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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 183 · F reitag, 9. August 2019 15 *<br />
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Gesundheit<br />
Gefahr im Grünen<br />
Mehr als 1800 Menschen sind allein im vergangenen Jahr in Berlin und dem Umland nach einem Zeckenbiss an Borreliose erkrankt<br />
VonMichael Timm<br />
Sie sind nur so groß wie ein<br />
Stecknadelkopf. Aber ein<br />
einziger Biss kann schwere<br />
Krankheiten zur Folge haben.<br />
Zecken lieben hohe Temperaturen.<br />
Deshalb sind sie jetzt im Hochsommer<br />
besonders aktiv. Auf Wiesen,<br />
in Büschen und anWaldrändern<br />
lauern die Blutsauger auf ihr Opfer,<br />
den sorglosen Mensch. Unbemerkt<br />
streift er sie an Gräsernund Blättern<br />
ab. Und dann beißen sie zu. Um allerdings<br />
möglichst ungestörtzubleiben,<br />
injizieren sie vorher eine Mischung<br />
aus schmerzstillenden und<br />
gerinnungshemmenden Stoffen in<br />
die Haut. DieBeschwerden kommen<br />
erst später.<br />
Antibiotika hilft<br />
„Zeckenbisse können zwei schwere<br />
Krankheiten auf den Menschen<br />
übertragen“, sagt Hans-Walter Pfister,<br />
stellvertretender Direktor der<br />
Neurologischen Universitätsklinik<br />
München. „Bei uns sind das entweder<br />
die häufiger auftretende Borreliose<br />
oder die seltenere, aber wesentlich<br />
gefährlichere Hirnhautentzündung<br />
FSME.“ Diese Abkürzung steht<br />
für Früh-Sommer-Meningo-Enzephalitis.<br />
Gegen FSME gibt es bisher<br />
nur symptomatische Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Aber man kann sich<br />
vorbeugend durch eine Impfung<br />
schützen.<br />
Borreliose lässt sich dagegen<br />
durch Antibiotika wirkungsvoll behandeln,<br />
dafür gibt es aber noch<br />
keine vorbeugende Impfung. Im vergangenen<br />
Jahr gab es nach Angaben<br />
des Robert-Koch-Instituts 755 Fälle<br />
vonBorreliose in Berlin, aus den angrenzenden<br />
Brandenburger Landkreisen<br />
wurden 1078 Fälle gemeldet.<br />
Beide Krankheiten sind gefährlich,<br />
besonders wenn man sie zu spät<br />
erkennt. Sie können Entzündungen<br />
der Hirnhaut, des Gehirns, des Rückenmarks<br />
und der Nerven verursachen.<br />
Dies wiederum kann zu Lähmungen<br />
führen, die unter Umständen<br />
nie mehr verschwinden. Die<br />
Borreliose-Infektion äußert sich<br />
zwar meistens nur auf der Haut. Im<br />
Spätstadium kann sie aber auch Gelenke<br />
und Herz schädigen.<br />
„Damit es erst gar nicht so weit<br />
kommt, ist es wichtig, Zeckenbisse<br />
und etwa auftretende Symptome<br />
rechtzeitig zu erkennen“ sagt Neurologe<br />
Pfister. Bei den oft schmerzlosen<br />
Bissen ist das gar nicht so einfach.<br />
Deshalb sollte jeder nach einem<br />
Aufenthalt in der grünen Natur<br />
die Haut nach den kleinen Tierchen<br />
absuchen. Die Zecken bevorzugen<br />
warme, feuchte und gut durchblutete<br />
Körperstellen. Biseine Zecke einen<br />
idealen Platz auf einem Menschen<br />
gefunden hat, krabbelt sie oft<br />
mehrere Stunden auf ihm herum<br />
und saugt sich dann erst in Kniekehlen<br />
oder Hautfalten fest.<br />
„Wenn man eine oder mehrere<br />
