der gemeinderat Juli/August 2021
Unsere Themen der Doppelausgabe Juli/August: Luftreiniger, Smarte Städte, Top-Studienführer
Unsere Themen der Doppelausgabe Juli/August: Luftreiniger, Smarte Städte, Top-Studienführer
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Durchgeplant: Der brachliegende Entwässerungsgraben dient künftig als Retentionsfläche und naturnaher Erholungsraum zugleich. Das Bauprojekt in<br />
Kirchheim unter Teck will zudem das Miteinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bewohner durch Gemeinschaftsflächen för<strong>der</strong>n.<br />
Freiraumplanung<br />
Lösungen für die<br />
Aufgaben unserer Zeit<br />
Die Monofunktionalität von Räumen können wir uns zukünftig nicht mehr<br />
leisten, findet Gastautor Hannes Bäuerle. Mit einem preisgekrönten Projekt<br />
seines Planungsbüros liefert er ein Beispiel, wie Retentionsflächen sozial und<br />
ökologisch wertvoll in die Quartiersplanung integriert werden können.<br />
Wie kann ein Wandel hin zu einer<br />
sozialen Ökologisierung<br />
unseres Lebensumfelds gelingen?<br />
Hierfür braucht es ein Um- und Neudenken<br />
in <strong>der</strong> Entwicklung und Nutzung<br />
des vorhandenen Bodens. Unsere Ressourcen<br />
sind endlich, auch die <strong>der</strong> verfügbaren<br />
Flächen. Der immer weiter fortschreitende<br />
Wegfall von land- und forstwirtschaftlicher<br />
Nutzung und das Versiegeln<br />
des offenen Bodens führt unter<br />
an<strong>der</strong>em zu solch katastrophalen Ereignissen<br />
wie in diesem Sommer in Nordrhein-Westfalen<br />
o<strong>der</strong> Rheinland-Pfalz.<br />
Retentions- und Verdunstungsräume<br />
fehlen vielerorts, Pflanzflächen und Gehölzstrukturen,<br />
die <strong>der</strong> Erosion durch<br />
Wind und Wasser entgegenwirken können,<br />
werden baulich umgenutzt, vor allem<br />
im besiedelten Bereich. Gleichzeitig<br />
besteht ein Mangel an Freiflächen im<br />
nahen Lebens- und Wohnumfeld. Räume<br />
für soziales Miteinan<strong>der</strong>, Spiel- und Bewegungsangebote<br />
für alle Generationen<br />
sowie Flächen zur Selbstaneignung mit<br />
nutzungsoffenen Möglichkeiten fehlen<br />
flächendeckend in bewohnten Gebieten.<br />
Dabei sind es gerade diese Orte, die von<br />
höchster Wertigkeit für unsere Gesellschaft<br />
und unser Lebensumfeld sind. Jedoch<br />
erfahren sie bisher wenig Wertschätzung,<br />
auch im monetären Sinn.<br />
Die Monofunktionalität von Räumen,<br />
beispielsweise als reine Bau-, Parkierungs-<br />
o<strong>der</strong> Freifläche können wir uns<br />
künftig nicht mehr leisten. Wir benötigen<br />
Flächen, die vielfache Nutzungen übernehmen<br />
können. Gleichzeitig müssen sie<br />
wirtschaftlich umsetzbar sein sowie<br />
langfristig in <strong>der</strong> Unterhaltung funktionieren.<br />
Klimatische, ökologische und soziale<br />
Aspekte müssen gleichermaßen Beachtung<br />
finden.<br />
FLÄCHEN BRAUCHEN MEHRFACHNUTZEN<br />
Die fehlenden Freiraumangebote zur Freizeitgestaltung<br />
sowie <strong>der</strong> nicht vorhandene<br />
Retentionsraum für Nie<strong>der</strong>schläge<br />
in bebauten Gebieten schließen sich als<br />
gemeinsame Nutzung einer Fläche bisher<br />
fast immer aus. Dabei können bei geeigneter<br />
Flächenbeschaffenheit und ortsangepasster<br />
Planung hier multifunktionale<br />
Räume entstehen, die eine hohen Aufenthaltsqualität<br />
bieten und gleichzeitig als<br />
Klimaraum mit Verdunstungskühlung<br />
und Versickerung dienen.<br />
Vielerorts gibt es in bebauten Gebieten<br />
keine Zugänge und Aufenthaltsmöglichkeiten<br />
für Menschen an Gewässern.<br />
Gleichzeitig fehlt kanalisierten Flüssen<br />
o<strong>der</strong> Bächen <strong>der</strong> Raum zur Überflutung<br />
o<strong>der</strong> Retention. Auenbereiche an Gewäs-<br />
Foto: Bäuerle Landschaftsarchitektur + Stadtplanung<br />
Öffentlicher Raum<br />
sern bieten vielfältige Habitate für<br />
Pflanzen und Tiere und leisten einen<br />
wichtigen Beitrag zum Artenschutz.<br />
Durch nachhaltige Planung und Umsetzung<br />
kann eine Aufwertung erzielt werden,<br />
die vielfache Nutzungen auf einer<br />
Fläche bietet und gleichzeitig für ein<br />
