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2*** <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 206 · D onnerstag, 5. September 2019<br />
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Tagesthema<br />
Als Kenneth Clarke zum ersten<br />
Malins britische Parlament<br />
gewählt wurde, war<br />
BorisJohnson ein Kind, gerade<br />
einmal fünf Jahre alt. Während<br />
der blonde Junge noch davon<br />
träumte, einmal König der Welt zu<br />
werden, saß Clarke bereits als konservativer<br />
Abgeordneter auf denselben<br />
abgewetzten grünen Bänken<br />
wie sie heute noch im traditionsbewussten<br />
Unterhaus zu finden sind<br />
und stritt als Mitglied im Kabinett<br />
mit Margaret Thatcher, John Major<br />
und David Cameron. Mankönnte es<br />
auch so sagen: Mehr Tory als Ken<br />
Clarke geht nicht. Am Dienstagabend<br />
hat Boris Johnson, mittlerweile<br />
55 Jahrealt und Premierminister,Ken<br />
Clarke,mittlerweile 79 Jahre<br />
alt und Alterspräsident des Parlaments,<br />
aus der konservativen Fraktion<br />
geworfen.<br />
Parteiausschluss<br />
Brexit<br />
Großbritannien erlebt einen<br />
beispiellosen Machtkampf im<br />
Unterhaus um die Umstände für<br />
den EU-Austritt des Landes<br />
Johnson-Gegner<br />
gewinnen erste<br />
Machtprobe<br />
VonKatrin Pribyl, London<br />
Überrascht schien der erfahrene Parlamentarier<br />
nicht, aber doch tief getroffen,<br />
beinahe bestürzt. Er erkenne<br />
seine Partei nicht wieder, sagte er<br />
nach diesem ersten historischen Tag<br />
diese Woche, nach diesen dramatischen<br />
Szenen in Westminster. Es<br />
handele sich vielmehr um eine „umetikettierte<br />
Brexit-Partei“.<br />
MitClarke wurden 20 weitereAbgeordnete<br />
ausgeschlossen, darunter<br />
prominente Schwergewichte wie Nicholas<br />
Soames, der Enkel von Johnsons<br />
großem Vorbild Winston Churchill,<br />
Philip Hammond, ehemaliger<br />
Schatzkanzler und Außenminister,<br />
oder Rory Stewart, früherer Entwicklungshilfeminister.<br />
Stewart hat nach<br />
eigener Aussage per Textnachricht<br />
von seinem konservativen Karriere-<br />
Aus erfahren. Stilvoll. Oder konsequent?<br />
Johnson hatte im Vorfeld angekündigt,<br />
all jene Rebellen abstrafen<br />
zu wollen, die sich gegen ihn<br />
stellten.<br />
Unbeeindruckt von den Drohungen<br />
paktierten am Dienstag 21 Parlamentarier<br />
mit der Opposition und<br />
entrissen Johnson die Kontrolle, um<br />
einen Brexit ohne Abkommen am<br />
31. Oktober zu verhindern. Am Mittwoch<br />
dann, am zweiten historischen<br />
Tagdieser Woche,wurde das No-No-<br />
Deal-Gesetz durch die Hilfe der Rebellen<br />
vom Unterhaus angenommen.<br />
327 Abgeordnete votierten dafür,<br />
299 dagegen. Es ist eine bittere<br />
Niederlage für die Regierung. Das<br />
Gesetz würde den Handlungsspielraum<br />
des Premierministers erheblich<br />
einschränken.<br />
Dieser will das Land Ende Oktober<br />
aus der EU führen –„do or die“,<br />
die drastische Variante der Briten<br />
von „komme, was wolle“. Schafft es<br />
der Entwurfnoch im Eiltempo durch<br />
das Oberhaus, wäre Johnson gezwungen,<br />
in Brüssel eine Verlängerung<br />
der Scheidungsfrist zu beantragen.<br />
Bilder, wie der europaskeptische<br />
Hardliner bei der EU um eine<br />
Verzögerung bittet, versucht der Premierminister<br />
aber auf jeden Fall zu<br />
vermeiden.<br />
Nigel Farage, der rechtspopulistische<br />
Chef der Brexit-Partei, kreist bereits<br />
wie ein Geier über jenen sonst<br />