Zecken entdeckt hat, sollte man sie<br />
mit einer Pinzette, einer Zeckenzange<br />
aus der Apotheke oder mit den<br />
Fingernägeln vorsichtig herausziehen“,<br />
rät Pfister. „Wichtig ist es, das<br />
Zecken können auch die gefährliche Hirnhautentzündung FSME übertragen. IMAGO-IMAGES.DE<br />
Fälle von Borreliose in Berlin<br />
2018<br />
SPANDAU<br />
32<br />
REINICKENDORF<br />
23<br />
MITTE<br />
39<br />
PANKOW<br />
111<br />
LICHTENBERG<br />
63<br />
FRIEDRICHSH. -<br />
KREUZBERG<br />
74<br />
TREPTOW-<br />
KÖPENICK<br />
82<br />
NEUKÖLLN<br />
51<br />
TEMPELHOF-<br />
SCHÖNEBERG<br />
62<br />
CHARLOTTENBURG-<br />
WILMERSDORF<br />
37<br />
STEGLITZ-<br />
ZEHLENDORF<br />
84<br />
MARZAHN-<br />
HELLERS-<br />
DORF<br />
97<br />
BLZ/TIEDGE;QUELLE:ROBERT-KOCHINSTITUT<br />
Tier so nah wie möglich an der Haut<br />
zu fassen und dabei nicht zu quetschen,<br />
weil es sonst noch mehr erreger-haltigen<br />
Speichel abgesondert.“<br />
Der Experte rät vom Einsatz von Öl<br />
oder Klebstoff ab. Das damit beschmierte<br />
Tier sondert im Todeskampf<br />
eine Extra-Portion Speichel<br />
ab. Ist die Zecke entfernt, sollte man<br />
die Einstichstelle desinfizieren.<br />
Hat die Zecke jedoch zugestochen,<br />
muss man die Stelle gut beobachten.<br />
Zeigt sich keine Rötung<br />
und treten keine Beschwerden auf,<br />
ist alles in Ordnung. Rötet sich die<br />
Haut allerdings, möglicherweise<br />
auch ringförmig und immer größer<br />
werdend, dann ab zum Arzt. Dasgilt<br />
auch für alle, die keinen Zeckenbiss<br />
bemerkt haben, wenn sich ringförmige<br />
Rötungen oder runde rote Flecken<br />
bilden.<br />
Außerdem sollten Sie unbedingt<br />
einen Arzt aufsuchen, wenn ein paar<br />
Wochen nach dem Stich Fieber und<br />
Kopfschmerzen auftreten. Diese Beschwerden<br />
werden häufig fälschlicherweise<br />
mit einer Sommergrippe<br />
in Verbindung gebracht. Die häufigste<br />
Fehldiagnose lautet aber<br />
Rheuma. Weisen Sie deshalb Ihren<br />
Arzt immer auf einen vorausgegangenen<br />
Zeckenbiss hin! Ignoriert er<br />
diese Information, scheuen Sie sich<br />
nicht, einen zweiten Arzt hinzuzuziehen.<br />
Wird jetzt nicht sofort und<br />
richtig behandelt, drohen bleibende<br />
Spätschäden –imschlimmsten Fall<br />
Invalidität. DieSpätschäden der Borreliose<br />
treten oft erst nach Jahren<br />
auf. Dazu gehören chronische Hautveränderungen,<br />
Gelenkbeschwerden<br />
und eine chronische Entzündung<br />
des zentralen Nervensystems.<br />
Dabei lässt sich mithilfe einer<br />
Blutuntersuchung feststellen, ob Antikörper<br />
gegen die Borrelien-Erreger<br />
vorhanden sind. Besteht Verdacht<br />
auf eine Borreliose, verschreibt der<br />
Arzt Antibiotika, die zu einer raschen<br />
Abheilung führen. „Je eher die Therapie<br />
beginnt, desto besser können<br />
wir unangenehme Folgen verhindern“,<br />
erklärtNeurologe Pfister.<br />
Risiko im Süden höher<br />
Beieiner FSME gibt es jedoch nur Medikamente,<br />
die die grippeähnlichen<br />
Beschwerden und Kopfschmerzen<br />
lindern. Meist heilt die Hirnhautentzündungdann<br />
vonselbst wieder aus.<br />
Rund ein Prozent der Fälle verläuft jedoch<br />
tödlich. Deshalbempfehlen Infektions-Spezialisten,<br />
