Magazin von FRAGILE Suisse - Nummer 1, März 2011
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Balanceakt als spielerische Trainingseinheit: Dank Roger Stadelmann (rechts im Bild) gehört in der Reha Zihlschlacht auch Slackline zur Therapie.<br />
Jeder Schritt eine Herausforderung<br />
Text und Foto: Verena Paris<br />
Seine eigene Mitte finden – ist nicht immer ganz einfach. Für Menschen mit Halbseitenlähmung,<br />
mit Gleichgewichtsstörungen, mit einem Neglect erst recht nicht.<br />
Und trotzdem geht es. Ergotherapeut Roger Stadelmann lässt sie alle tanzen – über<br />
ein einfaches Seil. Slackline heisst sein neuer Therapieansatz. Auch <strong>FRAGILE</strong> <strong>Suisse</strong><br />
hat sich in der Rehabilitationsklinik Zihlschlacht aufs Seil gewagt.<br />
Mit den langen Haaren und dem Silberring<br />
am Fuss würde er eigentlich besser<br />
in ein buddhistisches Kloster passen<br />
– aber sein echtes Leben findet in der<br />
Turnhalle statt. Doch auch dort tritt er mit<br />
einer leichtfüssigen Gelassenheit auf und<br />
beweist pädagogisches Geschick.<br />
Was ist Slackline?<br />
Roger Stadelmann ist Ergotherapeut in<br />
der Klinik Zihlschlacht, die sich auf die<br />
Rehabilitation <strong>von</strong> hirnverletzten Menschen<br />
spezialisiert hat. Und er hat das<br />
Seil, das man normalerweise spasseshalber<br />
in der Freizeit benutzt und zwischen<br />
zwei Bäume spannt, in die Turnhalle geholt.<br />
Zu Therapiezwecken.<br />
Warum als Therapie geeignet?<br />
Das Seil ist nur so breit wie eine Kinderhand<br />
und bloss auf Wadenhöhe gespannt.<br />
Allerdings dehnt sich die Slackline<br />
unter der Last – und genau das macht es<br />
erst zu einer richtigen Herausforderung.<br />
<strong>FRAGILE</strong> <strong>Suisse</strong> 01 | <strong>2011</strong><br />
Wer oben bleiben will, muss vollen Körpereinsatz<br />
zeigen: Orientierung, Gleichgewicht,<br />
Stabilität und alle Muskeln sind<br />
gefragt, um sich der Schwerkraft entgegenzusetzen.<br />
«Die Slackline verlangt ein<br />
ständiges aktives Ausgleichen der eigenen<br />
Bewegungen», erklärt Roger Stadelmann<br />
und meint schmunzelnd: «Was so<br />
anstrengend tönt, ist ein spielerisches<br />
und sensorisches Erlebnis.»<br />
Und meist ein Erfolgserlebnis. Das<br />
Training dauert nämlich nur ein paar Minuten,<br />
aber der Erfolg ist nachweisbar.<br />
Roger Stadelmann hat für seine Diplomarbeit<br />
Messungen durchgeführt: «Vor allem<br />
das Gleichgewicht, die Koordination<br />
und Konzentration werden verbessert.<br />
Auch Menschen mit einem Neglect oder<br />
einer Halbseitenlähmung erfahren über<br />
das Balancieren auf dem Seil, wo ihre<br />
Körpermitte ist», erzählt Roger Stadelmann.<br />
Weiter zählt er auf, dass sich das<br />
«Range of move» oder das Bewegungsausmass<br />
bei allen Patienten verbessert<br />
hat. «Durch die Slackline-Therapie kann<br />
ich den Patienten eine Erleichterung bei<br />
der Verrichtung der alltäglichen Aktivitäten<br />
verschaffen.»<br />
Begeisterung bei den Patienten<br />
Tatsächlich. Eine Pensionärin, nach einem<br />
Hirnschlag gehunfähig, wagt nach<br />
zwei Wochen Rehabilitationsaufenthalt<br />
den Balanceakt übers Seil. Sie wird gestützt<br />
und geführt <strong>von</strong> Roger Stadelmann.<br />
Ein paar Minuten Körperspannung<br />
und Konzentration pur – <strong>von</strong> der<br />
Seiltänzerin und dem Ergotherapeuten.<br />
Nach 15 Metern die grosse Freude.<br />
Sie hat es geschafft. Beim zweiten<br />
Durchgang wird sie schon selbstsicherer,<br />
geht leichtfüssiger, sichert sich nur noch<br />
an einer Hand. «Das werde ich meinen<br />
Enkeln zeigen», lacht sie und freut sich<br />
schon auf die baldige Heimkehr.<br />
www.slackline-therapie.ch<br />
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