04.08.2019 Aufrufe

Berliner Kurier 03.08.2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

POLITIK<br />

Der Staat als<br />

Hilfskoch<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Christian<br />

Burmeister<br />

Die Bluttaten an einem<br />

Achtjährigen im FrankfurterHauptbahnhof<br />

undan<br />

einem 36-JährigeninStuttgartwerfen<br />

Fragen auf:Nicht<br />

darüber, ob „die Ausländer“<br />

unsere Sicherheit gefährden,<br />

sondern, ob der Staatseiner<br />

Verantwortung ausreichend<br />

nachkommt. Man reibt sich<br />

schon verwundert die Augen:<br />

Horst Seehoferwillnach den<br />

Taten nun verstärkte Kontrollenander<br />

EU-Grenzezur<br />

Schweizeinführen. Warum<br />

erstjetzt?Und was ist mit<br />

einem besseren Datenaustausch?<br />

Ebensoder Stuttgarter<br />

Fall: Keine24Stunden<br />

nachder Tat gibt es –offensichtlichaus<br />

Polizei undBehördengestreute<br />

–Zweifel,<br />

ob sich der Täter nicht mit<br />

falscher Identität im Land<br />

aufgehaltenhat. Sollte sich<br />

das alswahr herausstellen:<br />

Wieso spieltdieserSchwindel<br />

jahrelang keineRolle, kommt<br />

nach der Tat aber in Stundenfrist<br />

an dieOberfläche?Dass<br />

der Tätervorhermehrfach<br />

„polizeilich aufgefallen“ war,<br />

macht die Sache nicht besser.<br />

Solange der Staatden Eindruck<br />

von Nachlässigkeiten<br />

und Naivität nicht vermeidet,<br />

macht er es derAfD leicht, ihr<br />

unappetitliches Süppchenzu<br />

kochen. Er fungiert unfreiwillig<br />

alsihr Hilfskoch.<br />

FRAU DESTAGES<br />

Ursula von der Leyen<br />

Ursula von der Leyen (60),<br />

designierte EU-Kommissionspräsidentin,<br />

hat Italien Entlastung<br />

bei der Migration versprochen.<br />

„Ich schlage<br />

einen neuen<br />

Migrationspakt<br />

vor<br />

und einen<br />

neuen, frischen<br />

Start<br />

bei der Migration“,<br />

sagte die<br />

deutsche<br />

Politikerin bei einem Treffen<br />

mit Ministerpräsident Giuseppe<br />

Conte am Freitag in<br />

Rom. Bei der Verteilung von<br />

Flüchtlingen innerhalb der<br />

EU sei „eine neue Art der Lastenverteilung“<br />

notwendig.<br />

Foto: Domenico Stinellis/dpa<br />

Foto: Imago Images/United Archives International<br />

Europa zittertwieder<br />

vorneuen Atomraketen<br />

Russland und die USAstehen vor einer neuenEiszeit,weil Moskau den Westen militärischprovoziert<br />

