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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 206 · D onnerstag, 5. September 2019 5<br />
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Politik<br />
„Europa sollte den US-Weg gehen, um erfolgreich zu werden“<br />
Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, über Handelsfragen, den Umgang mit China und seine Erwartung an die deutschen Verteidigungsausgaben<br />
Richard Grenell ist seit Mai<br />
2018 Botschafter der USA<br />
in Deutschland, und es hat<br />
sich gezeigt: Der 52-Jährige<br />
scheut sich nicht, das diplomatische<br />
Parkett hin und wieder zu verlassen,<br />
um sich öffentlichkeitswirksam<br />
in aktuelle politische Debatten<br />
einzumischen –besonders, wenn es<br />
um die Interessen seines Heimatlandes<br />
geht.<br />
Herr Botschafter, das Wirtschaftswachstum<br />
nimmt weltweit ab, Experten<br />
sehen die Spannungen in der<br />
Handelspolitik als Ursache –und damit<br />
auch US-Präsident Donald<br />
Trump.Liegen sie richtig?<br />
Mansollte auf die Fakten blicken,<br />
nicht auf die Emotionen. Die Fakten<br />
zeigen, dass dies nicht stimmt. Handel<br />
und Exporte in die USA sind angestiegen.<br />
Trotzdem leidet global gesehen das<br />
Wachstum. Hat das aus Ihrer Sicht<br />
nichts mit der scharfen Rhetorik seitens<br />
der USA zu tun?<br />
Noch einmal: Ichverweise auf die<br />
Fakten. Die sprechen eine andere<br />
Sprache.Das größte Problem im vergangenen<br />
Quartal war der Brexit, es<br />
waren nicht die USA. Im Gegenteil:<br />
Die Politik der Vereinigten Staaten<br />
tut Deutschland gut. Der US-Wirtschaft<br />
geht es ausgezeichnet.<br />
Warum spielt die US-Regierung dann<br />
noch immer mit dem Gedanken,<br />
Strafzölle auf europäische Produkte<br />
wie Autos auf Deutschland zu erheben?<br />
Schauen Sie, die europäischen<br />
Zölle auf US-Autos liegen bei zehn<br />
Prozent, die US-amerikanischen auf<br />
europäische Fahrzeuge bei 2,5 Prozent.<br />
Präsident Trump hat klargemacht,<br />
dass wir ein freieres und faireres<br />
System wollen. Aber momentan<br />
sind die europäischen Zölle höher als<br />
die US-Zölle. Europa hat manche<br />
Wirtschaftszweige abgeschottet und<br />
in anderen die Zölle erhöht. Wir erwarten<br />
etwa, dass Europa seine<br />
Märkte für landwirtschaftliche Produkte<br />
öffnet. Frankreich hat in Brüssel<br />
aber klargemacht, dass sie daran<br />
nicht interessiertsind. Deswegen bekommt<br />
die EU kein offeneres System<br />
hin. Die USA werden alles Notwendige<br />
tun, um ein offeneres System zu<br />
erreichen. Der Status quo ist für die<br />
Vereinigten Staaten nicht akzeptabel,<br />
das hat Präsident Trump klar gesagt.<br />
Präsident Trump verfolgt auch gegenüber<br />
China in Handelsfragen eine<br />
harte Politik. Wiebewerten SieChinas<br />
Rolle?<br />
DerWesten hat einen fundamentalen<br />
Fehler gemacht, als wir China<br />
in die WTO aufgenommen haben.<br />
Wir glaubten, dass sich China in<br />
Richtung Rechtsstaatlichkeit, offene<br />
Märkte, Menschenrechte und<br />
Kapitalismus weiterentwickeln<br />
würde. Aber das ist nie passiert.<br />
China manipuliert die Märkte.<br />
ZUR PERSON<br />
IMAGO STOCK&PEOPLE<br />
Richard Grenell wurde 1966 in Jenison im US-Bundesstaat Michigan geboren. Er studierte<br />
an der Harvard KennedySchool, war bei Fox News Kommentator,Publizist für BreitbartNews<br />
