der gemeinderat Juli/August 2021
Unsere Themen der Doppelausgabe Juli/August: Luftreiniger, Smarte Städte, Top-Studienführer
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Planen & Bauen<br />
ÖFFENTLICHER RAUM<br />
Planen & Bauen<br />
Virtuelles 3D-Stadtmodell von München:<br />
Es wurde unter an<strong>der</strong>em genutzt, um die<br />
Eignung <strong>der</strong> solaren Energiegewinnung<br />
für alle Dach- und Wandflächen<br />
abzuschätzen.<br />
DIE AUTOREN<br />
Christof Beil und Dr. Tatjana Kutzner<br />
arbeiten im Team von Prof. Dr. Thomas<br />
H. Kolbe am Lehrstuhl für Geoinformatik<br />
<strong>der</strong> Technischen Universität München<br />
Stadtplanung<br />
Digitale Zwillinge für<br />
smartere Städte<br />
3D-Modelle von Quartieren und ganzen Städten helfen dabei, die Auswirkungen<br />
von Verän<strong>der</strong>ungen zu simulieren und zu analysieren, bevor die Maßnahmen in<br />
die Realität umgesetzt werden.<br />
Der Begriff des „digitalen Zwillings“<br />
wurde ursprünglich in <strong>der</strong><br />
Industrie 4.0 entwickelt und fand<br />
zuerst in Bereichen wie Maschinenbau<br />
o<strong>der</strong> Automobiltechnik Verwendung. Beschrieben<br />
wurde damit das digitale Gegenstück<br />
zu einem realen Objekt, etwa<br />
einer Turbine, welches dieses über dessen<br />
gesamten Lebenszyklus abbildet. In jüngerer<br />
Vergangenheit wurde dieses Konzept<br />
als „digitaler urbaner Zwilling“ auch<br />
auf einzelne Quartiere o<strong>der</strong> ganze Städte<br />
übertragen. Sie beinhalten nicht nur verschiedene<br />
3D-Modelle (z. B. 3D-Stadtmodelle<br />
o<strong>der</strong> BIM-Modelle), son<strong>der</strong>n schließen<br />
vielfach auch Echtzeitdaten (z. B. von<br />
Sensoren) und Analysewerkzeuge (z. B.<br />
zur Energiebedarfsberechnung) ein.<br />
„WAS WÄRE WENN“-SZENARIEN<br />
Die umfassende Dokumentation realer<br />
städtischer Objekte wie Gebäude, Bäume<br />
o<strong>der</strong> Stromleitungen als Teile des digitalen<br />
urbanen Zwillings ermöglicht eine<br />
Bestandsaufnahme des Ist-Zustands <strong>der</strong><br />
Stadt. Durch Planung und Entwurf von<br />
Gebäuden, Quartieren o<strong>der</strong> Städten mit<br />
Hilfe digitaler Objekte können Kosten sowie<br />
Material- und Energiebedarfe abgeschätzt<br />
werden. Ein hoher Nutzen entsteht<br />
zudem durch die kontinuierliche<br />
Verwendung des digitalen urbanen Zwillings<br />
über sämtliche Phasen des Lebenszyklus<br />
von Stadtobjekten. Weiterhin erlaubt<br />
eine Kopie des digitalen urbanen<br />
Zwillings (gewissermaßen ein digitaler<br />
Drilling) Analysen und Simulationen als<br />
„Was wäre wenn"-Szenarien“ durchzuführen.<br />
Die Auswirkung von Verän<strong>der</strong>ungen,<br />
etwa ein Radweg anstelle einer Fahrspur<br />
und <strong>der</strong> daraus resultierende verän<strong>der</strong>te<br />
Verkehrsfluss, kann so virtuell erprobt<br />
und bewertet werden, bevor diese<br />
in die Realität umgesetzt werden.<br />
Neben <strong>der</strong> Erzeugung stellt vor allem<br />
auch die fortlaufende Aktualisierung digitaler<br />
Modelle <strong>der</strong> Umwelt eine Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dar. Die vielfältigen Daten des<br />
digitalen urbanen Zwillings liegen in <strong>der</strong><br />
Regel in verschiedenen Händen und bilden<br />
so ein System aus verteilten Bestandteilen.<br />
Daher müssen Datenintegrations-<br />
Fotos: Technische Universität München; Sabine Schönhut<br />
prozesse definiert werden, welche in <strong>der</strong><br />
Lage sind, diese Probleme zu lösen. Dabei<br />
kommt dem semantischen 3D-Stadtmodell<br />
als verbindendes Element eine<br />
Schlüsselrolle zu. Neben geometrisch genauen<br />
und georeferenzierten Daten beinhaltet<br />
dieses umfangreiche semantische<br />
und topologische Informationen und<br />
ist zudem für Visualisierungszwecke geeignet.<br />
ANKERPUNKT FÜR VIELFÄLTIGE<br />
INFORMATIONEN ZUR STADT<br />
Thematisch kann das 3D-Stadtmodell<br />
sämtliche Objekte <strong>der</strong> Stadt wie Gebäude,<br />
den Straßenraum o<strong>der</strong> Vegetation umfassen.<br />
Die Stadt wird dabei hierarchisch in<br />