sich gegen<br />
FSME impfen zu lassen, wenn man in<br />
gefährdete Gebiete reist. Dazu gehören<br />
nicht nur Bayern, Baden-Württemberg<br />
sowie der Süden von Sachsen<br />
und Thüringen, sondern auch<br />
Polen, Tschechien und Österreich.<br />
Berlin und Brandenburg sind hier<br />
glücklicherweise nur wenig betroffen.<br />
Im vergangenen Jahr gab es jeweils<br />
nur zwei Fälle. Allerdings führt<br />
auch nicht jeder Zeckenbiss gleich<br />
zu einer Krankheit. Nur etwa jede<br />
dritte Zecke trägt Borreliose-Erreger<br />
in sich. Und nur einer von hundert<br />
Menschen, die von einer Zecke gestochen<br />
werden, erkrankt an Borreliose.<br />
Das Risiko, anFSME zu erkranken,<br />
ist noch wesentlich geringer.<br />
Impflücken größer als gedacht<br />
Barmer-Studie zeigt: Nur 88,8 Prozent der Schulanfänger sind vor Masern geschützt<br />
VonTim Szent-Ivany<br />
Der Vermutung liegt nahe, doch<br />
erst jetzt gibt es aussagekräftige<br />
Belege: Kinder von Anhängern der<br />
umstrittenen Homöopathie werden<br />
deutlich seltener geimpft. Das geht<br />
aus dem Barmer-Arzneimittelreport<br />
hervor, den die Krankenkasse am<br />
Donnerstag vorgestellt hat. Wenn Eltern<br />
homöopathische Leistungen in<br />
Anspruch nehmen, besteht eine um<br />
53 Prozent geringereWahrscheinlichkeit,<br />
dass deren Kinder die 13 empfohlenen<br />
Schutzimpfungen vollständig<br />
erhalten haben. Einen deutlich<br />
kleineren Einfluss hat das Alter oder<br />
die Bildung der Eltern. Nach den ausgewerteten<br />
Daten der Barmer ist die<br />
Impfquote von Kindern bei besonders<br />
jungen und älteren Müttern<br />
leicht niedriger als der Durchschnitt.<br />
Das gilt auch, wenn die Eltern keine<br />
anerkannte Berufsausbildung haben.<br />
BeiKleinkindernnoch niedriger<br />
Barmer-Chef Christoph Straub<br />
sagte, offensichtlich gebe es einen<br />
Zusammenhang zwischen der Präferenz<br />
für Homöopathie und der Ablehnung<br />
oder Skepsis gegenüber<br />
Impfungen. Daher müsse vor allem<br />
für diese Menschen die Aufklärung<br />
verbessert werden. Straub lehnt es<br />
aber ab, die Kostenübernahme für<br />
homöopathische Leistungen zu beenden.<br />
„Es wäre unangemessen, einen<br />
Homöopathievertrag zu stoppen,<br />
weil man eine Impfrate erhöhen<br />
möchte“, sagte der Kassenchef.<br />
Ein zentrales Ergebnis des Reports:<br />
In Deutschland sind weniger<br />
Kinder gegen Maserngeimpft als offiziell<br />
angegeben. Eine Auswertung<br />
der Behandlungsdaten der Barmer-<br />
Versicherten ergab, dass lediglich<br />
88,8 Prozent der Schulanfänger 2017<br />
über die notwendigen zwei Masern-<br />
Impfungen verfügten. Das für Impfungen<br />
zuständige Robert-Koch-Institut<br />
(RKI) gibt hingegen einen Wert<br />
von 92,8 Prozent an. Um eine Masern-Epidemie<br />
zu verhindern, ist<br />
eine sogenannte Herdenimmunität<br />
mit einer Impfrate von mindestens<br />
95 Prozent notwendig.<br />
Ein kleiner Stich bringt großen Schutz.<br />
BERLIN-BRANDENBURG<br />
SVEN SIMON<br />
Keine Impfmuffel: Die ElterninBerlin<br />
und Brandenburg haben offenbar wenigerBedenken<br />
ihre Kinder impfen zu lassen<br />
als Mütter und Väter in anderen Bundesländern.<br />