und sieben Jahre lang Sprecher des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen. Seit Mai<br />
2018 ist er US-Botschafter in Deutschland.<br />
Währungsmanipulation, der Diebstahl<br />
geistigen Eigentums, esist alles<br />
nicht besser sondern immer<br />
schlimmer geworden. Deutsche<br />
und europäische Firmen jubeln den<br />
USA zu, weil es endlich jemand mit<br />
China aufnimmt. DieUS-Wirtschaft<br />
ist sehr stark. Deswegen können wir<br />
diesen Konflikt zu lange bestehenden<br />
Themen eingehen. Wir spüren<br />
viel Unterstützung von europäischen<br />
Regierungen und Firmen.<br />
Auch Angela Merkel hat gesagt, dass<br />
wir zusammen die China-Frage angehen<br />
müssen. Präsident Trump tut<br />
genau das.<br />
Aber auch in den USA gehen die Börsen<br />
nach unten. Sorgen Siesich?<br />
Unsere Börsen sind unglaublich<br />
stark. Unsere Wirtschaft ist sehr<br />
stark. Es sind die anderen Länder,die<br />
Schwächen zeigen. Deswegen sind<br />
wir auch gerne zu den G7 nach<br />
Frankreich gefahren und haben gezeigt,<br />
dass die US-Wirtschaft stark<br />
ist. Wir haben Steuern gesenkt und<br />
dereguliert, um mehr Wirtschaftswachstum<br />
zu erreichen. Europa<br />
sollte den US-Weg gehen, um wieder<br />
erfolgreich zu werden.<br />
Beim G7-Gipfel in Biarritz hat Donald<br />
Trump einen baldigen Besuch in<br />
Deutschland angekündigt. Sehen Sie<br />
die deutsch-amerikanischen Beziehungen<br />
auf einemWegder Besserung?<br />
Ich denke, die Beziehungen sind<br />
bereits stark. Wir sprechen aber<br />
wichtige Themen an, wie das Zwei-<br />
Prozent-Ziel, das eine Nato-Verpflichtung<br />
ist. Deutschland muss als<br />
stärkste Volkswirtschaft Europas<br />
multilateral handeln und braucht einen<br />
glaubwürdigen Plan, wann es<br />
dieses Ziel erreicht. Wenn Deutschland<br />
die Deadline im Jahr 2024 nicht<br />
schafft, dann muss es einen Plan entwerfen,<br />
wann es endlich so weit sein<br />
wird, dass dieses Nato-Ziel erreicht<br />
wird. Dieses Thema ist zentral dabei,<br />
wie sich das deutsch-amerikanische<br />
Verhältnis entwickelt. Ich spreche<br />
vom Zwei-Prozent-Ziel, weil der<br />
größte Streitpunkt zwischen den<br />
USA und Deutschland das Thema<br />
Lastenverteilung ist. Dasist übrigens<br />
schon weit vor der Präsidentschaft<br />
Trumps Teil der US-Politik gewesen,<br />
vonGeorge W. Bush über Obama bis<br />
zu Präsident Trump. Jeder hatte dieselbe<br />
Position. Wirhaben es in internen<br />
Gesprächen versucht und öffentlich.<br />
Undeszeigt sich: Nurwenn<br />
Deutschland öffentlich unter Druck<br />
gesetzt wird, dann bewegt sich die<br />
Regierung in der Frage der Verteidigungsausgaben.<br />
Es ist eine lange<br />
Antwort, aber ich denke,dass Trump<br />
nach Deutschland kommt und seine<br />
Unterstützung für das transatlantischeVerhältnis<br />
zeigt, ist sehr wichtig.<br />
Aber er wirdauch die Themen direkt<br />
ansprechen, die bestehen und lange<br />
ignoriertwurden.<br />
DasGespräch führte<br />
Gordon Repinski.<br />
Conte will Italien<br />
besser machen<br />
Seine neue Regierung mit Fünf Sternen und PD steht<br />
VonRegina Kerner,Rom<br />
Als Giuseppe Conte am Mittwochnachmittag<br />
im Präsidentenpalast<br />
vor die Presse trat, sah er müde<br />
und abgekämpft aus. Kein Wunder<br />
nach mehr als vier Wochen Regierungskrise<br />
in Italien. Die ist nun beendet.<br />
Conte hatte zuvor dem Staatsoberhaupt<br />
