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KÜCHENPLANER Ausgabe 05/06-2020

Die Fachzeitschrift KÜCHENPLANER zählt zur Pflichtlektüre der deutschen Küchenspezialisten. Achtmal jährlich werden mehr als 6.000 Küchenplaner und Einkäufer in den Küchenfachmärkten, Küchenfachabteilungen in Möbelhäusern, Küchenstudios und in der Küchenindustrie angesprochen.

Die Fachzeitschrift KÜCHENPLANER zählt zur Pflichtlektüre der deutschen Küchenspezialisten. Achtmal jährlich werden mehr als 6.000 Küchenplaner und Einkäufer in den Küchenfachmärkten, Küchenfachabteilungen in Möbelhäusern, Küchenstudios und in der Küchenindustrie angesprochen.

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Impulse/Ansichten<br />

Zurück auf Los<br />

Rot oder schwarz. 60er oder Bayern. Dortmund oder Schalke.<br />

In manchen Lebensbereichen sind die Dinge klar geregelt.<br />

Kein vielleicht, kein so aber auch so. Mit den Untiefen der<br />

Differenzierung muss sich niemand behängen. Leider ist es im<br />

Leben nicht immer so. Oder sollte ich sagen zum Glück?<br />

Corona, Corona, Corona! Steht Ihnen das Thema auch<br />

bis zum Hals? Dann geht es Ihnen wohl wie den meisten<br />

von uns. Eigentlich wollte auch ich an dieser Stelle<br />

ein anderes Thema beleuchten. Und nichts sagen zu<br />

Corona. Dass dies ein naiver Wunsch ist, wurde schon<br />

klar, während er sich formierte. Wahrscheinlich resultierte<br />

er aus einer psychologisch nachvollziehbaren<br />

Themenverdrossenheit. Ein weitverbreitetes Phänomen<br />

in diesen Tagen.<br />

Natürlich muss es aktuell um Corona gehen. Gerade<br />

jetzt. Denn nachdem der erste Schock überwunden<br />

ist, zeigt sich erst die ganze Brisanz der Situation. Es<br />

erinnert mich an Monopoly. Wir haben die Corona-Karte<br />

gezogen und mussten zurück auf Los. Jetzt sind wir<br />

aufgefordert, das Beste daraus zu machen. Nur dass<br />

dies kein launiges Gesellschaftsspiel ist.<br />

Inzwischen wissen wir: Das dauerhafte Leben<br />

mit Corona ist ungewiss und anstrengend. Wir wünschen<br />

uns, dass uns jemand den Ausweg aus der Lage<br />

weist, doch einen Masterplan hat niemand in der Tasche.<br />

Nach einer ersten Welle der breiten Solidarität beginnt<br />

sich die Gesellschaft zu teilen. An den Polen in<br />

jene, die das alles nicht wahrhaben und einfach „durch“<br />

wollen, zurück zum Gewohnten. Und in jene, die wie<br />

traumatisiert nur mit Mund-Nasen-Schutz und Einweghandschuhen<br />

sein können, selbst wenn sie allein im<br />

Auto unterwegs sind.<br />

Verzweiflung oder Ignoranz. Beides ist mir zu extrem.<br />

Es gilt einen flexiblen Umgang mit der Situation<br />

zu finden. Das erfordert eine innere Haltung. Vielleicht<br />

sogar eine die sich traut, diese Krise auch als<br />

Krise wahrzunehmen, anstatt sie mit vorauseilendem<br />

Optimismus ausschließlich als Chance sehen zu wollen.<br />

Denn zunächst ist Corona keine Chance, sondern<br />

ein „grimmiges Geschehen“, wie der Zukunftsforscher<br />

Matthias Horx in seinem neuen Buch „Die Zukunft<br />

nach Corona“ treffend beschreibt. „Menschen sterben,<br />

geraten in große Not, Verzweiflung und Ängste breiten<br />

sich aus, Existenzen geraten ins Schlingern . . . “,<br />

schreibt Horx. All das sei ganz und gar nicht Chance.<br />

Eine Chance wird eine Krise erst, wenn wir den Wandel,<br />

der mit ihr einhergeht, akzeptieren und beginnen<br />

ihn zu gestalten.<br />

Ein Bewusstsein für eine persönliche innere Haltung<br />

einzunehmen, könnte im Moment also nützen.<br />

Mein persönlicher Plan lautet so: Ich werde mich unter<br />

Vorbehalt meines hoffentlich gesunden Menschenverstandes<br />

an das halten, was mehrheitlich als sinnvoll erachtet<br />

wird. Ich werde bis auf Weiteres wo vorgeschrieben<br />

einen Mund-Nasenschutz tragen, ich werde in<br />

die Armbeuge niesen, mir regelmäßig und gründlich<br />

die Hände waschen und mich in der nächsten Erkältungssaison<br />

nicht ins Büro schleppen, obwohl ich vor<br />

lauter Husten, Naselaufen und Atemnot kaum weiter<br />

weiß. Kurz, ich werde die Wichtigkeit meiner Person<br />

ein Stück hintenanstellen und etwas zur Atmosphäre<br />

einer unaufgeregten Solidarität beitragen. Ich werde<br />

auch nie wieder jemand anniesen oder an spucken, weder<br />

auf offener Straße noch daheim. Das habe ich bislang<br />

ohnehin selten gemacht, aber jetzt ist damit konsequent<br />

Schluss. Ich schwöre.<br />

Was ich aber nicht tun werde, wogegen ich mich<br />

sträube, auf die Barrikaden gehe, protestiere und einfach<br />

nicht bereit bin es zu tun, ist, einen anderen Menschen<br />

pauschal als Feind zu betrachten. Nicht mehr<br />

den Menschen hinter der Maske wahrzunehmen, sondern<br />

ihn auf seine mögliche Funktion als Virenschleuder<br />

zu reduzieren. Womöglich noch todbringend.<br />

Schutz ja, Vorsorge ja, Abstand ja, Aufmerksamkeit<br />

ja, übertriebene Ängstlichkeit: auf gar keinen Fall. In<br />

einer Welt, in der ich kaninchengleich durchs Leben<br />

huschen müsste, weil ich hinter jedem Busch eine Gefahr<br />

wähne, möchte ich nicht leben. Kaninchen haben<br />

wegen ihrer ständigen Ängstlichkeit mein ehrliches<br />

Mitgefühl. Ich bin keins. Das Gegenteil wird mir auch<br />

niemand einreden können: weder Verschwörungstheoretiker<br />

noch Schwarzweißmaler.<br />

Dirk Biermann<br />

PS: „Die Zukunft nach Corona“ von Matthias Horx ist Ende Mai <strong>2020</strong> im Econ Verlag erschienen. Es ist mit etwas<br />

mehr als 120 reinen Textseiten vergleichsweise kurz und sicher fix produziert, doch meines Erachtens lesenswert.<br />

Mehr dazu auf www.kuechenplaner-magazin.de<br />

5/6/<strong>2020</strong> <strong>KÜCHENPLANER</strong> 3

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