ausgewogenes Miteinan<strong>der</strong> sorgt.<br />
KLIMAGERECHT PLANEN<br />
Wie solch eine Umsetzung für die Zukunft<br />
aussehen kann, zeigt das nachfolgende<br />
Beispiel eines Wettbewerbs<br />
aus Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg,<br />
<strong>der</strong> von unserem<br />
Büro gemeinsam mit UTA Architekten<br />
entworfen und mit dem ersten Preis ausgezeichnet<br />
wurde. Auf einem ehemaligen<br />
und brachliegenden Güterbahnhofsareal<br />
wird künftig ein Wohnquartier<br />
entstehen, welches unter sozialen,<br />
ökologischen und klimatischen<br />
Gesichtspunkten geplant und umgesetzt<br />
werden soll. Ebenso sind die Themen<br />
Mobilität <strong>der</strong> Zukunft, Car- und<br />
Bike- Sharing sowie <strong>der</strong> naheliegende<br />
ÖPNV wichtige Bestandteile <strong>der</strong> Konzeption.<br />
„Wir benötigen Flächen,<br />
die vielfache Nutzungen<br />
übernehmen können.<br />
Gleichzeitig müssen sie<br />
wirtschaftlich umsetzbar<br />
sein sowie langfristig in<br />
<strong>der</strong> Unterhaltung<br />
funktionieren.“<br />
Hannes Bäuerle<br />
Die langgestreckte Entwicklungsfläche<br />
liegt parallel zur S-Bahn-Verbindung<br />
und in naher Umgebung bestehen<strong>der</strong><br />
Wohnquartiere. Im Zentrum des Gebietes<br />
befindet sich ein brachliegen<strong>der</strong> Entwässerungsgraben,<br />
<strong>der</strong> jedoch funktional<br />
und gestalterisch nicht den aktuellen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen entspricht.<br />
KALTE LUFT FÜRS QUARTIER<br />
Ausgehend von <strong>der</strong> Bestandssituation<br />
wurde die zukünftige Bebauung so gesetzt,<br />
dass Kaltluftströme weiterhin für<br />
eine Be- und Entlüftung des Quartiers<br />
sorgen und gleichzeitig attraktive und<br />
funktionale Wohnangebote für alle Einkommensschichten<br />
entstehen können.<br />
In kleineren Hofgruppen, mit Angeboten<br />
für die Gemeinschaft in den Erdgeschossen,<br />
entstehen kommunikative<br />
Räume, die <strong>der</strong> Begegnung und dem<br />
Austausch zur Verfügung stehen und<br />
gleichzeitig für Kleinkin<strong>der</strong> Spiel- und<br />
Bewegungsangebote schaffen.<br />
Der brachliegende Entwässerungsgraben<br />
wird weiterhin als Retentionsraum<br />
zur Verfügung stehen, mehr Nie<strong>der</strong>schläge<br />
zwischenspeichern können<br />
und gleichzeitig ein attraktiver Ort für<br />
alle Generationen werden. Spiel-, Sportund<br />
Bewegungsangebote bieten vielfältige<br />
Möglichkeiten und im Schatten bestehen<strong>der</strong><br />
sowie neuer Bäume kann die<br />
Gemeinschaft zusammenkommen.<br />
STARKREGEN VERSICKERN LASSEN<br />
Im Starkregenereignis kann die Fläche<br />
überflutet werden und gibt die Wassermassen<br />
über Versickerungseinrichtung<br />
zielgerecht an den Boden ab. Naturnahe<br />
Gewässerrandstreifen mit Gehölzstrukturen<br />
bieten den angesiedelten Arten<br />
Lebens- und Nahrungsraum und schaffen<br />
so einen Ausgleich zum Eingriff<br />
durch die Baumaßnahmen.<br />
Dieses Beispiel zeigt, wie wir multifunktionale<br />
Freiräume schaffen und<br />
ausbilden können und dabei den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
einer klimagerechten, sozialverträglichen<br />
und umweltsichernden<br />
Planungs- und Bauweise gerecht<br />
werden können. Lösungen für die Aufgaben<br />
unserer Zeit for<strong>der</strong>n Visionen und<br />
Konzepte, die weit über die Planungsund<br />
Bauzeit hinausgehen. Planen für<br />
die Zukunft und nicht aus <strong>der</strong> Vergangenheit,<br />
das ist unsere Aufgabe.<br />
<br />
Hannes Bäuerle<br />
DER AUTOR<br />
Hannes Bäuerle ist Freier Landschaftsarchitekt<br />
und Freier Stadtplaner mit Bürositz in<br />
Stuttgart. Er ist Mitglied im Bund Deutscher<br />
Landschaftsarchitekten (BDLA) und Mitglied<br />
im Städtebauausschuss <strong>der</strong> Landeshauptstadt<br />
Stuttgart.<br />
Die Zentrale<br />
für smarte<br />
Schulungs- und<br />
Klassenräume!<br />
Jetzt informieren unter:<br />
hager.de/mediensaeule<br />
8 <strong>der</strong> gemein<strong>der</strong>at 7 – 8/21<br />
<strong>der</strong> gemein<strong>der</strong>at 7 – 8/21