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14 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 206 · D onnerstag, 5. September 2019<br />
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Berlin<br />
DER HIMMEL ÜBER BERLIN<br />
So mancher träumte sich an<br />
den vergangenen Hitze-Tagen<br />
an einen anderen Ort<br />
im Kosmos, vielleicht auf<br />
den Mond. Nur gut, dass es jetzt etwas<br />
kühler geworden ist, dass die<br />
Nächte länger werden und die Tage<br />
kürzer, sodass man gut durchlüften<br />
kann. Der jährliche Umlauf unserer<br />
Erde um die Sonne schreitet unermüdlich<br />
voran, und mit der Tagund-Nacht-Gleiche<br />
am 23. September<br />
beginnt der astronomische<br />
Herbst. An diesem Tag geht die<br />
Sonne um 19:03 Uhrüber Berlin unter,<br />
gegen 20 Uhr ist es dunkel genug,<br />
um den Sternenhimmel betrachten<br />
zu können. Der Herbstanfang<br />
offenbart uns, dass die Erdachse<br />
23,5° gegen die Ebene Sonne-<br />
Erde geneigt ist und die Jahreszeiten<br />
nur durch diese Schieflage und den<br />
sich über das Jahr hinweg verändernde<br />
Sonneneinfall<br />
entstehen.<br />
Noch in der<br />
Dämmerung<br />
fällt der Blick<br />
auf Jupiter, den<br />
größten Planeten<br />
des Sonnensystems.<br />
Am 1.<br />
TimFlorian Horn, September ging<br />
Direktor des Zeiss- Jupiter um 23.09<br />
Großplanetariums, Uhr unter, am<br />
Prenzlauer Allee 80 30. September<br />
wird es um<br />
21.25 Uhrsein. Dieimmer früher untergehende<br />
Sonne rettet dem größten<br />
Gasplaneten konstante zwei<br />
Stunden Sichtbarkeit, obwohl er im<br />
Sternbild Schlangenträger nur<br />
knapp über dem Horizont steht.<br />
EDINGER<br />
DerMond nahe Saturn<br />
Derzeit sind stolze 79 Monde bekannt,<br />
die Jupiter auf zum Teil merkwürdigsten<br />
Bahnen umrunden. Ein<br />
Indiz dafür, dass sich der Riesenplanet<br />
einige Asteroiden, vagabundierende<br />
Gesteinsbrocken im Sonnensystem,<br />
eingefangen hat. DieEntstehungsgeschichte<br />
des Sonnensystems<br />
gleicht einem gigantischen<br />
Tanz, bei dem Jupiter mit seiner großen<br />
Masse die vielen aus der Bildung<br />
der Planeten übriggebliebenen Gesteinsbrocken<br />
auf geregelte Bahnen<br />
gezwungen hat.<br />
Etwas leichter zu erspähen ist der<br />
Ringplanet Saturn, der seine Untergänge<br />
ebenfalls um zwei Stunden<br />
von 1.16 Uhr amMonatsanfang zu<br />
23.17 Uhr am30. September, verlagert.<br />
Im Sternbild Schütze steht Saturn<br />
nicht unbedingt höher als Jupiter,<br />
doch kann er sich durch seine<br />
späteren Untergangszeiten besser<br />
gegen die Dämmerung durchsetzen.<br />
Hier sind es immer noch 62 bekannte<br />
Monde.<br />
DieSternkarte zeigt den Sternenhimmel<br />
jeweils etwas später in der<br />
Nacht: am 1. September um 0Uhr,<br />
am 15. September um 23 Uhr, am<br />
30. September um 22 Uhr. Im Nordwesten<br />
steht das Sternbild des Großen<br />
Bären als immerwährender<br />
Wegweiser zum Polarstern, der uns<br />
wiederum den Weg gen Norden<br />
weist. Einen Teil des Sternbildes der<br />
Großen Bärin kennen wir gemeinhin<br />
als Großen Wagen. Verlängern<br />
wir die gedachte Linie über den Polarstern<br />
weiter, erreichen wir das<br />
Himmels-W,das Sternbild Kassiopeia.<br />
In dieser Konstellation<br />
eine sitzende Königin zu erkennen,<br />