kleinere Bestandteile zerlegt, welche ihrerseits<br />
weiter unterglie<strong>der</strong>t werden können.<br />
Ein einfaches Beispiel ist ein Stadtmodell,<br />
welches Gebäudemodelle beinhaltet,<br />
die wie<strong>der</strong>um aus Teilflächen wie<br />
Dach-, Wand- und Grundflächen aufgebaut<br />
sind. Jedes dieser Einzelobjekte ist<br />
eindeutig benenn- und auswählbar und<br />
kann so als Ankerpunkt für die Verbindung<br />
weiterer urbaner Informationen<br />
zum virtuellen Stadtmodell dienen.<br />
Zur Modellierung, Speicherung und<br />
Verwaltung semantischer 3D-Stadtmodelle<br />
hat sich <strong>der</strong> internationale Standard<br />
CityGML etabliert, <strong>der</strong> vom Open Geospatial<br />
Consortium herausgegeben wird. CityGML<br />
wird von vielen Städten weltweit<br />
für die Verwaltung von 3D-Stadtmodellen<br />
eingesetzt. CityGML erlaubt die Modellierung<br />
städtischer Objekte mit <strong>der</strong>en<br />
3D-Geometrie und 3D-Topologie, Semantik<br />
und Erscheinung in vier verschiedenen<br />
Detaillierungsgraden. Die im<br />
Juni <strong>2021</strong> verabschiedete neue Version 3.0<br />
des Standards verbessert die Nutzbarkeit<br />
von CityGML für Anwendungsbereiche<br />
wie Energie- und Umweltsimulationen,<br />
Stadtplanung, Verkehrsanalysen, autonomes<br />
Fahren und Smart Cities maßgeblich.<br />
CityGML 3.0 ermöglicht die Darstellung<br />
mehrerer Versionen eines Stadtobjekts<br />
(z. B. historische Versionen o<strong>der</strong> alternative<br />
Planungsentwürfe) innerhalb eines<br />
Stadtmodells. Zudem können hochdynamische<br />
Informationen in Bezug auf Stadtobjekte<br />
(z. B. Sonneneinstrahlung im<br />
Tagesverlauf) repräsentiert und Sensoren<br />
mit 3D-Stadtmodellen verknüpft werden.<br />
Die Verkehrsinfrastruktur kann nun detaillierter<br />
modelliert werden und die Geometrie<br />
von Stadtobjekten durch Punktwolken<br />
repräsentiert werden.<br />
SOLARE EINSTRAHLUNG AUF MÜNCHNER<br />
GEBÄUDE WIRD SIMULIERT<br />
Das Beispiel einer Solarpotenzialanalyse<br />
mit Vegetationsmodell zeigt den Nutzen<br />
von 3D-Stadtmodellen. Im Rahmen des<br />
vom Run<strong>der</strong> Tisch GIS e.V. und dem Landesamt<br />
für Digitalisierung, Breitband und<br />
Vermessung Bayern initiierten Projekts<br />
„Nutzung von Geomassendaten“ wurde<br />
durch das Leibniz-Institut für ökologische<br />
Raumentwicklung für das gesamte<br />
3D-Modelle dienen auch zur gemeinsamen Analyse und Visualisierung <strong>der</strong><br />
Auswirkungen ober- und unterirdischer Baumaßnahmen.<br />
Münchner Stadtgebiet ein detailliertes<br />
Vegetationsmodell erstellt und anschließend<br />
von <strong>der</strong> TUM die solare Einstrahlung<br />
in 3D auf Fassaden und Dächern simuliert.<br />
Die Abbildung auf <strong>der</strong> linken<br />
Seite zeigt das Ergebnis <strong>der</strong> Simulation<br />
sowie den Einfluss <strong>der</strong> Vegetation auf Einstrahlungswerte<br />
<strong>der</strong> Gebäudeflächen.<br />
Digitale 3D-Modelle existieren auf verschiedenen<br />
Skalen und für unterschiedliche<br />
Einsatzbereiche. Während zur Planung<br />
einzelner Bauwerke IFC-basierte<br />
BIM-Modelle zum Einsatz kommen, werden<br />
existierende topografische Objekte<br />
auf Stadt(quartier)ebene mittels City-<br />
GML-Modellen dargestellt. Zahlreiche<br />
Anwendungen erfor<strong>der</strong>n eine Integration<br />
dieser Modelle.<br />
Ein Beispiel ist die Analyse <strong>der</strong> Auswirkung<br />
geplanter unterirdischer Bauwerke<br />
auf die Grundwasserströmung und<br />
<strong>der</strong>en mögliche Folgen auf umliegende,<br />
existierende Objekte mittels Grundwassersimulation.<br />
Hierfür ist ein konsistentes<br />
3D-Modell bestehend aus geplanten Bauwerken,<br />
existierenden ober- und unterirdischen<br />
Objekten, geologischen und<br />
hydrogeologischen Daten sowie den Ergebnissen<br />
<strong>der</strong> Grundwassersimulation<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Christof Beil und Tatjana Kutzner<br />
Kommunales Bauen mit System, am Puls <strong>der</strong> Zeit.<br />
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