Sergio Mattarella sein<br />
neues Kabinett aus Fünf-Sterne-<br />
Leuten und Sozialdemokraten sowie<br />
das Programm vorgestellt. Und er<br />
hatte ganz offiziell das Mandat für<br />
eine zweite Amtszeit angenommen.<br />
Zur künftigen Regierungsarbeit<br />
sagte er:„Wir werden unsere besten<br />
Energien, unsere Kompetenzen und<br />
Leidenschaft darauf verwenden, Italien<br />
besser zu machen.“<br />
Unter den neuen Ministern sorgt<br />
vorallem eine Personalie für Diskussion:<br />
Der bisherige Vize-Premier,<br />
Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio,<br />
wirdAußenminister.Das ist insofern<br />
verwunderlich, als der 33-Jährige<br />
keinerlei internationale Erfahrung<br />
und äußerst bescheidene Englisch-<br />
Kenntnisse vorzuweisen hat. Die<br />
Leitung des Wirtschaftsressorts<br />
übernimmt dagegen ein mit den<br />
Brüsseler Regeln und Prozeduren<br />
bestens vertrauter Europa-Abgeordneter<br />
der Sozialdemokraten: Roberto<br />
Gualtieri, 53, ehemaliger Professor<br />
für Zeitgeschichte. Erist der<br />
Vorsitzende des Ausschusses für<br />
Wirtschaft und Währung des EU-<br />
Parlaments und somit für die im<br />
Giuseppe Contes Regierung soll an diesem<br />
Donnerstag vereidigt werden. AFP<br />
Herbst anstehenden Haushaltsverhandlungen<br />
mit der EU gut gewappnet.<br />
Für das Thema Migration wird<br />
eine Frau zuständig sein. Luciana<br />
Lamorgese,65, früher Kabinettschefin<br />
im Innenressort, löst den Rechtsnationalisten<br />
Matteo Salvini an der<br />
Spitze des Ministeriums ab. Andiesem<br />
Donnerstag soll das Kabinett<br />
vereidigt werden. Danach müssen<br />
die beiden Parlamentskammern das<br />
Vertrauen aussprechen.<br />
Wassie inhaltlich vorhat, ist bisher<br />
nur in groben Zügen bekannt. Eines<br />
jedoch ist sicher:Die neue Koalition<br />
ist zwar klar pro-europäisch –<br />
anders als die Vorgängerregierung<br />
unter Beteiligung von Salvini und<br />
seiner europafeindlichen Lega. Sie<br />
wirdaber nicht davon abrücken, von<br />
Brüssel mehr Flexibilität in der<br />
Haushaltspolitik zu fordern. Das hat<br />
Conte in einem Programmentwurf<br />
bereits klargemacht.<br />
Es bestehe die Notwendigkeit,<br />
„die übertriebene Strenge der europäischen<br />
Stabilitätskriterien zu<br />
überwinden“, heißt es darin. Mit<br />
Blick auf den Haushalt 2020 wurde<br />
eine „expansive Wirtschaftspolitik“<br />
unter anderem zugunsten vonFamilien<br />
angekündigt. Es soll Steuererleichterungen<br />
für Arbeitnehmer geben,<br />
um deren Kaufkraft anzukurbeln,<br />
sowie ein milliardenschweres<br />
Sonderprogramm für Investitionen<br />
und Wachstum in Süditalien. Außerdem<br />
einen Mindestlohn.<br />
Allerdings wird auch betont: das<br />
Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen<br />
dürfe nicht aufs Spiel gesetzt,<br />
eine drohende Mehrwertsteuererhöhung<br />
von 22auf 25 Prozent müsse<br />
verhindert werden. Die würde automatisch<br />
am 1. Januar 2020 in Kraft<br />
treten, falls Italien die mit der EU vereinbarte<br />
Obergrenze für die Neuverschuldung<br />
überschreitet.<br />
Die Finanzmärkte scheinen Vertrauen<br />
zu haben. Die Risikoaufschläge<br />
auf italienische Staatsanleihen<br />
sind derzeit so gering wie seit<br />
Mai 2018 nicht mehr, also bevor die<br />
Populisten-Koalition die Regierung<br />
übernahm.<br />
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