die sich mit Spiegel<br />
in der Hand ihre<br />
Haare kämmt, bleibt<br />
auch für das geübte<br />
Auge gewagt.<br />
Unser Mond eignet<br />
sich wunderbar<br />
als Zeitmesser<br />
Stier<br />
über irdische<br />
Wahlperioden<br />
hinweg, da er seit<br />
seiner Entstehung<br />
die Erde<br />
O<br />
auf<br />
seiner elliptischen<br />
Bahn umrundet<br />
und je<br />
nach Beleuchtung<br />
die bekannten<br />
Mondphasen entstehen:<br />
Am 6. September<br />
steht der<br />
Halbmond (erstes Viertel)<br />
am Abendhimmel,<br />
der Vollmond erleuchtet<br />
die Nacht des 14. September,<br />
der abnehmende Halbmond<br />
(letztes Viertel) steht am<br />
22. September am Morgenhimmel,<br />
am 28. September verschwindet der<br />
Mond als Neumond zwischen Sonne<br />
und Erde. Besonders schön anzusehen<br />
ist es, wenn am Abendhimmel<br />
des 8. September der Mond nahe Saturnsteht.<br />
Im Süden wandern die hellsten<br />
Sterne des Sommers stetig gen Westen.<br />
Wega in der Leier,Atair im Adler<br />
und Deneb im Schwan bilden das<br />
Sommerdreieck, während die<br />
Himmelsanblick Berlin<br />
Walfisch<br />
Widder<br />
Perseus<br />
Fische<br />
Zeit für das<br />
Herbstviereck<br />
TimFlorian Horn erklärt<br />
das Firmament im September<br />
am 1. September 00Uhr,<br />
Fuhrmann<br />
Kapella<br />
Andromeda<br />
Südlicher Fisch<br />
Polarstern<br />
Kassiopeia<br />
N<br />
Pegasus<br />
Herbstviereck<br />
Wassermann<br />
S<br />
15. September 23Uhr,30.<br />
Gr. Bärin<br />
Kl. Wagen /<br />
Kl. Bär<br />
Kepheus<br />
Deneb<br />
Schwan<br />
Delphin<br />
Drache<br />
Atair<br />
Steinbock<br />
Gr. Wagen<br />
Wega<br />
Bärenhüter<br />
Leier<br />
Sommerdreieck<br />
Adler<br />
Saturn<br />
Schütze<br />
September 22 Uhr<br />
Herkules<br />
Gemma<br />
Nördliche<br />
Krone<br />
Schlangenträger<br />
W<br />
Herbststernbilder um das Herbstviereck,<br />
dem Sternbild Pegasus,<br />
schon auf ihren großen Auftritt warten.<br />
Knapp unterhalb des Sommerdreiecks<br />
steht das kleine, aber einprägsame<br />
Sternbild Delfin.<br />
Ein ganzes Geschichtsepos entfaltet<br />
sich am Herbsthimmel in Form<br />
der Sternbilder. Der Sage nach hatte<br />
die eitle Königin Kassiopeia (das<br />
Himmels-W), sträflich behauptet,<br />
schöner als die Meeresnymphen der<br />
Nereiden zu sein, was jene so sehr erzürnte,<br />
dass der Meeresgott Poseidon<br />
Vergeltung schwor. Erschickte<br />
das Meeresungeheuer Cetus (am<br />
Himmel als Walfisch zu finden) auf<br />
das Land von Kassiopeia und ihrem<br />
Gemahl König Kepheus. Nur durch<br />
das Opfer der einzigen Tochter Andromeda<br />
sollte das Unheil, die Zerstörung<br />
des ganzen Landes, abgewendet<br />
werden. Gut nur, dass der<br />
Held Perseus der bereits an Felsen<br />
geketteten jungen Dame<br />
zur Seite sprang und sie rettete,spätereHeirat<br />
inklusive.<br />
Arktur<br />
Dieser hochmotivierte<br />
Held hatte kurz<br />
zuvor die schlangenköpfige<br />
Medusa besiegt<br />
und nutzte<br />
nun ihr Haupt, um<br />
das Ungeheuer zu<br />
Stein werden zu<br />
lassen und damit<br />
zu besiegen. Pegasus<br />
hingegen<br />
war bei dem<br />
Kampf mit der Medusa<br />
aus ihrem<br />
Blut und den Wogen<br />
des Mittelmeeresentstanden.<br />
Heute findet man<br />
solche Geschichten nur<br />