konservativen Wählern, die unbedingt<br />
ohne Austrittsvertrag aus der<br />
Staatengemeinschaft scheiden wollen.<br />
Auch wenn Johnson noch am<br />
späten Dienstagabend nach der Verkündung<br />
des Abstimmungsergebnisses<br />
wie ein trotziger Teenager an<br />
das Rednerpult des Unterhauses<br />
trat, mit der Faust auf den Tisch<br />
schlug und rief: „Ich will keine Neuwahlen,<br />
die Öffentlichkeit will keine<br />
Neuwahlen.“ Der Premier möchte<br />
nichts anderes. Es sei „der einzige<br />
Weg, diese Sache zu lösen.“ Gestern<br />
Abend noch ließ er über einen vorzeitigen<br />
Urnengang am 15. Oktober<br />
abstimmen, doch die Labour-Partei<br />
enthielt sich, und die Regierung verfehlte<br />
die nötige Zweidrittelmehrheit.<br />
„Johnson ist im Amt, aber nicht<br />
an der Macht“, kommentierte ein<br />
Beobachter das Spektakel.<br />
Die Mutter aller Parlamente bewies<br />
in den vergangenen Tagen einmal<br />
wieder ihre Lebendigkeit wie<br />
auch ihren Sinn fürs Theatralische.<br />
Die Abgeordneten johlten, grölten<br />
und feixten, es ging oft zu wie auf der<br />
Tribüne beim FC Liverpool. Und sie<br />
zeigten, dass diese Institution eben<br />
„Die Bundesregierung beobachtet die Abläufe<br />
im britischen Parlament mit Interesse.“<br />
Steffen Seibert, Regierungssprecher<br />
Das britische Unterhaus Stand: 4. September 2019<br />
Regierung 298 Opposition 320<br />
Konservative<br />
(Tories)<br />
288<br />
DUP<br />
Nordirische<br />
Unionisten<br />
10<br />
Labour<br />
245<br />
Konservative<br />
ohne Fraktion<br />
(aus der Partei<br />
ausgeschlossen)<br />
11<br />
21<br />
ohne<br />
Abstimmungsrecht<br />
Schottische<br />
Nationalpartei 35<br />
Unabhängige 15<br />
Plaid Cymru Wales 4<br />
Liberaldemokraten 15<br />
Change UK5<br />
Grüne 1<br />
BLZ/GALANTY; Q.: PARLIAMENT.UK<br />
GETTY IMAGES EUROPE/LEON NEAL<br />
doch nicht abgeschrieben ist, nachdem<br />
Johnson ihnen in einem beispiellosen<br />
Schachzug eine Zwangspause<br />
verordnet hatte, die nächste<br />
Woche beginnen soll. Vielmehr hat<br />
sich das Parlament zumindest vorübergehend<br />
die Macht zurückgeholt,<br />
die Kraftprobe vorerst gewonnen<br />
–trotz oder gerade wegen Johnsons<br />
unnachgiebigem Vorgehen.<br />
Aus Protest gegen seinen Brexit-<br />
Kurs hatte am Dienstag mit Phillip<br />
Lee bereits ein Abgeordneter demonstrativ<br />
die Seiten gewechselt<br />
und während der Debatte bei den Liberaldemokraten<br />
Platz genommen.<br />
Johnson büßte damit seine Mehrheit<br />
ein, steht jetzt unter massivem<br />
Druck.<br />
Tritt er zurück, wenn das Königreich<br />
am 1. November noch immer<br />
Mitglied in der Staatengemeinschaft<br />
wäre? Das „Kapitulationsgesetz“,<br />
wie Johnson das No-No-Deal-<br />
Gesetz nannte, würde die Position<br />
Großbritanniens in den Verhandlungen<br />
mit der EU schwächen,<br />
schimpfte er. Allerdings hat sich<br />
seine Amtsvorgängerin Theresa<br />
May mit vorgezogenen Neuwahlen<br />
schon verzockt. Eigentlich wollte sie<br />
sich mit dem Votum ein starkes<br />
Mandat für ihreVerhandlungen mit<br />
der EU holen. Am Ende hatte sie die<br />
Torie-Mehrheit im Unterhaus verspielt.<br />
Und ging geschwächt nach<br />
Brüssel zu den Gesprächen.<br />
Gibt es die aktuell noch? Wird<br />
überhaupt noch verhandelt? Am 17.<br />
Oktober beginnt der EU-Gipfel, bei<br />
dem Johnson eigentlich einen neuen<br />
Deal vereinbaren will – ohne den<br />
umstrittenen Backstop, der sich<br />