Das geht aus den Daten der<br />
Barmer hervor. Die größten Impflücken<br />
weisen demnach durch alle untersuchten<br />
Altergruppen hinweg die Mädchen und<br />
Jungs in Bayern und Sachsen auf.<br />
Säuglinge: In Berlin hatten 2,4 Prozent<br />
der 2015 geborenen Kinder keine Impfung<br />
(Brandenburg: 2,2 Prozent). Zum<br />
Vergleich: Im Bundesdurchschnitt traf<br />
das auf 3,3 Prozent der Babys zu.<br />
Kinder: Der Anteil Sechsjährigen, die<br />
2017 noch garkeine Impfung erhalten<br />
hatten, lag in Berlin bei 1,9 Prozent und<br />
in Brandenburg bei 1,2 Prozent. Bundesdurchschnitt:<br />
2,3 Prozent.<br />
Straub erläuterte, dass die vom<br />
RKI angegebene Quote bei den<br />
Schuleingangsuntersuchungen lediglich<br />
auf Basis vorgelegter Impfpässe<br />
bestimmt wird. Damit werde<br />
der Impfstatus von Kindern, die keinen<br />
Impfpass vorlegen, nicht berücksichtigt,<br />
kritisierte er.Deren An-<br />
teil betrage über acht Prozent. „Das<br />
führt zu höheren, unrealistischen<br />
Impfquoten, denn nicht geimpfte<br />
Kinder haben natürlich auch keinen<br />
Impfpass“, sagte der Barmer-Chef.<br />
Noch deutlich schlechter als bei<br />
den Schulkindern ist die Masern-<br />
Impfquote bei Kleinkindern. Bei<br />
Zweijährigen betrug die Quote laut<br />
Report 2017 lediglich 78,9 Prozent.<br />
Mehr als jedes fünfte Kind war damit<br />
nicht oder nicht vollständig gegen<br />
Masern geimpft. Straub betonte, die<br />
Impflücken bei Kindern würden<br />
umso schwerer wiegen, da es nach<br />
der Einschulung kaum Nachimpfungen<br />
gebe:„Wer schon als Jugendlicher<br />
Impflücken aufweist, der wird sie<br />
auch im Erwachsenenalter behalten.“<br />
Auch dadurch steige das Risiko<br />
für regionale Epidemien.<br />
Gesetzentwurfvorbereitet<br />
Die Barmer hat auch die Quoten bei<br />
anderen Impfungen erhoben, die<br />
von der Ständigen Impfkommission<br />
(Stiko) empfohlen werden. Dabei<br />
zeigt sich, dass bei den Kindern im<br />
einschulungsfähigen Alter bei keiner<br />
der 13 wichtigsten Infektionskrankheiten<br />
–zum Beispiel Diphterie, Tetanus<br />
oder Polio – ein Durchimpfungsgrad<br />
von 90 Prozent erreicht<br />
wird. Das RKI geht hingegen von<br />
Quoten vonbis zu 94 Prozentaus.<br />
Gesundheitsminister Jens Spahn<br />
(CDU) hatte Mitte Juli einen Gesetzentwurf<br />
für eine Impfpflicht gegen<br />
Masern auf den Weg gebracht. Er<br />
sieht vor, dass ab März 2020 Kinder<br />
nur noch in die Kita gehen dürfen,<br />
wenn sie gegen Maserngeimpft sind.<br />
Eltern von ungeimpften Schulkinderndrohen<br />
Geldbußen.<br />
Bundesfamilienministerin Franziska<br />
Giffey (SPD) sagte der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> (Redaktionsnetzwerk<br />
Deutschland), der Reportzeige,dass<br />
dieser Wegrichtig sei. „Die Gesundheit<br />
und der Schutz der gesamten<br />
Bevölkerung setzen hier der individuellen<br />
Freiheit Grenzen. Es geht<br />
nicht nur um die Verantwortung jedes<br />
Einzelnen für sich und seine Kinder,<br />
sondern auch um die Verantwortung<br />
für andere.“ (mit cle.)<br />
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Titelfoto: ©Monique Wüstenhagen