noch im Privatfernsehen.<br />
In den Mythen verstecken<br />
sich vielleicht wissenschaftliche<br />
Beobachtungen.<br />
So lässt sich erkennen, dass<br />
Algol, das schreckliche Auge der<br />
Medusa und der Zweithellste im<br />
Sternbild Perseus, über Tage hinweg<br />
die Helligkeit verändert. In einer Periodevon<br />
2,87 Tagen umrunden sich<br />
hier zwei Sterne. Jenachdem ob sie<br />
nebeneinander oder voreinander<br />
stehen, ändert sich ihre Gesamthelligkeit.<br />
Eine Koalition der Sterne,wie<br />
sie sehr häufig im Kosmos zu finden<br />
ist. GarKonstellationen aus drei Sternen<br />
und mehr können über Milliarden<br />
Jahre hinweg stabile Systeme<br />
bilden.<br />
Im Sternbild Wassermann versteckt<br />
sich für das menschliche<br />
Auge unsichtbar ein weiterer Planet,<br />
der am 23. September 1846 aus Berlin,<br />
genauer aus Kreuzberg heraus,<br />
entdeckte Neptun. Seine Entdeckung<br />
gleicht einer Kriminalgeschichte<br />
und offenbart die Wichtigkeit<br />
der internationalen Zusammenarbeit<br />
inder Forschung. Es war<br />
der Franzose Urbain Le Verrier, der<br />
die Position des Neptun vorausberechnete,<br />
und der <strong>Berliner</strong> Sternwartenassistent<br />
Johann Gottfried<br />
Galle, der letztlich den Planeten<br />
entdeckte. Am10. September steht<br />
der Planet Neptun in Opposition<br />
und kann aufgrund seiner großen<br />
Entfernung nur mit einem Teleskop<br />
– zum Beispiel eines der <strong>Berliner</strong><br />
Sternwarten –beobachtet werden.<br />
Die ISS zieht ihreBahn<br />
Beim Anblick des Sternenhimmels<br />
offenbart sich die ganze Geschichte<br />
des Kosmos. Mit unseren Augen sehen<br />
wir nur einen Bruchteil unserer<br />
Milchstraße, unserer Heimatgalaxis<br />
aus 300 Milliarden Sternen. Oft<br />
kaum zu beobachten und doch<br />
überall beheimatet, findet sich eine<br />
ganze Klasse verhinderter Sterne,<br />
sogenannter Brauner Zwerge. Das<br />
sind Sterne, bei denen die Kernfusion<br />
nicht gezündet hat und die aus<br />
diesem Grund nicht wirklich helle<br />
daherkommen.<br />
Bis Mitte September zieht die Internationale<br />
Raumstation ISS in den<br />
frühen Morgenstunden ihre Bahn<br />
über Berlin. In 400 KilometernHöhe<br />
kreist sie in 91 Minuten einmal um<br />
unseren Planeten. Wenn es auf der<br />
Erde noch dunkel ist, die Raumstation<br />
aber über uns schon von der<br />
Sonne beleuchtet wird, zieht sie als<br />
heller Punkt über den Himmel.<br />
Blickt man wie die Astronauten<br />
von oben auf unsere Welt, erscheinen<br />
keine Grenzen, keine Unterschiede<br />
zwischen Ländern, Kontinenten<br />
und Weltanschauungen.<br />
Vielleicht ist dies der größte Wert<br />
der Raumfahrt. Sie zeigt uns, dass<br />
wir alle Bürger eines einzigen Planeten<br />
sind, von dem ein Umzug auf<br />
eine andereWelt ausgeschlossen ist.<br />
Kosmonauten wie Sigmund Jähn<br />
oder Alexander Gerst zeichnen uns<br />
dabei ein fragiles Bild eines ganz besonderen<br />
Planeten, unserer Heimat<br />
im All.<br />
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Gefühlte Wirklichkeit<br />
Eine Umfrage zeigt, dass an den Hotspots der Stadt viel weniger Touristen sind als gedacht<br />
VonMelanie Reinsch<br />
Grölende Touristen, die durch<br />
den Boxhagener Kiez ziehen<br />
oder an der Admiralbrücke in KreuzbergihreFlaschen<br />
