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Magazin von FRAGILE Suisse - Nummer 1, März 2011

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Wie funktioniert dieser Trick? Die Neugierde ist ein guter Begleiter in der Rehabilitation.<br />

Magier Pierre Greiner (rechts im Bild) führt Therapeuten in die Zauberei ein.<br />

Verblüffend einfach, aber hochkomplex<br />

Text und Foto: Verena Paris<br />

Hokuspokus und schon ist der Knopf im Seil. Zickzack und die Münze kommt aus dem<br />

leeren Hosensack. Verblüffend. Unerwartet. Zauberei ist Illusion und grenzt an Wunder.<br />

«Zauberei fasziniert alle Menschen, unabhängig <strong>von</strong> Alter, Geschlecht oder Kultur»,<br />

ist Stefan Staubli überzeugt. Er ist Teamleiter der Neurorehabilitation an der<br />

Reha-Klinik Bellikon und er zaubert: Nicht für die Patienten, sondern lieber mit<br />

ihnen.<br />

Keine Frage, wer lacht, entspannt sich,<br />

schaltet ab, fühlt sich wohl. Mehr als 300<br />

Muskeln kommen zum Einsatz, wenn ein<br />

Mensch sich vor Lachen schüttelt. Gleichzeitig<br />

füllen sich die Lungenflügel mit<br />

Luft, die dann mit zirka 100 Kilometern<br />

pro Stunde wieder herausgeschleudert<br />

wird. Die Sauerstoffaufnahme erhöht sich<br />

so um ein Vielfaches. Das Zwerchfell zieht<br />

sich zusammen und massiert gleichsam<br />

die inneren Organe. Zwei bis drei Minuten<br />

herzhaftes Lachen bringen so viel wie<br />

15 Minuten Joggen. Humor tut gut – und<br />

ist in der Therapie und Pflege etabliert.<br />

Entdeckung als Motivation<br />

Hingegen ist bei der Zauberkunst nicht<br />

das Lachen vordergründiges Ziel – obwohl<br />

Zauberei grossartig unterhält und<br />

ein gelungener Trick fast immer ein Lächeln<br />

auf das Gesicht des Zuschauers<br />

zaubert. «Es geht ums Entdecken», meint<br />

Stefan Staubli <strong>von</strong> der Reha-Klinik Bel-<br />

<strong>FRAGILE</strong> <strong>Suisse</strong> 01 | <strong>2011</strong><br />

likon. «Ein Zaubertrick fasziniert, verblüfft.<br />

Die meisten wollen verstehen, wie<br />

es funktioniert.» Und Neugierde spornt<br />

an, motiviert – das wirkt sich auch in der<br />

Therapie anspornend aus. Stefan Staubli<br />

erinnert sich an einen Forstwart, der nach<br />

einer Hirnverletzung halbseitig und vor<br />

allem mit den Hand- und Fingerbewegungen<br />

stark eingeschränkt war. Er hat<br />

ihm den Trick «das springende Gummiband»<br />

gezeigt, das sehr viel Fingergeschicklichkeit<br />

verlangt. «Bis Freitag kann<br />

ich das», habe der Patient zu ihm gesagt<br />

und gleich den Motivationsgrund dazu<br />

geliefert: «Freitag gehe ich nach Hause,<br />

das will ich meinen Kindern zeigen.»<br />

Kein Referenzwert zu vorher<br />

In der Reha-Klinik Bellikon lernen die Patientinnen<br />

und Patienten die körperlichen,<br />

psychischen und sozialen Folgen<br />

der Hirnverletzung auf ein Minimum zu<br />

beschränken. Je nach Schweregrad der<br />

Hirnverletzung müssen sie sogar wieder<br />

Sprechen, sich Anziehen, Laufen lernen.<br />

Da steht Zauberei natürlich nicht gleich<br />

in den ersten Tagen auf dem Therapieprogramm.<br />

Denn Zauberei erfordert viel<br />

Geschicklichkeit, höchste Konzentration<br />

und die Bewegungen müssen exakt ausgeführt<br />

werden. «Und trotzdem lernen es<br />

unsere Patienten stressfrei», erzählt Stefan<br />

Staubli. «Wer konnte vor der Hirnverletzung<br />

schon zaubern?» Es gibt also keine<br />

Vergleichsmöglichkeiten. «Und das»,<br />

ist der Ergotherapeut überzeugt, «stärkt<br />

das Selbstwertgefühl enorm.»<br />

Therapeuten als Zauberlehrlinge<br />

Und er hat dabei seine Finger im Spiel:<br />

Magier Pierre Greiner aus der Innerschweiz.<br />

Bereits 1993 lernte er das «Project<br />

Magic» <strong>von</strong> David Copperfield kennen,<br />

der mit 25 ausgewählten Tricks die<br />

Zauberei als Therapieform zugänglich<br />

machen wollte. Pierre Greiner hat das<br />

Copperfield-Therapieprogramm offiziell<br />

für die Schweiz übernommen. Er hat<br />

schon viele Psychiater, Kindergärtnerinnen,<br />

Physiotherapeuten und Pfleger ausgebildet.<br />

«Ich arbeite mit den Therapeuten<br />

und nicht mit den Patienten direkt»,<br />

erklärt er: «Ich kenne die Grenzen der Patienten<br />

nicht.»<br />

Und beim Zaubern kann man schon<br />

mal an die Grenzen kommen – denn<br />

Zaubern lernen ist anstrengend. «Man<br />

muss die Bewegungen präzise ausführen,<br />

man muss schnell rechnen und zählen<br />

können», erklärt Pierre Greiner: «Man<br />

muss sich im Raum orientieren können<br />

und seine Zuschauer ablenken, indem<br />

man mit ihnen kommuniziert.» Das<br />

setzt Übung voraus. Und trotzdem sind<br />

die meisten Zauberlehrlinge schnell erfolgreich.<br />

«Die Tricks sind relativ einfach,<br />

wenn man versteht, wie es funktioniert.»<br />

Und das könne man nur, wenn man hinter<br />

die Kulisse schaue und selber Hand<br />

anlege, meint Pierre Greiner. Und damit<br />

lädt er auch alle Interessierten ein, am<br />

nächsten Grundkurs «Zaubern als therapeutisches<br />

Mittel» in der Reha-Klinik<br />

Bellikon teilzunehmen.<br />

www.magic-pierre.ch<br />

Grundkurs «Zaubern als therapeutisches<br />

Mittel», 6. und 7. Mai <strong>2011</strong><br />

www.rehabellikon.ch<br />

› Kurse und Kultur<br />

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