährden,<br />
sondern, ob der Staatseiner<br />
Verantwortung ausreichend<br />
nachkommt. Man reibt sich<br />
schon verwundert die Augen:<br />
Horst Seehoferwillnach den<br />
Taten nun verstärkte Kontrollenander<br />
EU-Grenzezur<br />
Schweizeinführen. Warum<br />
erstjetzt?Und was ist mit<br />
einem besseren Datenaustausch?<br />
Ebensoder Stuttgarter<br />
Fall: Keine24Stunden<br />
nachder Tat gibt es –offensichtlichaus<br />
Polizei undBehördengestreute<br />
–Zweifel,<br />
ob sich der Täter nicht mit<br />
falscher Identität im Land<br />
aufgehaltenhat. Sollte sich<br />
das alswahr herausstellen:<br />
Wieso spieltdieserSchwindel<br />
jahrelang keineRolle, kommt<br />
nach der Tat aber in Stundenfrist<br />
an dieOberfläche?Dass<br />
der Tätervorhermehrfach<br />
„polizeilich aufgefallen“ war,<br />
macht die Sache nicht besser.<br />
Solange der Staatden Eindruck<br />
von Nachlässigkeiten<br />
und Naivität nicht vermeidet,<br />
macht er es derAfD leicht, ihr<br />
unappetitliches Süppchenzu<br />
kochen. Er fungiert unfreiwillig<br />
alsihr Hilfskoch.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Ursula von der Leyen<br />
Ursula von der Leyen (60),<br />
designierte EU-Kommissionspräsidentin,<br />
hat Italien Entlastung<br />
bei der Migration versprochen.<br />
„Ich schlage<br />
einen neuen<br />
Migrationspakt<br />
vor<br />
und einen<br />
neuen, frischen<br />
Start<br />
bei der Migration“,<br />
sagte die<br />
deutsche<br />
Politikerin bei einem Treffen<br />
mit Ministerpräsident Giuseppe<br />
Conte am Freitag in<br />
Rom. Bei der Verteilung von<br />
Flüchtlingen innerhalb der<br />
EU sei „eine neue Art der Lastenverteilung“<br />
notwendig.<br />
Foto: Domenico Stinellis/dpa<br />
Foto: Imago Images/United Archives International<br />
Europa zittertwieder<br />
vorneuen Atomraketen<br />
Russland und die USAstehen vor einer neuenEiszeit,weil Moskau den Westen militärischprovoziert<br />
Berlin – Der für Europa wichtigste<br />
Abrüstungsvertrag<br />
des Kalten Krieges ist seit<br />
Freitag Geschichte. Der<br />
INF-Vertrag von 1987 sah<br />
das Verbot von konventionellen<br />
oder atomaren Mittelstreckenraketen<br />
in Europa<br />
vor. Droht nun ein neues<br />
Wettrüsten auf unserem<br />
Kontinent?<br />
Foto: Shutterstock<br />
Strittig ist, warum der Vertrag<br />
gekündigt wurde. US-Präsident<br />
Donald Trump hatte lange<br />
gedroht und den Vertrag<br />
zwischen Washington und<br />
Moskau Anfang Februar gekündigt.<br />
Allerdings hatte<br />
Trump dabei die Rückendeckung<br />
der Nato-Partner, inklusive<br />
der Bundesregierung. Das<br />
Bündnis wirft Russland vor,<br />
Warenseit1987inEuropa<br />
verboten: Nukleare<br />
Mittelstreckenraketen.<br />
Bild aus besseren Tagen: Ronald Reagan (r.) und Michail Gorbatschow<br />
unterzeichnen im Sommer 1987 den INF-Abrüstungsvertrag.<br />
den Vertrag gebrochen zu haben.<br />
Konkret geht es um die<br />
Stationierung von 60 Raketen<br />
des Typs 9M729.<br />
▶ Wie reagiert Russland?<br />
Die Nato unterstellt Moskau,<br />
die Raketen hätten eine Reichweite<br />
von 2000 Kilometern.<br />
Das wäre laut INF-Vertrag<br />
verboten. Der Kreml behauptet,<br />
sie hätten nur eine Reichweite<br />
von erlaubten 480 Kilometern.<br />
Russland wirft den<br />
USA mit der Stationierung von<br />
Raketen in Rumänien seinerseits<br />
eine Vertragsverletzung<br />
vor.<br />
▶ Droht nun ein neues Wettrüsten?<br />
Nato-Generalsekretär<br />
Jens Stoltenberg hält die Stationierung<br />
von landgestützten<br />
atomaren Mittelstreckenwaffen<br />
in Europa momentan für<br />
„keine Option“. Man müsse das<br />
russische Verhalten nicht spiegeln,<br />
um weiter eine glaubwürdige<br />
Abschreckung und Verteidigung<br />
zu gewährleisten.<br />
„Allerdings werden wir uns<br />
unsere Raketenabwehr und<br />
unsere konventionellenFähigkeiten<br />
ansehen“, so Stoltenberg.<br />
Die USA entwickeln gerade<br />
neue Mittelstreckenraketen<br />
–aber vor allem mit Blick<br />
auf China. Experten warnen<br />
vor einer zu weit reichenden<br />
Verzichtserklärung zur Rüstung<br />
in Europa: „Nur auf<br />
Diplomatie zu setzen und<br />
bestimmte militärische<br />
Gegenmaßnahmen<br />
auszuschließen<br />
schwächt Europas<br />
Verteidigung und<br />
erhöht die Optionen<br />
Russlands“,<br />
schrieb Christian<br />
Mölling von<br />
der Deutschen<br />
Gesellschaft<br />
für Auswärtige<br />
Politik kürzlich.<br />
▶ Spaltet<br />
das Vertragsende<br />
die Nato?<br />
„Es besteht<br />
die<br />
Gefahr,<br />
dass die Sicherheit Europas<br />
von der der USA abgekoppelt<br />
wird“,sagte Mölling. Denndie<br />
russischen Raketen, die sich<br />
theoretisch auch atomar bestücken<br />
lassen, können mit<br />
2000 Kilometer Reichweite<br />
fast jede europäische Hauptstadt<br />
erreichen–aber nicht die<br />
USA. „Das wirft die Frage auf,<br />
ob Washington im Fall einer<br />
auf Europa begrenzten Krise<br />
solidarisch sein wird, wenn<br />
dies bedeuten<br />
würde, einen nuklearen<br />
Gegenschlag<br />
durchzuführen“,<br />
so Mölling.<br />
▶ Wie reagiert<br />
Berlin? Außenminister<br />
Heiko Maas<br />
(SPD) erklärte, es<br />
müsse nun gelingen,<br />
„Regeln zur Abrüstung<br />
und Rüstungskontrolle<br />
zu vereinbaren, umeinen<br />
neuen Wettlauf um Atomwaffen<br />
zu verhindern“. Die<br />
INF-Debatte habe schon Präsident<br />
Barack Obama geführt.<br />
„Es ist also kein Donald-<br />
Trump-Thema.“<br />
▶ Wie geht es jetzt weiter?<br />
Beide Seiten entwickeln laufendneue<br />
Waffensysteme.Die<br />
Atmosphäre für Abrüstungsgespräche<br />
scheint durch das<br />
Vertragsende schwer belastet.<br />
Und bis 2021 muss der „New<br />
Start“-Vertragzur Begrenzung<br />
strategischer Atomwaffen erneuertwerden.