mittlerweile zur Glaubensfrage entwickelt<br />
hat. In Brüssel pochen sie<br />
zwar auf die Garantieklausel für eine<br />
offene Grenze auf der irischen Insel,<br />
doch Johnson zeigt sich unbeirrt, besteht<br />
darauf, dass als Alternative<br />
zum Backstop „alternative Regelungen“<br />
zum Einsatz kommen können,<br />
wie ein Minister gerade in aller<br />
Ernsthaftigkeit versicherte.Konkrete<br />
Details ließ er offen. Und Johnsons<br />
Gläubige? Sie tun das, was Gläubige<br />
tun: Sie glauben. Und hoffen. No<br />
Deal als Religion, Boris Johnson als<br />
Prediger.<br />
Um einen noch vorgezogenen Urnengang<br />
herbeizuführen, braucht<br />
die Regierung eine Zweidrittelmehrheit.<br />
Und damit Labours Hilfe. Es<br />
schlug die Stunde von Oppositionschef<br />
Jeremy Corbyn. Seit Monaten<br />
fordert erParlamentswahlen, doch<br />
sollte er in die „Falle der Tories“ treten,<br />
wie Labours ehemaliger Premier<br />
Tony Blair es nannte? Johnson führt<br />
in allen Umfragen deutlich, der Altlinke<br />
Corbyn schreckt dagegen viele<br />
Wähler ab. Man werde nicht auf die<br />
Tricks von Boris Johnson hereinfallen,<br />
beteuerte Corbyn gestern. Er<br />
werde keine Neuwahl unterstützen,<br />
bis klar sei, dass die Gefahr eines No-<br />
Deal-Brexits gebannt sei. Die Opposition<br />
fürchtet, Johnson könnte den<br />
Wahltermin nach einer Abstimmung<br />
nachträglich auf einen Termin nach<br />
Halloween verschieben, um doch<br />
noch einen Brexit ohne Abkommen<br />
zu erreichen.<br />
Gibt es einenPlan?<br />
Ob wirklich ein „brillanter Plan“ hinter<br />
Johnsons Vorgehen steckt, wird<br />
sich erst noch zeigen. „Die Chancen,<br />
dass es zu einem ungeordneten Brexit<br />
kommt, stehen noch immer bei<br />
50/50“, sagt Jonathan Portes, Wirtschaftsprofessor<br />
am Londoner<br />
King‘s College. Denn das geplante<br />
Gesetz verzögere abermals nur das<br />
Problem.<br />
Der NoDeal bleibt die rechtliche<br />
Default-Option. Zudem muss Johnson<br />
erst einmal den Aufschub der<br />
Frist beantragen, Brüssel ihn dann<br />
genehmigen. Wenn nichts passiert,<br />
verlassen die Briten am 31. Oktober –<br />
oder zu einem späteren Zeitpunkt –<br />
ohne Deal die EU. Die beiden einzigen<br />
Alternativen: DasParlament findet<br />
endlich eine Mehrheit für einen<br />
Vertrag. Oder es bläst den Austritt ab<br />
–ein fastausgeschlossenes Szenario.<br />
Alles deutet dagegen darauf hin, dass<br />
die Briten von einer Regierung gesteuert<br />
werden, die auf den ungeregelten<br />
Brexit setzt. Und sogeht der<br />
Showdown zwischen Johnson und<br />
den No-Deal-Gegnern weiter. Es<br />
bleiben 56 Tage.<br />
BERLIN UND BRANDENBURG WETTERLAGE R EISEWETTER<br />
Heute betragen die Temperaturen maximal 19 bis 21Grad. Dazu wird der<br />
Sonnenschein ab und zuvon Wolken zugrößeren Pausen gezwungen. Der<br />
Wind weht schwach bis mäßig aus westlichen Richtungen. Inder Nacht<br />
gibt eszeitweise klaren Himmel, ab und zu aber auch Wolken, und die<br />
Temperaturen sind bei 8bis 4Grad anzutreffen.<br />
Biowetter: Schlafstörungen ziehen<br />
eine erhöhte Müdigkeit imAlltag<br />
nach sich. Einige Menschen klagen<br />
über Kopfschmerzen, Schwindelgefühle<br />
und Migräne. Insgesamt fühlt<br />
man sich oftmals nicht so wohl.<br />
Pollenflug: Derzeit fliegen Pollen<br />
von Ambrosia in mäßiger Konzentration.<br />
Zudem ist mit einigen Gänsefuß-,<br />
Brennnessel- und Beifußpollen<br />
zu rechnen.<br />
Gefühlte Temperatur: maximal 20Grad.<br />
Wind: schwach aus West.<br />
