Waffenmarkt-Intern Ausgabe 0319
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Blackout<br />
03/2019 · 113<br />
doch plötzlich die zulässige Stromstärke überschritten und es setzte eine<br />
Kettenreaktion ein: Überlastete Leitungen schalteten sich automatisch ab,<br />
der Strom verteilte sich unkontrolliert auf andere Leitungen, die ebenfalls<br />
überlastet wurden und sich abschalteten. Innerhalb von 19 Sekunden erfolgte<br />
ein kaskadenartiger Leistungsabfall von Deutschland bis Spanien,<br />
der 15 Millionen Menschen betraf.<br />
Ein Blick in die Statistik<br />
Solche Großstörungen sind in Deutschland – bisher – die Ausnahme. Schaut<br />
man sich die offiziellen Zahlen der Bundesnetzagentur an, gibt es 172.600<br />
Ausfälle pro Jahr, das sind 472 pro Tag – mehr, als der unbedarfte Bürger<br />
angesichts einer der zuverlässigsten Stromversorgungen der Welt vermuten<br />
dürfte.<br />
Allerdings werden zahlreiche Stromausfälle in der offiziellen Statistik noch<br />
gar nicht erfasst; rechnet man etwa die nicht berücksichtigten<br />
- Versorgungsunterbrechungen mit einer Dauer von bis zu drei Minuten,<br />
- geplanten Versorgungsunterbrechungen,<br />
- ungeplanten Versorgungsunterbrechungen, die auf andere Ursachen als<br />
„atmosphärische Einwirkungen“, „Einwirkungen Dritter“, „Zuständigkeit des<br />
Netzbetreibers“ und „Rückwirkungsstörungen“ zurückzuführen sind und<br />
- Versorgungsunterbrechungen aufgrund von höherer Gewalt wie Orkane,<br />
Hochwasser, Schnee- und Eislasten<br />
hinzu, würden die tatsächlichen Versorgungsstörungen Berechnungen zufolge<br />
wohl beim Zehnfachen der offiziellen Zahlen liegen, nämlich bei 4.700<br />
Stromausfällen pro Tag! Diese Stromausfälle haben nichts mit einem Blackout<br />
zu tun, aber sie zeigen, dass die Stromversorgung schon heute weniger<br />
zuverlässig ist, als wir gemeinhin unterstellen.<br />
Wahrscheinlichkeit eines Blackouts<br />
Gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts zu: Während<br />
großflächige Netzausfälle in den Dekaden zwischen 1965 und 1995 noch<br />
vereinzelt auftraten, waren es nach 2005 im Durchschnitt schon 14 Ereignisse<br />
im Jahr.<br />
Noch deutlicher machen dies die Eingriffe, die erforderlich werden, um Netzengpässe<br />
zu vermeiden und Leitungsüberlastungen zu beheben. Unter dem<br />
sogenannten Engpassmanagement versteht man etwa das Zu- oder Abschalten<br />
konventioneller Großkraftwerke, das Hochfahren zusätzlicher Verbraucher<br />
oder einen Lastabwurf von Netzteilen – stets mit dem Ziel, die<br />
Netzfrequenz stabil zu halten. Das Ausmaß solcher Maßnahmen hat sich in<br />
den vergangenen Jahren vervielfacht; inzwischen finden im Prinzip täglich<br />
entsprechende Eingriffe statt.<br />
Ganz aktuell sackte am 10. Januar 2019 die Netzfrequenz im europäischen<br />
Verbundsystem auf 49,8 Hertz ab. Das ist deshalb bedeutend, weil der Sollwert<br />
von 50,0 Hertz im gesamten europäischen Wechselstromnetz konstant<br />
bleiben muss. Unterschreitet die Frequenz 49,8 Hertz oder überschreitet sie<br />
50,2 Hertz, droht ein Zusammenbruch des Netzes. Damit war am 10. Januar<br />
2019 die untere Grenze eines sicheren Netzbetriebes erreicht. Das letzte Mal<br />
lag die Netzfrequenz bei der Schiffsüberführung im November 2006 so<br />
niedrig.<br />
Die Brisanz wird deutlich – doch damit nicht genug: Genau zwei Wochen<br />
später, am 24. Januar 2019, stieg die Frequenz auf rund 50,2 Hertz, und damit<br />
an die obere Grenze eines sicheren Netzbetriebes. Selbst wenn die Netzbetreiber<br />
durch ihre Eingriffe in beiden Fällen einen Blackout verhindern konnten,<br />
zeigt sich, dass die Ausschläge immer größer werden. Mehr und mehr<br />
Experten sind sich einig: Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann es zu<br />
einem Blackout kommt.<br />
Das Blackout-Szenario<br />
Gerade weil wir im internationalen Vergleich immer noch eine der besten<br />
Stromversorgungen haben, konnten wir unsere Rückfallebene reduzieren,<br />
brauchten kaum noch Vorsorge treffen – und die Fähigkeiten, die Folgen eines<br />
Blackouts zu bewältigen, sind kaum entwickelt. Politik und Behörden<br />
haben das Problem der unzureichenden Vorbereitung auf einen Blackout<br />
erkannt und begonnen, gegenzusteuern.<br />
Allerdings verfolgt der Staat gar nicht den Ansatz, der Bevölkerung einen<br />
Vollkasko-Schutz zu bieten. Im Musternotfallplan „Stromausfall“ des Regierungspräsidiums<br />
Karlsruhe etwa wird es auf den Punkt gebracht: „Bei einem<br />
langanhaltenden und flächendeckenden Stromausfall kann aufgrund<br />
der enormen Anforderungen und der nur begrenzt vorhandenen personellen<br />
und materiellen Ressourcen keine umfassende staatliche Fürsorge betrieben<br />
werden.“<br />
Über die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls<br />
hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag<br />
schon 2010 eine systematische Analyse vorgelegt. Die Studie kam zu dem<br />
Ergebnis, dass sich aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der<br />
Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten eine Schadenslage<br />
von besonderer Qualität summieren würde und dass ein Kollaps der<br />
gesamten Gesellschaft kaum zu verhindern wäre. Die Analysen haben gezeigt,<br />
dass in den betroffenen Gebieten schon nach wenigen Tagen eine<br />
flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit<br />
(lebens-)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen<br />
und die öffentliche Sicherheit gefährdet wäre. Die durch den Blackout<br />
ausgelösten Folgen wären selbst durch eine Mobilisierung aller internen<br />
und externen Kräfte und Ressourcen allenfalls noch zu mildern, aber<br />
nicht mehr „beherrschbar“.<br />
Weiterführende Infos zum Thema<br />
www.wm-intern.de