Berlin – Der für Europa wichtigste<br />

Abrüstungsvertrag<br />

des Kalten Krieges ist seit<br />

Freitag Geschichte. Der<br />

INF-Vertrag von 1987 sah<br />

das Verbot von konventionellen<br />

oder atomaren Mittelstreckenraketen<br />

in Europa<br />

vor. Droht nun ein neues<br />

Wettrüsten auf unserem<br />

Kontinent?<br />

Foto: Shutterstock<br />

Strittig ist, warum der Vertrag<br />

gekündigt wurde. US-Präsident<br />

Donald Trump hatte lange<br />

gedroht und den Vertrag<br />

zwischen Washington und<br />

Moskau Anfang Februar gekündigt.<br />

Allerdings hatte<br />

Trump dabei die Rückendeckung<br />

der Nato-Partner, inklusive<br />

der Bundesregierung. Das<br />

Bündnis wirft Russland vor,<br />

Warenseit1987inEuropa<br />

verboten: Nukleare<br />

Mittelstreckenraketen.<br />

Bild aus besseren Tagen: Ronald Reagan (r.) und Michail Gorbatschow<br />

unterzeichnen im Sommer 1987 den INF-Abrüstungsvertrag.<br />

den Vertrag gebrochen zu haben.<br />

Konkret geht es um die<br />

Stationierung von 60 Raketen<br />

des Typs 9M729.<br />

▶ Wie reagiert Russland?<br />

Die Nato unterstellt Moskau,<br />

die Raketen hätten eine Reichweite<br />

von 2000 Kilometern.<br />

Das wäre laut INF-Vertrag<br />

verboten. Der Kreml behauptet,<br />

sie hätten nur eine Reichweite<br />

von erlaubten 480 Kilometern.<br />

Russland wirft den<br />

USA mit der Stationierung von<br />

Raketen in Rumänien seinerseits<br />

eine Vertragsverletzung<br />

vor.<br />

▶ Droht nun ein neues Wettrüsten?<br />

Nato-Generalsekretär<br />

Jens Stoltenberg hält die Stationierung<br />

von landgestützten<br />

atomaren Mittelstreckenwaffen<br />

in Europa momentan für<br />

„keine Option“. Man müsse das<br />

russische Verhalten nicht spiegeln,<br />

um weiter eine glaubwürdige<br />

Abschreckung und Verteidigung<br />

zu gewährleisten.<br />

„Allerdings werden wir uns<br />

unsere Raketenabwehr und<br />

unsere konventionellenFähigkeiten<br />

ansehen“, so Stoltenberg.<br />

Die USA entwickeln gerade<br />

neue Mittelstreckenraketen<br />

–aber vor allem mit Blick<br />

auf China. Experten warnen<br />

vor einer zu weit reichenden<br />

Verzichtserklärung zur Rüstung<br />

in Europa: „Nur auf<br />

Diplomatie zu setzen und<br />

bestimmte militärische<br />

Gegenmaßnahmen<br />

auszuschließen<br />

schwächt Europas<br />

Verteidigung und<br />

erhöht die Optionen<br />

Russlands“,<br />

schrieb Christian<br />

Mölling von<br />

der Deutschen<br />

Gesellschaft<br />

für Auswärtige<br />

Politik kürzlich.<br />

▶ Spaltet<br />

das Vertragsende<br />

die Nato?<br />

„Es besteht<br />

die<br />

Gefahr,<br />

dass die Sicherheit Europas<br />

von der der USA abgekoppelt<br />

wird“,sagte Mölling. Denndie<br />

russischen Raketen, die sich<br />

theoretisch auch atomar bestücken<br />

lassen, können mit<br />

2000 Kilometer Reichweite<br />

fast jede europäische Hauptstadt<br />

erreichen–aber nicht die<br />

USA. „Das wirft die Frage auf,<br />

ob Washington im Fall einer<br />

auf Europa begrenzten Krise<br />

solidarisch sein wird, wenn<br />

dies bedeuten<br />

würde, einen nuklearen<br />

Gegenschlag<br />

durchzuführen“,<br />

so Mölling.<br />

▶ Wie reagiert<br />

Berlin? Außenminister<br />

Heiko Maas<br />

(SPD) erklärte, es<br />

müsse nun gelingen,<br />

„Regeln zur Abrüstung<br />

und Rüstungskontrolle<br />

zu vereinbaren, umeinen<br />

neuen Wettlauf um Atomwaffen<br />

zu verhindern“. Die<br />

INF-Debatte habe schon Präsident<br />

Barack Obama geführt.<br />

„Es ist also kein Donald-<br />

Trump-Thema.“<br />

▶ Wie geht es jetzt weiter?<br />

Beide Seiten entwickeln laufendneue<br />

Waffensysteme.Die<br />

Atmosphäre für Abrüstungsgespräche<br />

scheint durch das<br />

Vertragsende schwer belastet.<br />

Und bis 2021 muss der „New<br />

Start“-Vertragzur Begrenzung<br />

strategischer Atomwaffen erneuertwerden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!