Wittenberge<br />
10°/21°<br />
Min./Max.<br />
des 24h-Tages<br />
Brandenburg BERLIN<br />
10°/21° 13°/20°<br />
Luckenwalde<br />
12°/21°<br />
Freitag<br />
Sonnabend<br />
Sonntag<br />
wolkig stark bewölkt wolkig<br />
9°/18° 12°/19° 10°/21°<br />
Prenzlau<br />
12°/19°<br />
Cottbus<br />
13°/21°<br />
Frankfurt<br />
(Oder)<br />
12°/21°<br />
An der Westflanke eines Tiefs über Skandinavien dringt nun aus polaren Breiten<br />
kühle Meeresluft über die Nordsee und die Britischen Inseln südostwärts in<br />
Richtung West- und Mitteleuropa vor. Dies wird von zahllosen Schauerwolken begleitet.<br />
Der Hochsommer zieht sich ans östliche Mittelmeer zurück.<br />
Sylt<br />
9°/16°<br />
Hannover<br />
10°/19°<br />
Köln<br />
11°/19°<br />
Saarbrücken<br />
8°/20°<br />
Konstanz<br />
11°/17°<br />
Hamburg<br />
9°/17°<br />
Erfurt<br />
10°/18°<br />
Frankfurt/Main<br />
13°/21°<br />
Stuttgart<br />
12°/18°<br />
Rügen<br />
12°/19°<br />
Rostock<br />
12°/18°<br />
Magdeburg<br />
12°/20°<br />
Nürnberg<br />
12°/18°<br />
München<br />
11°/16°<br />
Dresden<br />
15°/21°<br />
Deutschland: Heute gehen bei wechselnder<br />
Bewölkung vereinzelt Regenschauer<br />
nieder. Dabei werden<br />
während des Tages 16 bis 21Grad<br />
erreicht, nachts kühlt es dann auf<br />
10 bis 4Grad ab. Der Wind weht<br />
schwach bis mäßig aus West. Morgen<br />
scheint zeitweise die Sonne. Nur<br />
vereinzelt fällt Regen aus dichten<br />
Wolken. Die Höchstwerte betragen<br />
17 bis 21Grad, und der Wind weht<br />
nur schwach aus West.<br />
Meerestemperaturen:<br />
Ostsee: 18°-20°<br />
Nordsee: 17°-19°<br />
Mittelmeer: 23°-31°<br />
Ost-Atlantik: 17°-22°<br />
Mondphasen: 06.09. 14.09. 22.09. 28.09.<br />
Sonnenaufgang: 06:23 Uhr Sonnenuntergang: 19:46 Uhr Mondaufgang: 14:04 Uhr Monduntergang: 22:55 Uhr<br />
Lissabon<br />
33°<br />
Las Palmas<br />
27°<br />
Madrid<br />
28°<br />
Reykjavik<br />
12°<br />
Dublin<br />
18°<br />
London<br />
18°<br />
Paris<br />
18°<br />
Bordeaux<br />
23°<br />
Palma<br />
28°<br />
Algier<br />
27°<br />
Nizza<br />
28°<br />
Trondheim<br />
11°<br />
Oslo<br />
17°<br />
Stockholm<br />
20°<br />
Kopenhagen<br />
18°<br />
Berlin<br />
20°<br />
Mailand<br />
27°<br />
Tunis<br />
29°<br />
Rom<br />
27°<br />
Warschau<br />
25°<br />
Wien<br />
26° Budapest<br />
28°<br />
Palermo<br />
25°<br />
Kiruna<br />
9°<br />
Oulu<br />
14°<br />
Dubrovnik<br />
29°<br />
Athen<br />
30°<br />
St. Petersburg<br />
21°<br />
Wilna<br />
22°<br />
Kiew<br />
24°<br />
Odessa<br />
23°<br />
Varna<br />
27°<br />
Istanbul<br />
27°<br />
Iraklio<br />
28°<br />
Archangelsk<br />
20°<br />
Moskau<br />
16°<br />
Ankara<br />
27°<br />
Antalya<br />
32°<br />
Acapulco 35° heiter<br />
Bali 36° sonnig<br />
Bangkok 28° Schauer<br />
Barbados 30° Gewitter<br />
Buenos Aires 10° bedeckt<br />
Casablanca 25° wolkig<br />
Chicago 27° sonnig<br />
Dakar 31° heiter<br />
Dubai 39° sonnig<br />
Hongkong 33° Gewitter<br />
Jerusalem 27° sonnig<br />
Johannesburg 25° sonnig<br />
Kairo 36° sonnig<br />
Kapstadt 21° heiter<br />
Los Angeles 28° heiter<br />
Manila 30° wolkig<br />
Miami 35° heiter<br />
Nairobi 26° wolkig<br />
Neu Delhi 36° Gewitter<br />
New York 25° wolkig<br />
Peking 35° heiter<br />
Perth 17° sonnig<br />
Phuket 32° Gewitter<br />
Rio de Janeiro 20° Regen<br />
San Francisco 23° wolkig<br />
Santo Domingo 33° heiter<br />
Seychellen 27° wolkig<br />
Singapur 33° bewölkt<br />
Sydney 25° sonnig<br />
Tokio 31° bedeckt<br />
Toronto 22° sonnig