und Pizzakartons<br />
liegen lassen, ziehen schnell den<br />
Groll der <strong>Berliner</strong> auf sich. So manch<br />
Einheimischer schimpft über die<br />
Touristenhorden in seiner Stadt und<br />
an seinen Lieblingsorten und rümpft<br />
die Nase über so viel Respektlosigkeit<br />
–ein bisschen ist das zum Volkssportgeworden.<br />
Eine Befragung des Reiseportals<br />
VisitBerlin der Berlin Tourismus &<br />
Kongress GmbH kommt nun zu einem<br />
Ergebnis, das für manche wohl<br />
überraschend sein dürfte. An den<br />
hochfrequentierten Hotspots dieser<br />
Stadt – an der Admiralbrücke in<br />
Kreuzberg, am Alexanderplatz in<br />
Mitte, imBoxhagener Kiez in Friedrichshain,<br />
im Mauerpark inPrenzlauer<br />
Berg, im Reuterkiez in Neukölln<br />
und im Wrangelkiez inKreuzberg<br />
–sind deutlich mehr <strong>Berliner</strong><br />
als Touristen unterwegs als mancher<br />
geahnt hat.<br />
An drei Wochenenden im Mai<br />
zwischen mittags und spätnachmittags<br />
wurden stichprobenhaft 1300<br />
Menschen befragt. Fazit: 73 Prozent<br />
gaben an, dass sie aus Berlin kommen,<br />
26 Prozent waren Gäste.<br />
Sieht schön aus, nervt aber die Anwohner:Party<br />
auf der Admiralbrücke. IMAGO<br />
Mankönne nicht jeden „Mist unserer<br />
Stadt bei den Gästen abladen“,<br />
betonte Burkhard Kieker, Geschäftsführer<br />
der Berlin Tourismus &Kongress<br />
GmbH, am Mittwoch am<br />
Rande einer Tourismustagung. Auch<br />
die <strong>Berliner</strong> seien Verursacher. Bei<br />
der Zuschreibung des Problems von<br />
Müll und Lautstärke solle man daher<br />
vorsichtig sein. „<strong>Berliner</strong> sollten Vorbild<br />
sein“, sagte Kieker.<br />
DieBefragung wurde im Rahmen<br />
des Tourismuskonzeptes 2018+ des<br />
Senats durchgeführt, das sich für einen<br />
gezielteren und dezentralen<br />
Tourismus einsetzt. So gibt es Kieze,<br />
die sich vor Besucheranstürmen<br />
kaum retten können und solche in<br />
den Außenbezirken, die gern mehr<br />
Gäste hätten. Jeder Bezirk erhält<br />
jährlich 40 000 Euro für eigene touristischeProjekte.<br />
„Es gibt in Berlin zwei Entwicklungen,<br />
die sich überlappen und die<br />
die Stadt immer voller und enger<br />
werden lassen“, sagte Wirtschaftssenatorin<br />
Ramona Pop (Grüne). Zueinen<br />
kämen immer mehr Gäste und<br />
zum anderen wachse Berlin jährlich<br />
um rund 50 000 Menschen. DasTourismuskonzept<br />
ziele daher auf beide<br />
Gruppen ab. „Es sind nicht nur die<br />
Touristen, die die Stadt so voll machen“,<br />
betonte auch Pop.<br />
Mit Hilfe der Daten, die kontinuierlich<br />
erhoben werden sollen, will<br />
man passgenauere Angebote schaffen<br />
–für Touristen und <strong>Berliner</strong>.Dazu<br />
gehöre auch der sogenannte „Qualitätstourismus,<br />
erklärte Pop, also Angebote<br />
für kaufkräftige Gäste, die in<br />
die Stadt kämen – Messetouristen<br />
oder Kulturtouristen. „Berlin ist eine<br />
gastfreundliche, weltoffene und internationale<br />
Stadt. Wir wollen, dass<br />
die Menschen kommen, aber darunter<br />
dürfen die <strong>Berliner</strong> nicht leiden“,<br />
sagte die Senatorin.<br />
2018 verzeichnete Berlin 33 Millionen<br />
Übernachtungen, etwa 13,5<br />
Millionen Gäste besuchten die Stadt<br />
–4,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor.